Ende Mai, hauptsächlich Festtage KW 21/2023

Da sind Leute auf der Straße, fröhliche Erwachsene, ungewöhnlich um die Zeit aber egal, denke ich, so im Halbschlaf. Wenige Minuten später ertönt Blasmusik. So laut dass man wirklich wach wird, „im Ernst?“ murmelt der Liebste. Ich fürchte ja, in der Benachrichtgung über den Festablauf stand was von „es wird geweckt“, aber das hier, das hatte ich so auch nicht kommen sehen. Sonntag morgen um viertel nach sieben gehören wir also zu den allerersten für die dieses Brauchtumsfest beginnt. Zuviel der Ehre.

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Julikind wollte mit, zum Festzug, ist allerdings versehentlich wieder eingeschlafen, der Start verzögert sich ein wenig. Der Festzug kommt uns entgegen. Während der Pause, in der die sinnstiftende Sage dieses Festes verlesen wird, findet uns die Oma aus dem Städtchen, ihre Schwester auch. Guten Morgen, guten Morgen, das ist aber schön… „Huch, samma, du bist ja Julikind!“ Julikind nickt, die Großtante begrüßt und entschuldigt sich. Sowas von gewachsen ist das Kind, sie dachte, es sei irgendeine Dame, da neben mir, deshalb hatte sie nicht so genau geguckt. Julikind grinst und wächst gleich noch drei Zentimenter. Mittlerweile wurde der Silberbecher, den der Graf vor hunderten von Jahren dem Ort schenkte zur Einstimmung auf diesen Tag mit regionalen Spazialitäten gefüllt und macht die Runde. Ich suche Blickkontakt mit Märzkind. Sie trägt eine Fahne und hat daher kulturelle Verpflichtungen, aber, ich gestikuliere, sie möge bitte keinen Schluck aus diesem Becher nehmen, Brauchtum hin oder her, sonst holen wir uns womöglich gleich die nächste Seuche ins Haus. Sie guckt „biste bekloppt, das weiß ich doch wohl selber“ und hält ein kleines Plastikpinnchen hoch. Sehr gut. Da ist er ja der Becher, da wollten sie doch… die Oma hakt sich fröhlich bei ihrer Schwester ein, um locker flockig aus dem gleichen Becher zu trinken wie schon 100 andere Leute zuvor. Was denn drin ist, im Becher, frage ich. Irgendein süßes Zeug, murmelt Märzkind, hat sie Organverklemmung von bekommen und muss gleich erstmal Mantaplatte, oder so. „Zwetschge“, sagt die Großtante, aus der nächstgelegenen Brennerei, „köstlich, früher war immer Cognac drin, aber so für morgens ist was süßes ja viel schöner.“

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Die „kleinen“ Mädels haben es schwer, zu jung für Bier und zu alt für Hüpfburg. Aber „man kann nicht zu alt sein, für Hüpfburg, wer unter 1,80m groß ist darf, steht auf dem Schild“, sage ich. Sie haben Bedenken, wegen der vielen kleinen Kinder, ich nicht. Ein Rudel 4-Jähriger räumt innerhalb einer Minute die Hüpfburg. Da trauen sich auch die 12-jährigen und haben Spaß. Oberhalb von 1,80m gibt es keinen Sauerstoff, und jetzt verstehe ich auch, warum die Blagen alle nass geschwitzt sind. Ganz vielleicht wird man doch irgendwann zu alt für Hüpfburg.

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Geburtstagskaffee. An einem Tisch unterhält man sich angeregt, am anderen ist die Stimmung leicht verkatert. Eine Dame verlässt die Veranstaltung auf recht unterhaltsame Weise. Der Hut fehlt noch. „Die Ommi hat Style“, kommentiert Julikind, und möchte wissen wer das ist. Auch eine Großtante. Ach, die kennt sie garnicht. Wir überlegen kurz, und ja, das kann tatsächlich sein. Die hat sich sehr verändert, über Corona.

Zum Abendessen ist nur die Familie da. „so, wer von euch hat denn nun alle Prüfung, dies Jahr?“ nacheinander deutet Schwiegermudda auf ihre Enkel, drei von sechs anwesenden nicken stumm. Das erklärt die Stimmung. Die erfahrene mehrfach-Oma wechselt das Thema: Kartoffelsalat, scheinbar ganz einfach, in Wahrheit die Königsdisziplin der Festbewirtung. Neulich hat sie ein Rezept gefunden, handschriftlich, vom Opa, deshalb hat sie sich getraut und…? Gelungen. Die Enkelschar isst, bis alles alle ist.

Schwiegeroma darf nicht mehr allein aufstehen. Es wurde eine Kamera platziert, wegen Festtag, wer auch immer dran vorbeiläuft und was beobachtet – Meldung machen. „Oma, die Oma will aufstehen“

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Ein Gewitter. Bei der Omma hat der Blitz eingeschlagen. Sie nimmt es so dermaßen gelassen, dass man sich fast Sorgen macht. Der Rauch, der scheinbar aus dem Dach kam, kam zum Glück aus dem Schornstein, sagt der Vatta, aber bisschen Pulsfrequenz hat er gehabt.

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Eine spontane Einladung zur Geburtstagsfeier, und, jo, da haben wir tatsächlich ein bisschen Zeit. Es gibt wieder einen Bekanntenkreis von Leuten, denen man einmal im Jahr begegnet. Schön.

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Maikind hat erst ab Mittag Geburtstag, sagt er. Vorher will er garnichts. Ich zünde trotzdem die Geburtstagskerze an, gratuliere kurz und lasse ihn dann in Ruhe beim Hund sitzen. Letzter Prüfungstag, heute.

Mittags kommt er als neuer Mensch nach Hause. Zum Kaffee ist der ganze Tisch voller Großeltern. Draußen sitzen kann man nicht, die Sonne täuscht, aber Geburtstagsfotos kann man machen, vor der blühenden Hecke. Ein fröhlich blödelndes Geschwisterbild fängt die Stimmung perfekt ein, Prüfungen fertig. Abends Gegrilltes und Gemütlichkeit bis halb elf.

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Pfingstmarkt im Städtchen, die Mädels würden da ganz gern mal gucken. Wir finden direkt einen Parkplatz und wundern uns. Es ist überhaupt nicht so viel los wie erwartet. Nach einer Stunde wird uns klar wieso. In wirklich jeder Verkaufsbude der Marktgassen läuft das Radio. Nach Jubel wird gefachsimpelt. Ah, da war doch was. Ohne Absicht haben wir ein optimales Zeitfenster erwischt. Irgendwer wird gerade deutscher Meister und es scheint spannend zu sein. Bisher waren wir ja meist am Familientag auf dem Markt, wegen halber Fahrpreise. Unterm Strich nimmt es sich aber nichts. Nach einer Runde Fahrgeschäft zum vollen Preis geht man an den Fressbuden einfach so vorbei. An den Eingängen zum Festgelände gibts Trinkwasser-Zapfstellen, eine richtig gute Idee, heute ist nämlich Sommer. Sonnenbrand im Nacken.

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Fussballergebnisse: Ein grölendes OOOLeeeeeeeOleeeOOOlllee in Richtung des Liebten und die Anweisung gegenüber dem Pluseinskind „wirklich ganz ernsthaft einfach nur die Fresse zu halten, bitte, weil, schlimmer hätte es nicht kommen können“

Ostern und unsortiertes, KW 14/15 23

Zwei Schritte vor, einer zurück. Auf drei Tage so tun, als wäre Corona vorbei und alles schaffbar, folgt ein Tag mit Fieber auf dem Sofa. Leider brauche ich zwei Runden davon, bis ichs kapiert habe. Langsam mit Tendenz Richtung garnicht. So gehts.

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Da hat etwas nicht in den Glascontainer gepasst und irgendwer hat es dann den Hang runter auf den Weg geworfen. Ich sammle Glasscherben und lege sie soweit an den Wegrand wie möglich. Da muss ich nochmal mit einer Mülltüte wiederkommen, denke ich und vergesse ich. Am nächsten Tag geht der Liebste mit dem Hund, wirft eine Frisbee und der Hund bremst genau da, wo die Scherben liegen. Verdammt. So, wenn ich jetzt was auf dem Glascontainer liegen sehe, hole ich es, bevor jemand auf Ideen kommt. Diese Woche, eine Tortenplatte und eine Snäckschüssel im 80er Jahre Style, waren sogar die Etiketten noch dran.

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Maikind hatte ein Viererpack Controller-Ersatzteile bestellt und seinen Heimstudientag für eine erste Reperatur genutzt. Wenn man einmal raushat wie, geht es eigentlich ganz schnell, sagt er. Vielleicht wird das sein zweites Standbein, neben dem Rasenmähen, denn dieses Bauteil geht ja bei jeder Konsole kaputt, und viele trauen sich nicht, das Ding aufzuschrauben, zwei Aufträge hat er schon. Am darauf folgenden Montag teilt nintendo mit, es gibt dann jetzt doch Garantie auf das Teil, man kann es einschicken. Tja.

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Es fühlt sich gerade nicht so an, als würde ich jemals wieder welche brauchen, aber meine Joggingschuhe sind im Angebot und die aktuellen sind durch. Man kann auch mal Glück haben.

Der Triathlet sagt, ihm habe man beim Belastungs-EKG gesagt, mit vollständiger Regeneration, soweit überhaupt möglich, sei erst nach 12-14 Monaten nach Corona zu rechnen. Das erklärt auch, warum er immernoch 20 Minuten langsamer Marathon läuft als vorher. Ist lieb gemeint. Du mich auch, sage ich.

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Es brennt nicht nur das Osterfeuer, auf dem Gelände verteilt stehen Schwedenfeuer. Eine richtig gute Idee, so kann man zusammenstehen, es warm haben und sich unterhalten. Beim großen Feuer ist so früh am Abend immer den einen kalt, während die anderen sich fragen, ob die Jacke schon schmilzt. Es ist weniger los als im letzen Jahr. Vielleicht weil insgesamt mehr los ist und sich die Leute wieder verteilen. Ich bin früh müde und mache mich auf den Heimweg. Zeitgleich macht sich eine Gruppe unbekannter Leute auf den Heimweg. Fröhlich laufen sie auf der rechten Fahrbahnseite über die nächtliche Landstraße, ich leuchte sie kurz mit der Taschenlampe an, alle schwarz gekleidet, kein einziger Reflektor, aber es handelt sich um halbwegs nüchterne Erwachsene, Städter offensichtlich. Dorfkinder lernen das Laufen an Straßen ohne Bürgersteig auf dem Weg zum Kindergarten. „Links gehen, der Gefahr ins Auge sehen“ Links ist die Seite mit den zwei Punkten am Pfosten, man geht am Straßenrand, nicht mitten drauf, Allgemeinbildung der Kategorie „iss keinen gelben Schnee“, dachte ich – andererseits wenn man mich im Stadtverkehr Auto fahren sieht, vermutet man auch keinen Führerschein. Ich wedele wild mit der Taschenlampe, damit das entgegenkommende Auto sich schon mal wundern kann. Es wird langsamer und langsamer und bleibt dann einfach einen Moment stehen, bis die Gruppe sich sortiert hat. Alles gut gegangen.

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Als Märzkind und ich uns auf den Weg machen sind noch nicht mal die Laternen an. Wenn in der unbeleuchteten Kirche die Kantorei anfängt zu singen, es ganz langsam heller wird hinter den bunten Fenstern, das Licht verteilt wird und alle vorsichtig mit den Kerzen hantieren um niemandem versehentlich die Frisur anzustecken… ich mag das. In dieser Gemeinde wird leider kurz nach dem Entzünden der Osterkerzen zusätzlich das elektrische Licht eingeschaltet, damit man die Liedtexte besser lesen kann vermutlich. Auf einen Schlag ist die Magie der Osternacht dahin. Schade. So kann man überall auch um elf Ostern feieren, da braucht man nicht morgens um fünf bis ins Städtchen fahren. War aber trotzdem ganz schön. Zu Hause geht Märzkind direkt wieder ins Bett. Ich bin wach, koche Kaffee, mache Frühstück, gehe osterhasen im Garten, weil Ostereier suchen ist halt was, was man an Ostern macht, das hat mit`m Alter nix zu tun, haben die Blagen gesagt. Alle Eier wurden wieder gefunden, dieses Jahr. Nachmittags Kaffee trinken bei der Oma mit anschließendem Eierwerfen. Kein einziges Ei ist kaputt gegangen dabei, man merkt, dass es viel geregnet hat, die letzen Wochen.

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Ostermontag ein Gefühl von so-viele-soziale-Kontakte-hatte-ich-schon-lange-nicht-mehr. Der Liebste besucht die Schwiegermutter, ich nutze den regenfreien Wind-tag zum Wäsche waschen. Nach der fünften Maschine kann man den Fussboden in der Wäschekammer wieder sehen. Wir nähern uns dem Normalbetrieb, das freut mich.

Fazit: Ostern ist ruhiger geworden und kleiner. Vielleicht liegt es dran, dass die Kinder größer sind, oder an der Inflation oder an Lockdown-Nachwirkungen. Nach nicht mal einer Woche sind alle Eier aufgegessen und alle Schokohasen geschlachtet. Ich finds gut so.

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Es tun sich Sachen, überraschend und erfreulich – oder der Beginn von chaotischem Schlamassel.

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„Ach Mama, wenn du dann sowieso da bist, kannste ja mal fragen….“ „Nee, das dürfen die mir überhaupt nicht mehr sagen.“ „Noooaaar, dieses Volljährigkeitsdings?“ „Jo“ Man muss sich dran gewöhnen.

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Da waren wir tatsächlich dies Jahr schon zum zweiten mal zusammen im Kino, kaum zu glauben. Ich bin ja die letzten zwei Stunden davon ausgegegangen, dass Niemand der Sohn von der Frau mit den krassen Hunden aus dem dritten Teil ist, weil, die hatte ja gesagt, die hohe Kammer weiß nicht, dass es ihn gibt, also hat er auch keinen Namen und er hatte halt den Hund dabei. Der Liebste dachte, das er der Junior vom Brieftaubenmann ist und, wenn man jetzt nochmal drüber nachdenkt – man weiß es nicht. Vielleicht muss es doch noch einen fünften Teil geben. John Wick. Ich glaube es waren nur vier Mädels in der Vorstellung.

Festwoche KW 13/23

Es geht wieder. Nicht gut und nur langsam, aber eine Teilnahme am Geburtstags-Kaffee trinken nachmittags scheint im Bereich des Möglichen zu liegen. Da hatte ich gestern noch nicht viel Hoffnung. Ich übernehme eine Elterntaxifahrt mit kleinem Einkauf während der Wartezeit, mache Kuchen fertig und bin danach eigentlich erledigt. Ein Hoch auf die gut sortierte Hausapotheke.

Gastgeben im eigentlichen Sinne kann ich nicht, aber es ist ja auch nicht meine Party. Nur so sitzen geht. Märzkind fragt, wie das denn losgeht, auf so einer Party. Man checkt ob alle da sind, sagt vielleicht kurz, dass man sich freut oder so und holt sich dann Kuchen, und es läuft. Anscheind sind alle da. Halt, doch nicht. Wer hat de Omma vergessen? Die Frage wird durch den Saal gemurmelt. Sie hat abgesagt, quasi in letzter Minute, sagt de Mudda. Hä? Wieso? Wegen Corona. Sehr merkwürdig. Dienstag hat sie noch drauf bestanden, dass jemand von uns Kuchen abholt. Wir konnten uns gerade so darauf einigen, dass sie eine Tüte an die Haustür hängt.

Sonntag morgen tut zum ersten mal seit langem nichts weh, beim wach werden. Der Kopf ist auch wieder klarer. Es fühlt sich nicht mehr an, als müsste man alles durch dichten Nebel denken. Leben in normaler Geschwindigkeit, herrlich. Ich freue mich richtig. Im Nachbarort ist heute Vorstellungsgottesdienst, da könnte ich mit Julikind hin. Brüderchen erkundigt sich in der Familiengruppe, ob wir denn alle an der Uhr gedreht haben. Hä? Nee. Zum ersten mal überhaupt hab ich die Zeitumstellung völlig vergessen. Spontane Planänderung…Gottesdienstbeginn in 10 Minuten ist nicht schaffbar, Kaffee also. Der Liebste wirkt leicht zerknittert. Er war länger auf der Party als ursprünglich gedacht, irgendwie sei ihm die Rolle des weisen Mannes zugefallen, Leute hatten Redebedarf, bis zwei Uhr stand immer jemand bei ihm am Grill, sagt er. Hunderunde schaffe ich noch nicht, aber ich könnte mal gucken, ob vom Salatbuffet noch was übrig/essbar ist.

Abgestandene Partys erzählen Geschichten und ich bin ehrlich gesagt neugierig. Es sieht bei weitem nicht so schlimm aus wie erwartet. Jemand hat sich für die kommende Saison der örtlichen Mannschaft verpflichtet, schriftlich, der durchgesiffte Bierdeckel ist wohl ein Dokument, den lass ich erstmal liegen. Anscheind trinkt man Fruchtsaft oder Eistee mit Korn, Bier ist jede Menge übrig. Auf einem der Tische liegt ein Haarreif mit Moosgummikrönchen und Schleier, der hat vielleicht idellen Wert, ich setze ihn auf, nicht das er weg kommt. Als ich den Kofferraum mit Salatschüsseln und Geschirr belade fahren Autos vor, oh, ist hier etwa Fussball, heute? Nee, sagen die Jungs, Auswärtsspiel, sie treffen sich nur hier. Ich bin erleichtert, frage mich kurz, warum die alle so komisch gucken, und mache weiter. Auf dem Weg zurück ins Gebäude weht mir der Wind einen Hauch von glitzerdem Polyestergeschmeide über die Schulter. Ach so.

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Alle räumen den Tisch ab. Auf dem Rückweg vom Kühlschrank ist ein knappes Gespräch unter Geschwistern zu belauschen Julikind: „Kannste mich mal von der Seite würgen?“ Maikind: „Samma, hackts bei dir?“ Gürtelprüfung, diese Woche, jeder ausser ihr ist sich sicher, dass sie das schafft.

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Weil wir jung genug sind um es zu können und alt genug um keine Kleinkinder mehr auf dem Schoss balancieren zu müssen sitzen wir an der Biergarnitur in der Küche. Aus dem Wohnzimmer ertönt eine schmissige Klingelmelodie. Wir gucken uns fragend an. Die Herrschaften, die da auf richtigen Stühlen um den Tisch sitzen sind eigentlich alle zu alt für Mobiltelefone. Als die Meldodie das dritte mal von vorn beginnt, seufzt Schwiegermudda leise und fragt sich murmelnd, ob denn die Tante wohl ernsthaft denkt, dass die Oma jetzt aufsteht und da hinläuft? In dem Moment kommt die Tante samt Telefon angelaufen. Diese Meldodie… ein Telefonklingeln… wie man denn abnimmt? Schwiegermudda nimmt das Gerät entgegen die Melodie endet. Kurze Erklärung was zu tun ist, sollte es nochmal vorkommen und wo das Telefon am besten liegt, damit alle es finden können. „Ok“, sagt die Tante, schon auf dem Rückweg „wenns grün leuchtet, einfach da drauf drücken“. „Nee“, sagt Schwiegermudda, „wenn es leuchtet auf grün drücken“, aber das kann die Tante schon nicht mehr hören. Drei Sekunden später wieder die schmissige Melodie. „Da klingelt doch was, da will doch bestimmt jemand gratulieren“, ruft die Oma, „ah, das gibt wahrscheinlich nix“, murmelt Schwiegermudda und geht der Tante hinterher. Ich fühle mich gut unterhalten, gebe mir aber Mühe, es nicht zu zeigen. Die Schwägerin stupst mich sanft mit dem Ellbogen und fragt leise, ob ich mich noch an die Serie „Golden Girls“ erinnern kann. Wir lachen, die Blagen verstehen nicht wieso und sind peinlich berührt. Die Oma des Liebsten feiert ihren 103. Geburtstag. Wer U70 ist sitzt am Kindertisch.

Ob er vorne sitzen darf, fragt Maikind, als wir uns auf den Rückweg machen. Jo sicher, hast Erster gefragt, sage ich. Die kurvige Strecke zurück muss sie üben sagt Märzkind, ich soll ihr mal die Schlüssel geben. Äh, das hatte ich ganz vergessen, aber wieso nicht. „Oh“, sagt Maikind, als Märzkind einsteigt, „das ist aber ungewohnt“. „Für mich auch“, sage ich. „Hä?“, fragt Julikind als sie hinten einsteigt, „wieso sitzt du hier? ach so… “ Die erste Kurve nimmt sie sportlich. „Uuuaa“, sagt Julikind, und hält sich an der Tür fest. Ich weise daraufhin, dass ich wahrscheinlich brechen muss, wenn Märzkind so jetzt den ganzen Weg. „Ruhe dahinten“, sagt Märzkind. „Hömma“, sage ich. Kind mit Führerschein ist schon toll, nur ungewohnt.

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Husten, Rotzenasen, Halsschmerzen, Müdigkeit, Gliederschmerzen, mangelhafte Nachtruhe, Zeitumstellung – alles viel besser als letzte Woche aber ach…

Ein herzliches Dankschön, für die Anteilnahme und Genesungswünsche, vonne Psyche her hat`s geholfen.

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Nachdem wir zwei Haus- und Hof-Samstage hintereinander ausfallen haben lassen, kann auch das ungeschulte Auge erkennen, wieso die nötig sind. Wer kann hauswirtschaftet ein bisschen. Von selber, ohne zu nörgeln. Deutliche vorher/nachher Effekte sind erkennbar. Bemerkenswert.

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Werbung für Heuschnupfenmedikamente erreicht mich. Ich blicke raus ins Schneegestöber und frage mich, was das wohl soll.

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Ob er sich ein Bier nehmen darf, fragt Maikind Donnerstag abend. Ja. Ob ich auch eins will? Ja. Im Vorbeilaufen stoßen wir an. Weil wir es können und weil für ihn jetzt die Ferien beginnen. „Heimstudientag“ ist das Fachwort für, „sind halt keine Lehrer da und es wären ja sowieso nur zwei Stunden gewesen“.

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Brüderchen hat anlässlich seines Geburtstags eingeladen zu Kaffee, Kuchen und Mettbrötchen. Man fragt sich, wann denn der Esstisch das letzte Mal so komplett ausgezogen war, es ist schon länger her. Ein gemütlicher Nachmittag in der Weihnachtsrunde. Es ist Geburtstagshochsaison, obwohl wir uns diese Woche schon mal begegnet sind, gibt es einiges zu erzählen. Nächstes Wochende kann jeder selber was machen, dann ist schon Ostern, stellen wir fest. Also, wenn es schneit oder in Strömen regnet, dann lassen wir Eierwerfen aber ausfallen, keine Lust mehr, auf dieses Wetter…wenn Gülle gefahren wurde auch, ansonsten gerne, und ruhig auch wieder Kuchen oder so, da ist man sich einig.

Weihnachtsgeschichten 22

„Na, schon in Weihnachtsstimmung?“ Keine Ahnung, warum ich das ständig gefragt werde. „Nein, danke der Nachfrage“, wäre die ehrliche Antwort. Dieses Gefühl von nervlich am Ende und nach wochenlangem Wunschlisten abarbeiten aus vollem Herzen keine Lust mehr irgendwas zu konsumieren, hab ich dieses Jahr garnicht. Es geht mir gut. Ich ahne aber, dass die Leute was anderes meinen, wenn sie von „Weihnachtsstimmung“ sprechen und antworte mit unverbindlichem Gemurmel.

Endlich Ferien.

Anscheind bekomme ich jetzt diese Erkältung. Schnupfen und ein Gefühl von Watte im Kopf, weder krank noch gesund, Test negativ, mein Kumpel Ibuprofen hilft bei den letzten Vorbereitungen.

Fürs Protokoll: Das vorhandene Verpackungsmaterial hat locker gereicht für die ungefähr 45 Geschenke verschiedenster Größen, die ich verpackt habe plus alles , was die Kinder selber eingepackt haben. Ich sichte das übrig gebliebene und sortiere einiges Richtung Tonne. Geschenkverpackung bleibt auf der „nicht Einkaufsliste“.

Märzkind hat festgestellt, dass sie nichts festliches zum Anziehen hat. Stimmt leider, wir müssen tatsächlich nochmal los. Ich wappne mich für eine Fussgängerzone vollgestopft mit adventlicher Einkaufsaggression. Wir parken auf der großen Freifläche und laufen die paar Meter, weil ich davon ausging, dass das Parkhaus voll sein würde. Ist es aber vielleicht garnicht. In der Fussgängerzone begegnen uns kaum Leute. Im Klamottenladen sind ausser uns noch drei andere Kunden. Die Verkäuferin hat Zeit und Märzkind findet schnell was. Wir wundern uns. Ist der Ansturm schon durch? Nee, sagt die Verkäuferin, vor Weihnachten sei es hier sehr ruhig gewesen, manchmal war sie alleine, auf der ganzen Fläche. Das hatte ich ehrlich gesagt völlig anders in Erinnerung. Aber – ich gehe ja seit zwanzig Jahren in keine adventliche Fussgängerzone mehr rein, wenn ich nicht muss. Vielleicht passe ich die Strategie nächstes Jahr an. So macht es mehr Spaß als im November.

Heilig Abend lasse ich den Gottesdienst aus und gehe stattdessen mit dem Hund raus. Im Wald höre ich die Kirchenglocken und finde es von hier aus viel weihnachtlicher, als zusammengequetscht auf der Bank sitzend… Gummistiefel aus, Festtagsklamotte an, Lichter an, Geschenke hin und zack sind alle schon wieder da. „Weihnachtsgeschichte, 6 Lieder, fertig“, sagt der Liebste, wie bei Ikea am Buffet. Nach und nach kommen die restlichen Familienmitglieder an. Essen gibt es zum Thema „Österreich“, das wurde vorher ausgelost, jeder Haushalt bringt was mit. Schnitzel, Kartoffelsalat, Käseplatte und Linzer-Torte. Zwölf Leute essen schweigend, anscheind hatten alle Hunger, erst beim Nachtisch beginnen Unterhaltungen, und „haben wir jetzt echt anderthalb Stunden gegessen?“, meine Schwester macht leicht verwirrt einen Uhrenvergleich, jo, den Programmpunkt Gemütlichkeit haben wir so gleich mit erledigt. Bescherung ist ein riesen Gewusel, das soll so. Geschenke wurden gewünscht und mit Liebe gekauft, es gibt aber auch ein paar schöne Überraschungen, man ist zufrieden und fröhlich, wie im Bilderbuch.

Am ersten Feiertag gibt es Essen bei Schwiegermutta an festlich gedeckten Tischen. Wir haben uns alle länger nicht gesehen. Mühsam verkneife ich mir zu bemerken, wie groß die Blagen geworden sind. Ich habe ein sehr nettes Tischgespräch mit dem kleinsten Neffen. Er erzählt mir, welche landwirtschaftlichen Geräte er schon fahren kann und wir überlegen, welche Führerscheine er machen muss, damit er das auch auf Straßen darf. Dauert aber leider noch elend lange, bis dahin, sagt er, darf man ja frühestens mit 15. Er geht in die dritte Klasse. Dorfkind.

Vor der Bescherung braucht es hier ein Gedicht. Wuselig wird es trotzdem, einfach, weil es so viele Leute sind. Kaffee und Kuchen holt sich später jeder selber. Essen im Sessel ist erlaubt. Kurz vor Ende der Feier lässt sich die Oma des Hauses nochmal ganz dicht an den Weihnachtsbaum ranfahren. Andächtig schaut sie eine ganze Weile. Zum ersten mal, seit ich sie kenne hat sie nicht gesagt, dass sie nächstes Jahr nicht mehr da sein wird. Ohoh.

Ein Haushalt hat „Familiengeschenke“ gemacht. Kurz hatte ich ein schlechtes Gewissen, eigentlich bekommen ja nur die Kinder was. Später, zu Hause, stellt sich heraus, die Kinder haben von diesem Haushalt nichts bekommen. Möglicherweise habe ich da unwissentlich eine „wir-schenken-uns-nix“-Absprache untergraben? Nachfrage beim anderen Haushalt. Nein, es gab keine Absprache. Sie haben auch ganz normal Geschenke gemacht und ein Familiengeschenk bekommen. Muss man sich Sorgen um deren finanzielle Situation machen? Nein, da sind sich alle sicher. Wir versuchen es mit Humor zu nehmen, aber ehrlich gesagt fällt das immer schwerer. Wenn diese Art zu schenken Alkoholkonsum wäre, würde man von Auswirkungen auf das soziale Umfeld sprechen.

Am zweiten Feiertag hat die Oma aus dem Städtchen zum Festessen geladen. In diesem Restaurant ziehen wir den Altersdurchschnitt nach unten, man könnte meinen wir sind der Kindertisch. Es gibt sämtliche Weihnachtsklassiker zu essen. Nachtisch schafft niemand und das ist eigentlich schade, wenn man bedenkt, was die Oma hier zahlen wird. Das Buffet war so organisiert, dass man wirklich zusammen essen konnte. Fast alles hat richtig gut geschemeckt. So kann man das mal machen. Danach gucken wir uns den neuen 4D-Film im Nationalparkzentrum an. Das Foto von „alle Familie mit Papp-3D-Brillen auf“ wird wahrscheinlich in die Geschichte eingehen.

Cousinenbabys werden angekündigt, auf beiden Seiten der Familie. Über ein viertes Urenkelkind freut man sich, über ein 17tes auch, aber gelassener.

Pluseinskind geht auffällig unauffällig am Weihnachtsbaum vorbei. Ich gucke nach, grinse und schweige. Erst am Abend fällt es dem Liebsten auf. „Samma, wer hat denn hier?… das kann doch wohl nicht sein…ne Zecken-Kugel??? in unserem Baum??… der Junge traut sich was…“ Mögen die Spiele beginnen.

KW 48/49 2022 hohoho und so

Fazit der diesjährigen Freiland-Gartensaison: Kaum Freude, kaum Ertrag. Das hat so keinen Zweck. Ich fülle einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Solawi aus und bin ehrlich. Ich will nix machen. Nur zahlen und Gemüse holen. Drei Tage später ein Anruf. Man freut sich voll und ich kann sofort, ab nächster Woche. Juhu! Ernten ohne Gartengedöns, da freu ich mich auch und erzähle es dem Liebsten. Der freut sich auch, das ist toll, da können wir ja dann mal hin und irgendwas im Garten und auf den Feldern, so mit richtigen Gärntern, kann man bestimmt viel lernen. Och nö.

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Die Weihnachtswünsche sind bescheiden aber speziell, dieses Jahr. Da brauch ich in der realen Welt garnicht anfangen zu suchen. Es ergibt sich ein Zeitfenster zum digitalen Einkauf. Ich möchte bitte, einfach das, was ich suche und wäre bereit, zu zahlen, was es kostet. Wohin ich auch komme brüllen mich blinkende Sonderangebote an. Black Friday. So kann ich nicht arbeiten.

Auf dem kurzen Weg vom Haus bis in den Nachbarort fahre ich an drei Star-Shower Installationen, unzähligen beleuchteten Eiszapfengirlanden und Sternen vorbei. Äh, war da nicht was? Sollte das nicht weniger? Es sieht eher nach „jetzt erst recht“ aus. Wobei, keine aufblasbaren Wintergestalten.

Ein gigantischer Plätzchenteller wird mir an der Tür überreicht. Die Besucherin ist auf dem Weg zu einem Termin, reinkommen möchte sie nicht. Einen schönen ersten Advent! Vielen Dank, wir freuen uns. Kurz den Vormittag neu sortieren. Dieser Programmpunkt war als Besuch angekündigt, ich dachte, wir trinken Kaffe, besprechen vielleicht weihnachtliches…

Nachricht eines Kindes: Wichtelgeschenk, für heute Abend, haben wir was oder muss man dafür jetzt extra in die Stadt? Wir haben was. „Wichtelgeschenk heute“ ist fester Bestandteil der Weihnachtsroutine, wirkt aber wie Magie, wenn man es beizeiten vorbereitet.

Alle Jahre wieder, die Adventskranz-Diskusion mit Märzkind. Sie hätte gern einen opulenten Mischgrünkranz mit dicken Kerzen und winterlich verspielter Dekorationen, die fließend in die Tischdeko übergehen. Dieser Tisch ist die Woche über quasi mein Arbeitsplatz. Wir essen hier, ich lege Wäsche, da will ich nicht jedesmal was wegräumen müssen, was dann woanders genauso im Weg ist und alles vollnadelt. Das Advents-Schwein steht nicht zur Debatte. Märzkind guckt gequält. Niemand hat so ein Schwein. Es sieht aus wie ein Holzklotz mit Ohren. Nee, nee, das ist puristisches Design von einem nordischen Markenhersteller, dieses zeitlose Dekorationsobjekt unterliegt der künstlichen Verknappung. Da musste im Oktober schon entscheiden, wenn du eins kaufen willst, wie bei Lego. Ob wir es wenigstens dekorieren können, fragt Märzkind. Sicher, sage ich und schiebe dem Schwein eine Zuckerstange unter die Schleife in der Körpermitte. Märzkind seufzt.

84 kleine Adventlichkeiten festlich verpackt, Nikolausstiefel befüllt, Süßigkeitenpäckchen für kleine Nikoläuse vorbereitet,ein Vormittag im Städtchen zum „nur“ Geschenke kaufen, Lebensmitteleinkauf, Elterntaxifahrten, Weihnachtskarten gebastelt und geschrieben,Plätzchen gebacken. Mich nach Kräften bemüht, meine Grinchigkeit zu verstecken.

Ach, du, übrigens… im vorbeigehen bekomme ich ein sehr nettes Kompliment zum Blog. Es trägt mich durch den Tag. Vielleicht schaffe ich ihn doch, diesen Advent.

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Maikind ist krank. So krank wie, man erinnert sich eigentlich nicht. Bei Corona ging es ihm besser. Eine Woche verbringt er eingemummelt in Wolldecken mit Wärmflasche in seinem Sessel.

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Eine Lehrerin versucht aus der Corona-Isolation heraus Lernlücken zu schließen. Das ehrt sie, funktioniert aber nur mittel. Julikind ist „vonne Psyche her“ am Ende ihrer Leistungsfähigkeit. Ich auch. Lagebesprechung. Julikind entscheidet, die Karten auf den Tisch zu legen, ich schreibe eine mail. Diese Lehrerin liest ihre mails nicht oft, sagt Julikind. Wir werden sehen. Innerhalb weniger Stunden kommt eine Antwort. Das gefühlte Problem existiert nicht, da sie aber jetzt weiß, was los ist, wird sie sich kümmern. Am nächsten Tag kommt Julikind völlig verändert nach Hause. Die Lehrerin war heute richtig nett und es haben sich noch drei Leute gemeldet, die Probleme hatten. Alles wurde besprochen. Das ganze Drama – einfach weg. Ich kann es kaum glauben.

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Gottesdienstbesuch zur Taufkerzenrückgabe am ersten Advent. Die, die da als Taufeltern mit Kleinkindern und Babys sitzen sind alle ungefähr so alt wie ich. Einen Moment lang komme ich mir uralt vor, dann fällt mir wieder ein, wie toll es ist, große Kinder zu haben.

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Der Außendienstler kommt vorbei, er trägt Dienstkleidung aber für einen Kaffee hat er Zeit. Wir haben uns länger nicht gesehen. Gerade gestern haben wir überlegt, ob die eigentlich im Urlaub sind. Das Gegenteil sei der Fall, sagt der Außendiestler. Vormittags ist er eingesprungen, weil sonst alle krank sind, nachmittags hat er Stromgereratoren an Heizungsanlagen angeschlossen. Ich sammele abgekühlte Plätzchen vom Tisch in die Dose und gucke fragend, „Haben alle Schiss wegen Blackout“, sagt er und gestikuliert, die Dose kann stehen bleiben „und eine Heizungsanlage ist hochkomplexes elektrisches Gerät, die ist empfindlich in ihrer Sinuskurve, wenn man da einen kleinen Baumarkt-Stromgenerator anschließt brennts einem ratzfatz die Steuerungseinheit durch, das wird im Nachgang dann teuer, oder vielleicht auch nicht, denn bei der ganzen Aktion wird die Hauselektrik so gestört dass der FI durchgeht und der löst dann natürlich nicht mehr aus, im Fall des Falles … brennt die Bude einfach ab und wenn die Leute schon Idioten sind, kannste davon ausgehen, dass die mehr Diesel lagern als erlaubt ist… mach mal die Dose zu und nimm sie mit“, sagt er. Ich räume das Spritzgebäck weg, der Liebste bringt Kaffee.

Dorfgruppen-Whatsapp: Im Fall eines Stromausfalls hätte das Internet geschlossen, was für die allermeisten heißt, man kann nicht mehr telefonieren. Sollte der Stromausfall länger als eine halbe Stunde andauern, steht die Feuerwehr im Gerätehaus bereit, man muss halt nur persönlich vorbeikommen und sagen, wo Notfall ist, Adressliste der Gerätehäuser und freundliche Grüße von Bürgermeister und Stadtbrandinspektor. Feine Sache. Darum hatte ich mir ehrlich gesagt null Gedanken gemacht.

De Omma könnte übrigens noch telefonieren. Analoger Anschluss und im Keller steht das gute alte Telefon, mit Wählscheibe, weil sie so schnell die Treppe nicht hoch kann.

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Der Weihnachtsstern an der Laterne strahlt in voller Pracht, alle Birnchen funktionieren dieses Jahr. Sie beleuchten die fallenden Schneeflocken vor dem noch dunklen Winterhimmel. Ich werfe einen Packen Weihnachtskarten in den Briefkasten und halte einen Moment inne. Idyllischer geht es kaum. Wenn man die Tatsache außer Acht lässt, dass ich eigentlich nur hier bin, damit der Hund da hinten an die Hecke pinkeln kann. Wetten? Die erste Karte, die wir bekommen ist von jemandem, den ich vergessen habe.

KW 44-47 vorweihnachtliches

Aus mir völlig unerklärlichen Gründen ergibt sich ein fauler Sonntag auf dem Sofa. Ich muss nix. Der Liebste kocht, danach fährt er mit den anwesenden Kindern eine Runde Fahrrad, den Hund nehmen sie auch mit. Ich gucke irgendwas, lese irgendwas, alles ohne Anspruch. Sehr erholsam. Ein paar Dinge denken sich auf einmal von selber. Wenn in diesem Winter wieder die alten Regeln gelten… was habe ich denn wirklich vermisst? Wenig.

Ein paar Menschen sind mir irgendwie durch die Lappen gegangen, da gab es keine Besuchs- oder Glückwuschroutine, man ist sich einfach hin und wieder begegnet. Ich könnte mal ganz old school eine Geburtstagskarte schicken, und fange an, mich nach der aktuellen Adresse zu erkundigen. Das passe aber gut, sagt die Angeschriebene, da habe sie sich sowieso mal wieder melden wollen. Wenige Tage später sitzen wir zu viert an einer herbstlich dekorierten Kaffeetafeln und wundern uns. Jahre haben wir uns nicht gesehen und jetzt einfach so? Schön ist das. Muss man ja garnicht immer jemanden beerdigen, dafür.

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Der Liebste hat sich eingelesen. Die Apfelbäume, von denen wir seit 10 Jahren ernten, die müssten mal geschnitten werden. Er könnte das und bietet es der Stadt an, sind ja öffentliche Bäume. Man freut sich, will aber erstmal gucken, wer da kommt. Morgens um acht verschwindet der Liebste. Die Mittagspause verbringt die Stadt-Gärtnerin an unserem Esstisch. Sie hatte ein bisschen Angst, dass da jemand mit ner Kettensäge auftaucht, sagt sie. Aber, der Name kam ihr bekannt vor. Der Liebste hat das gut gemacht, er darf die Bäume gern schneiden. Ist immer schön, wenn die Leute sich einbringen, viele nörgeln leider nur. Mit dem Willem, da hat sie oft tagelang Bäume geschnitten im Park…die Königin hat gesagt, wie es gemacht werden soll und er musste es überwachen… ein Grinsen… aber mit dem konnte man arbeiten. Einen kurzen Moment sitzt der Schwiegervatter mit am Tisch. „Dem Willem seiner“ zu sein ist immernoch was wert, in Handwerker-Kreisen.

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Ein Besuch im Staatstheater, nur die Mädels und ich. Peter und der Wolf für Menschen ab 4 Jahren. Wir haben ein bisschen Wartezeit und gucken Leute. Es sind sehr viele kleine Menschen da. Genaugenommen sind meine Kinder die ältesten, stellen wir fest. Die großen Menschen sind entweder auffallend schick oder auffallend Öko.

Das Stück war nicht ganz so, wie gedacht, aber gut, sagen die Mädels auf der Rückfahrt. Die vielen kleinen Kinder waren ein bisschen zu laut, da kann ja keiner was für. Vielleicht suchen wir das nächste mal was für Große aus. Theater war deutlich günstiger als Kino, wobei, die zwei Stunden Autofahrt eingerechnet dann doch nicht.

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Der Fachlehrer, der die Abschlussarbeit des Maikinds betreut, bestellt ihn zur Besprechung ein und schickt ihn direkt wieder weg. Kann alles so bleiben wie es ist, Folien machen, fertig. Juhu. Wir hatten garnicht so Lust auf die Nacharbeiten und sind stolz. Ja. Wir.

Funfact zum Thema „die Hausarbeit wird nicht gesondert bewertet“. Es hat sich tatsächlich jemand getraut, nichts abzugeben. Alle wissen, dass der zu seinem Thema jederzeit einen 10 minütigen Vortrag halten kann, bei Bedarf länger. Zahlen, Daten, Fakten alles im Kopf. Er hat erst eine 6 bekommen, dann eine Fristverlängerung. Man fragt sich verschiedenes.

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„Das hat er nur auf der Sachebene verstanden. Du musst dein Anliegen konkret formulieren“, sagt Märzkind zu mir und beißt von ihrem Brot ab. Wir sind alle lebende Beispiele für die angehende Sozialarbeiterin. Aber mir ist tatsächlich gerade selber klar geworden, dass die Frage „Hast du schon mit deiner Mutter über Weihnachten gesprochen?“, zu keinem Ergebnis führen wird. Ich formuliere also neu. „Bitte erkundige dich bei deiner Mutter nach ihren Weihnachtsplänen, damit wir uns richten können. Es gibt Terminanfragen“ „Aaaahhh sooo“ sagt der Liebste. Zwei Tage später erhalte ich die Info: erster Weihnachtstag. Mein Fehler. Die korrekte Formulierung wäre gewesen: Bitte erkundige dich bei deiner Mutter wann sie wo wie Weihnachten feiern möchte, und ob wir etwas mitbringen sollen.

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Die Oma aus dem Städtchen kommt vorbei. Das ist ungewöhnlich. Sie hat gute Nachrichten. Diese seit neun Jahre andauernde Nerv-Sache ist zu einem guten Ende gekommen. Die hatten wohl gehofft, dass sie vorher stirbt, ist sie aber nicht, deshalb bekommt sie jetzt endlich Geld ausgezahlt. Davon will sie uns einladen, alle, zum Essen, am zweiten Feiertag. Das freut mich, wirklich, es liest sich auch ganz toll, was da auf dem Restaurantzettel steht, aber, wir hatten uns fest vorgenommen nie wieder an Weihnachten essen zu gehen. Vielleicht geht da noch was? Die Oma hat ja zwei Wochen später Geburtstag. Ich wage den Versuch. „Nee, ist ja nicht an Weihnachen“, sagt sie fröhlich „ist doch der zweite Feiertag. Ihr kommt zu sechst.“ Ähm. Kurzer Blick zum Liebsten, der grinst und zuckt unauffällig mit der Schulter. Tja dann- kommen wir gern. Aber für das Pluseinkind kann ich nicht garantieren. „Sechs Leute sind gemeldet“, sagt die Oma.

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Laut der Beschilderung können und kosten diese Drucker alle ungefähr das Gleiche, wahrscheinlich ist es egal. Nach einer viertel Stunde auf und ab laufen vor dem Regal entscheide ich mich für irgendeinen, suche die passenden Patronen und stelle mich an der Kasse an. Vor mir warten schon zwei Kunden. Alle gucken suchend in den Elektromarkt, dann schauen wir uns gegenseitig fragend an. Ist überhaupt Personal hier? Man weiß es nicht. Fünf Minuten später taucht jemand auf. Das war knapp. Ich hatte gerade entschieden, diesen Karton hier stehen zu lassen und mir einen im Internet zu bestellen.

Im Klamottenladen hätte ich nur eine Kleinigkeit zu bezahlen. Die Dame an der Kasse ist völlig überfordert, man sieht es eigentlich schon von Weitem. Nach fünf Minuten im Wartebereich hänge ich das Teil zurück. Man möchte keine Umstände machen.

Mehr Zeit einplanen und mehr Nerven, nehme ich mir vor. Mal gerade nebenbei geht garnichts, diesen Advent.

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Maikind: „Wieso eigentlich schon Weihnachtsmarkt? Ist das nicht immer kurz vor Advent?“

Ich: „Nächste Woche ist Advent.“

Maikind: „Oh“

Auf dem örtlichen Weihnachtsmarkt werden die Portionsgrößen ausgewogen, dieses Jahr, es gibt keine Feuertonne und keinen Heizpilz – was aber auch daran liegen könnte, das es letzte Woche noch fast zwanzig Grad wärmer war. Man steht so mit Leuten, im Winter. Das ist auch mal wieder ganz nett.

KW 42/ 2022

Ich werde wach, mit dem Gefühl, verschlafen zu haben. Ein Auto nach dem anderen fährt durch den Ort, es muss kurz nach sieben sein. Es ist aber erst fünf, sagt der Wecker. ‚Die Baustelle, das ist ab heute‘, meldet ein verschlafener Gedanke. Wir wohnen dann wohl jetzt an einer Durchgangsstraße. Daran muss man sich erstmal gewöhnen. Aber, verglichen mit den Umständen, die die haben, die sonst an der Durchgangsstraße wohnen ist das leicht.

Märzkind kommt rein, wirft den Rucksack ins Zimmer, nimmt zwei Helme und geht direkt wieder raus. Ich gucke fragend. „Ach so, hallo“, sagt sie. Sie muss kurz ihre Freundin nach Hause fahren. Die wohnt zwei Orte weiter. Unter diesen Bedingungen hätte sie mit dem Bus eine Stunde länger gebraucht. Mit dem Moped sind es 10 Minuten.

Ein Kumpel des Maikindes nutzt die Ersatz-Busverbindung und braucht zwei Stunden für die 4 km lange Fahrt zur Schule im Nachbarort. Am nächsten Tag steigt er einfach in den Bus für Grundschüler, der darf eine andere Strecke fahren. Mittags läuft er nach Hause.

Man fragt sich verschiedenes.

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Nach zwei Stunden Feinschliff an der Hausarbeit mit Maikind und einer Stunde Mathearbeitsblatt mit Julikind fühlt es sich an, als hätten wir homeschooling Tag gehabt. Die Blagen müssen auch mal raus, entscheide ich. Wir gehen die Hundrunde zu dritt. Vom Feldweg aus kann man sehen, dass der Verkehr auf der Straße sich allmählich staut. Drei Autos halten hintereinander, auf jeder Seite, das ist ungewöhnlich, was könnte da wohl los sein? Wir bleiben stehen und gucken. Rinder laufen neben der Straße, Galloways, die fügen sich wunderbar in die Landschaft, aber vor dem Auto will man sie lieber nicht…vielleicht müssten wir mal den Landwirt… irgendwer hat schon. Ein Pickup kommt die Straße lang und wird von den Tieren schon am Geräusch erkannt. Fröhlich begleiten sie das Fahrzeug, dahin zurück wo sie eigentlich sein sollten. Der Stau löst sich auf. Für 5 Minuten war mal richtig was los.

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Abends um kurz nach neun kommt Maikind ins Wohnzimmer. Da fehlt noch eine Seite, bei seiner Hausarbeit, die muss dazu, das hat er nicht gewusst, wie machen wir dass denn jetzt? Wir nehmen den USB-Stick mit der Arbeit vom Märzkind, und fahren zur Oma hoch. Denn natürlich hat pünklich zwei Tage vor Abgabetermin unser Drucker endgültig den Geist aufgegeben. Während die Ukraine es schafft aus dem Krieg raus ihre in Europa verstreuten Schulkinder mit online Unterricht zu versorgen, fahren wir hier abends um halb zehn durch die Gegend, um eine Arbeit auszudrucken, die morgen als Papierversion abgegeben werden muss. Über Sinnfragen sind wir lange hinaus, wir arbeiten den Irrsinn einfach ab.

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Die Freundin und ich laufen den örtlichen Premium-Wanderweg, in Etappen. Wir lassen uns im übernächsten Ort absetzen und beginnen diesen Wandertag in dichtem Nebel. 20 Meter weit kann man gucken, in jede Richtung, Geräusche aus dem Ort werden leiser, irgendwo in der Nähe schlagen Kühe Alarm. „Wasserfass leer, wahrscheinlich“, murmelt die Freundin, sie kennt sich aus. Der Nebel verzieht sich und nach guten zwei Stunden machen wir Frühstückspause. Kaffee trinken im strahlenden Sonnenschein auf einer Bank am rauschenden Bach, buntes Laub fällt auf uns herab, idyllischer könnte es kaum sein. Eine Eichel stürzt senkrecht nach unten und verfehlt knapp meine Kaffeetasse. Warum waren wir hier eigentlich noch nie, fragen wir uns? Man weiß es nicht.

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So, nachdem mir die Omma über den Sommer etwa 18 mal gesagt hat, wie dringend die Brombeeren geschnitten werden müssen und mir im Detail gezeigt hat, welcher Ast wo wie…, ich mich über youtube rückversichert habe, dass das auch wirklich so geht und es an diesem Oktobertag sonnige 25°C sind, schneide ich mit Hilfe des Julikinds die Brombeeren. Abends ruft die Omma an. Ich habe es falsch gemacht. Totale Eskalation. Ich entschuldige mich aufrichtig, denn ich hatte wirklich nichts Böses im Sinn, im Gegenteil. Tja, das hilft nun auch nichts mehr, nie wieder wird da etwas wachsen. In der dritten Runde der Schimpftirade ist sie sich sicher, nie gesagt zu haben, die Brombeeren müssten geschnitten werden. In meinem Kopf macht irgendetwas ganz leise *klick*. Plötzlich wird mir klar, dass dieses „man müsste mal Genörgel“ für mich ab jetzt nur noch ein Geräusch sein wird. Ich lege auf, werfe das Telefon auf Sofa, packe zwei Wolldecken drüber und atme einmal tief durch.

Am nächsten Vormittag ruft sie wieder an, um mir mitzuteilen, dass sie mir nicht böse ist. Ach was. Das freut mich zu hören, aber zukünftig braucht sie mich wegen irgendwelcher Sachen ums Haus nicht mehr fragen. Ich bin raus. Da ist sie wiederum überrascht. Maikind verdient sich nachmittags 10 Euro. Äpfel abmachen, für die Omma.

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Beginn der Herbstferien. Endlich.

KW 39/40/41 2022, herbstliches

Drei Tage Erkältung. Ich hatte ganz vergessen, wie das ist, und leide wie ein Mann. Am vierten Tag, alles wieder gut. Einfach so.

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Drei Termine an einem Tag, die Zeiten überschneiden sich etwas, werden angepasst und dann als gerade alles hinkommt, werden alle drei nacheinander abgesagt. Leicht verwirrt stehe ich vorm Kalender und frage mich, was ich heute eigentlich ursprünglich vorgehabt hatte.

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Dass die Flitschbimmel nicht einfach so TÜV bekommt, war klar. Ein Birnchen ist kaputt und irgendwas muss wieder angeschweißt werden, sagt der Liebste. Ich hatte mit Schlimmerem gerechnet und fange an, mich richtig zu freuen. Leider zu früh. Ein Steinschlag im Sichtfeld muss gemacht werden. „Hä? Ein Steinschlag im Sichtfeld? Das hätte ich doch wohl bemerkt.“ Nee, hat er auch nicht gesehen, sagt der Liebste aber nützt ja nix. Der Prüfer meinte, man könne das für kleines Geld reparieren lassen. Bei ATU haben sie gesagt, im Sichtfeld geht das nicht, die Scheibe muss getauscht werden. Ein Schweigemoment. Totalschaden, wenn man ehrlich ist. Andererseits, „wenn der TÜV-Prüfer nicht weiß, dass man das da nicht reparieren darf… amArschdieRäuber… ich gucke jetzt carglas24punkt welche Endung hat Rumänien?“ „Aah nee weißte was…“ der Liebste murmelt und telefoniert. Am übernächsten Tag fährt er mit meinem Auto zur Spätschicht, parkt und als er nach acht Stunden wieder kommt, ist eine neue Scheibe drin. Magie.

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Maikind sieht dem Abgabetermin seiner Hausarbeit tiefenentspannt entgegen. Ich eher nicht. Ausflug in die Bücherei. Ich lerne verschiedenes über die Erdathmosphäre und bin eine Quelle der Inspiration dabei. Maikind lacht herzlich über meine Erkenntnisse. Das man sowas von überhaupt keine Ahnung haben kann war ihm nicht bewusst, vielleicht muss er seinen Vortrag doch anders angehen.

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Zwei Elternabende. Einmal „mimimi-Lernrückstände, mimimi-Lehrermangel“ und einmal „gerade alles ein bisschen scheiße, aber wir versuchen für jeden das Beste rauszuholen“. Insgesamt sehr aufschlussreich.

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Es läutet wieder. Das freut mich, denn es taktet den Tag, ohne dass ich auf die Uhr gucken muss.

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Man möge auf unnötige Weihnachtsbeleuchtung verzichten, sagen sie in den Nachrichten. Es gibt eine mindest notwendige Menge an Weihnachtsbeleuchtung? Witzig, das wußte ich garnicht. Die Kinder erkundigen sich vorsichtig, ob es denn in diesem Jahr einen Baum geben wird, so mit Lichterkette. Ich kann sie beruhigen. Durch meine Grinchigkeit sind wir der Zeit voraus. Wir fahren das volle Programm. Weihnachtsbaum mit Licht, Stern im Fenster und das Adventsschwein bekommt vier Kerzen in den Rücken, die hab ich sogar schon gekauft.

Könnte natürlich sein, dass im Dorf weniger beleuchtet wird. Zur Not würden wir dann statt Lichterspaziergang Glühwein im Dunkeln trinken.

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Das Blackout Geraune macht mich unruhig. Ich schaue mir ein youtube Video zur Krisenvorsorge an. Ein Großstadtpapa zeigt seinen Notfallraum und erklärt, was da warum drin ist. Sein worst case Szenario beschreibt meinen Alltag. Es kommt hier tatsächlich hin und wieder vor, dass man mehrere Tage hintereinander nicht zum Einkaufen kommt, oder nach einem Sturm irgendwas weggeräumt werden muss. Was er als Krisenvorsorge und Notfallraum bezeichnet, nennen wir Wocheneinkauf, Speisekammer, Garage und Verbandskasten. Tja.

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Der Liebste hält sich an der Türklinke fest und hustet dramatisch. „Da schlafen zwei Teenager und der Hund…man atmet ein, öffnet die Tür, macht vier Schritte, öffnet das Fenster, macht vier Schritte, schließt die Tür und atmet aus“ erkläre ich. Der Liebste wedelt so mit der Hand, und röchelt ein „vergessen“. Es macht schon Sinn, dass man eigentlich nicht länger als 19 Tage am Stück arbeiten darf.

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Ein sonniger Oktobertagnachmittag, bunte Blätter auf dem Boden, Pilze im Moos, es riecht nach Herbst im Wald. Gefühlter, gesehener und tatsächlicher Oktober zur gleichen Zeit, das ist schön.

Die Grünfläche im Garten, die wir als Rasen bezeichnen, war nicht nur steppig vertrocknet, die war durchgebacken, genauso hart wie die Pflastersteine. Ich hatte gedacht, wir müssen die neu säen, oder als Ascheplatz nutzen. Erstaunt stelle ich fest, dass sich das Gras erholt. Irgendwer wird nochmal Rasen mähen müssen, dieses Jahr.

„Die Brombeeren müssten geschnitten werden“, sagt de Omma, ich stehe daneben und nicke „ganz unbedingt müssen die geschnitten werden“ Eine Weile kann ich noch so tun, als hätte ich das nicht gehört.

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„Wieso ist es hier eigentlich so warm?“ erkundigt sich meine Schwester. Sie wollte ja nichts sagen, sagt die Gästin und krempelt die Ärmel hoch, aber, dass fragt sie sich ehrlich gesagt auch schon seit über einer Stunde. „es sind 22° im Raum, ich dachte, das wäre angemessen…“ „Boar nee, so eine Affenhitze, das ist man nicht mehr gewohnt, heizt ihr etwa schon?“ „Ne, so normal natürlich nicht, ich wollte gastfreundlich sein“, sage ich und öffne die Zimmertür.

Schnaps und zwei Tassen Kaffee

Schweigend stehen wir uns in der Küche gegenüber, jeder an eine Arbeitsplatte gelehnt. Der Liebste holt einmal tief Luft „weißte was? scheiß ein drauf“, sagt er, geht in die Speisekammer und kommt mit der Flasche Whiskey in der Hand wieder raus. Gute Idee. Er nimmt ein Wasserglas aus dem Schrank, schüttet es halb voll, nimmt einen Schluck und reicht es mir weiter. Es ist Montag morgen, noch nicht mal neun Uhr.

Das ging leichter, als er gedacht hätte, sagt der Liebste. Er hatte damit gerechnet, irgendwie panisch zu reagieren, aber, es gab ja nur eine Richtung, und was man da tun muss bekommt er jedes Jahr auf der Schulung erzählt, immer wieder, irgendwie funktionierte das einfach. Er war wirklich toll, ich hätte das garnicht so geschafft, glaube ich. „Ach, von der Kraft her war das überhaupt kein Problem“, sagt er. Aber. „Das bei Herzdruckmassage Rippen brechen, sagen die ja immer“, er nimmt noch einen Schluck, aber wie viele, und wie sich das anfühlt, und dieses Geräusch…damit hatte er nicht gerechnet. Ich war auf das Gefühl, keinen Puls zu finden auch nicht vorbereitet. Meine Hände zittern, es fällt mir gerade erst auf.

Die Frau von der Diakonie kam ganz aufgeregt durch den Garten, und bat dringend um Hilfe. Sie hatte den Nachbar bewusstlos in der Wohnung gefunden, damals, vor einer Stunde. Das war nicht wirklich eine Überraschung, wir hatten den Ernstfall vor einigen Wochen schon mal gedanklich durchgespielt. Unser Gedankengang endete allerdings damit, wer ihm eine Krankenhaustasche zukommen lassen könnte. Die braucht er nicht. „Patient ex“, hat der Notarzt es genannt.

Der Liebste hatte Nachtschicht und war quasi schon im Bett gewesen. Er will nochmal versuchen, zu schlafen. Ich koche einen Kaffee und bringe ihn der Frau von der Diakonie an den Zaun. Sie hat ein paar Telefonate erledigen müssen in der Zwischenzeit und den Rest des Tages frei. Ihre Hände zittern auch. Wir setzen uns. Die andere Nachbarin schläft länger und hat nichts mitbekommen. In ungefähr einer Stunde erwartet sie den Verstorbenen zum Kaffee, die zwei sind, wie man hier sagt „ein Kopp und ein Arsch“, aber verwandt sind sie nicht. Der offizielle Weg ist vermutlich, das ein Angehöriger ihrem Sohn bescheid sagt, der dann von Berlin aus anruft, um ihr die Nachricht schonend zu überbringen. Das kann dauern. Sie darf eigentlich noch nicht mal mit mir sprechen, sagt die Frau der Diakonie, fällt alles unter die Schweigepflicht. Wir schauen uns an. Scheiß auf den offiziellen Weg. Wenn die Nachbarin gleich den Rollladen hochzieht und hat die Polizei und den Bestatter im Garten, dann brauchen wir wieder einen Rettungswagen. Wir machen das zusammen- jetzt. Nachbarn haben keine Schweigepflicht.


Nachmittags gibts Geburtstagskaffee. Schwiegeroma wird 102. Sie freut sich über jeden einzelnen Gast. Seit neun Uhr residiert sie im Sessel. Der frühere Bürgermeister kam immer zeitig, zum Gratulieren. Der Neue kam erst um halb elf. „Der wollte erst nicht reinkommen, dann keine Hand schütteln und dann keinen Kaffee trinken“, sagt Schwiegermutter. „Aber – hat er alles gemacht“, erzählt die Jubilarin fröhlich. Schwiegermutter zuckt mit der Schulter und nickt. „Blieb ihm nichts anderes übrig“. Ab dem 95. (glaube ich), kommt der Bürgermeister persönlich zum Gratulieren. Schwiegeroma freut sich immer und schäkert legendär. „Beim letzen Mal hat sie ihn mit „mal sehen, wer von uns im nächsten Jahr noch da ist“ verabschiedet“, sagt Schwiegermutter. In dem Jahr war Wahl. „Och, der Neue ist aber auch ein ganz Netter“, sagt Schwiegeroma.


Zwei Tassen Kaffe hatte ich heute. Unterschiedlicher hätte die Stimmung kaum sein können.


Abends stoßen der Liebste und ich an, stilecht mit Bier. Auf Friedhelm.

Tag 41 bis 45, hat Ihnen diese Information weitergeholfen?

Samstag morgen, kurz nach acht. Der Liebste und ich sitzen am Esstisch, der noch kein Frühstückstisch ist. Es wäre die Gelegenheit, mal ein normales Gespräch zu führen. Aber, wir sind zu müde. Erstmal Kaffee. Nach dem ersten Kaffee werden kurze Sätze möglich. Der Alltag macht uns fertig, stellen wir fest.

Dass das Julikind am Montag wieder zur Schule hätte gehen sollen, hat zwar allen ein komisches Gefühl gegeben, es war aber auch eine Perspektive. Das ist uns erst aufgefallen, als es abgesagt wurde. Im Klartext bedeutet dass, es wird vor den Sommerferien keine Normalität mehr geben. Die Kinder sind da schon selbst drauf gekommen. Das ihnen das niemand offiziell mal sagt, macht es nicht besser. Die Osterferien waren nicht wahrnehmbar, vor lauter Hausaufgaben, ein Wochenende hatten wir auch schon lange nicht. Die home office Mütter sprechen da immernoch von „einer Herausforderung, die eine Umstrukturierung des Alltags erfordert“. Ich persönlich neige allmählich dazu, die Situation als suboptimal zu bezeichnen, möchte aber nicht die erste sein, die jammert. Das macht müde.

Der Liebste managt auf der Arbeit das Abwasser. Der Betrieb entnimmt Wasser aus einem Flüsschen und leitet es ein paar Meter weiter wieder ein. Da gibt es strenge Auflagen, die zu erfüllen die meiste Zeit kein Problem ist. Im Moment hat das Flüsschen aber so wenig Wasser, dass alles ganz genau kontrolliert und dokumentiert werden muss, ständig. Schlimmstenfalls muss dann ein Anruf getätigt werden, „Maschine stopp“. Das war im letzten Sommer schon anstrengend, als man sich noch mit Kollegen austauschen konnte. Dürre und Pandemie macht müde.

Nach und nach tauchen die Kinder zum frühstücken auf. Heute hat niemand Lust, über Hausaufgaben zu reden, jeder pickt sich seine Aufgaben aus der Haus- und Hoftag-Liste. Wenn fünf Personen gleichzeitig Präsenz-hausarbeiten stellen sich schnell vorher/nachher Effekte ein. Das tut gut.

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Am Sonntag Rückenschmerzen des Todes beim Liebsten.

Die Tante und wie-ein-Onkel kommen auf ihrer Fahrradtour bei uns vorbei. Wir trinken einen distanzierten Kaffee. Abstandsregeln können in unserem Esszimmer eingehalten werde, es fühlt sich seltsam an.

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Montag morgen möchte ich einen Anruf tätigen, über Festnetz, weil in unserem Haus der Mobilfunkempfang schlecht ist. Kein tuut. Vielleicht haben die geschlossen? Ein Blick ins Internet, ähm, ich bin offline? Router ausschalten, Router einschalten, immernoch offline. Eine halbe Stunde vor Beginn des online Unterrichtes ist das nicht gut. Ich gehe also vors Haus und rufe die Störungsstelle an. Während ich mich durch das Menü klicke, kommt das Märzkind dazu, sie ist offline, weiß ich doch, bin dran. Sie setzt sich auf die Treppe und amüsiert sich über meine Unterhaltung mit dem Algorithmus. Nach einigen Minuten erfahren wir:

„Ihr Anschluss ist von einer Störung betroffen, wir arbeiten bereits an diesem Problem. Hat Ihnen diese Information weitergeholfen?“

“ N E I N!!“, sage ich sehr laut und sehr deutlich. Das Märzkind guckt irritiert, normalerweise bin ich nett am Telefon. Na gut, ein bisschen hat es geholfen, ich muss jetzt nicht panisch nach dem Fehler suchen. Allerdings kann ich auch sonst nichts.

Sind Sie gerade so richtig angepisst, drücken Sie die 2.

Möchten Sie uns Kraftausdrücke Ihrer Wahl aufs Band sprechen, drücken Sie die 3.

Möchten Sie sich unter die Kellertreppe setzen und heulen, drücken Sie die 4

Möchten Sie ein Glas Rotwein und eine Schachtel Pralinen dazu, drücken Sie die 5

Ich hätte gerne eine Wahlmöglichkeit, aber der Algorithmus hat das „Gespräch“ schon beendet.

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„Hä? Haben wir jetzt kein Internet? Wie lange denn? Dann kann ich nicht in den online Unterricht?“

„Nö. Keine Ahnung. Nö. Hat Ihnen diese Information weitergeholfen?“

Wir lachen, noch.

Dann schreibt sie ihrer Freundin schnell ne Whatsapp, dass die Bescheid sagt. Whatsapp läuft über WLAN. Ah so, dann ne Email. Für Emails braucht man Internet. Stimmt. Dann ruft sie halt an. Festnetz geht nicht. Das Märzkind geht an die Stelle, an der mobil telefonieren möglich.

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Zusammenfassend kann ich sagen, dass keine Schule und keine Freizeitaktivitäten und keine Freunde treffen und kein Internet selbst für die tapfersten Kinder der Welt zu viel ist.

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Auf nichts davon Einfluss nehmen zu können ist schwer fürs Mutterherz.

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Dienstag Mittag gegen halb eins ist die Störung behoben. Die Erleichterung ist sofort spürbar. Es dauert eine ganze Weile, bis sich das Chaos sortiert, aber die Freunde können jetzt wieder helfen.

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Das Mutterherz braucht den ganzen Mittwoch zur Regeneration. Aus Erschöpfung wird wieder Müdigkeit. Es geht bergauf.