Ich hab den Schreiner am Telefon. Er entschuldigt sich, drei Bestattungen in zwei Wochen…. aber natürlich hat er uns nicht vergessen. Kein Thema. Ich wußte garnicht, das diese Baustelle schon angelaufen ist und man wartet ja viel lieber auf Fenster als auf den Bestatter.
Nach dem Ausmessen gibt es zwei Möglichkeiten. 20% teurer werden die Fenster in jedem Fall, mindestens, das ist klar, da kann keiner was dran machen. Er kann uns ein Angebot schreiben, wir überlegen und sagen bescheid – oder er bestellt jetzt, und meldet sich kurz wenn der Auftrag bestätigt wird, dann könnten wir noch abbestellen. Die zweite Variante wäre vorraussichtlich vier Wochen schneller. Die Fenster müssen neu dieses Jahr, alles andere wäre energetischer Wahnsinn, es ist Ende August. Go!
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Julikind guckt so und denkt sich offensichtlich was. Dann hält sie mir ihre Gabel hin und fragt, ob ich das mal bitte probieren könnte. Irgendwas stimmt mit diesem Salat nicht. Moment, gestikuliere ich, weil, ich esse ja selber gerade. Märzkind ist schneller. „Apfel“, sagt sie. Julikind ist endgültig verwirrt „warum sollte jemand einen Kartoffelsalat mit Apfel drin machen?“ „Ich esse gerade etwas, das könnte Eiersalat mit Weintraube sein. Und, wenn ich drüber nachdenke, in dem Salat, den ich gemacht habe sind Rosinen drin.“ „Sind halt viele Sportler hier“, sagt Märzkind. Julikind schüttelt den Kopf, 6 Meter Salatbuffet und sie erwischt sowas. Die Freundin sagt, sie habe Mettsalat gemacht, ganz normales Essen, da soll das Julikind mal Ausschau halten.
Der Triathlet feiert Geburtstag. 150 Leute verteilen sich in der Halle und auf dem Grundstück drumherum. Irgendwann fällt mir auf, dass sich das alles total normal anfühlt. Wie früher. An der Wand neben der Theke hängt noch ein Schild auf dem „Lebensmittel“ steht, auf deutsch und ukrainisch vermute ich, die Buchstaben kann ich nicht lesen. Vor ein paar Wochen wurden hier Hilfsgüter vorsortiert und verladen. Auch schon ewig her.
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Öl getankt. Schweigeminute, im Gedenken an all die schönen Sachen, die man sonst mit diesem Geld noch hätte machen können. Aber eine warme Wohnung ist natürlich auch was tolles, also, warm im Sinne von angenehm temperiert, nicht dieses warm nach drei Tagen 38° draußen. Hach es ist irgendwie knifflig, dies Jahr.
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Hin und wieder war ich in den letzten Wochen abends auf dem Friedhof zum Gießen. Opas Todestag hab ich in den Kalender geschrieben – aus Gründen *hüstel*. Am frühen Nachmittag klingele ich bei der Omma und frage, ob sie vielleicht auf den Friedhof will. Weiß ich natürlich schon, aber so gehts schneller. Das ich daran gedacht habe, mensch, da freut sich. Schuhe an und los gehts.
Das Treppengeländer am Friedhof ist so heiß, man kann es immer nur kurz anfassen. De Omma nimmt schnell eine Stufe, macht eine wedelnde Handbewegung und sagt „du meine Güte“. Als sie unten ist sieht sie mich grinsen und muss selber lachen. Leider gibt es nur eine Gießkanne und die trage ich. Hätte es eine zweite gegeben, die hätte sie aber getragen, sagt die Oma. Ich murmele. Den Hang runter Richtung Grab geht es flott. „Och, dät süht aber noch ganz godd uut“, murmelt sie. Ich klopfe mir innerlich selber auf die Schulter. Das war er, der Moment. Ab jetzt kann das alles verdaddern. Der Rückweg dauert etwas länger. De Omma guckt mal, was die anderen so…
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Da hat der Liebste mal fühlen wollen, ob das Reifenprofil gleichmäßig abgefahren ist und sich dabei den Finger an einem Draht aufgerissen. Ohne zu Beschleunigen oder gar zu Bremsen ist er dann von der Arbeit aus direkt zum Reifengeschäft gefahren. Ich sage nichts. Aber ich kann so gucken, dass er weiß was genau ich nicht sage.
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„Ich hab mir immer gesagt, wenn ich an der Arbeit heule, dann höre ich auf. Am Wochenende wars soweit.“ Wir schweigen einen Moment. Die Freundin überlegt, wie ernst sie das gemeint hat. Alle Reserven sind verbraucht und es gibt kein Licht am Ende des Tunnels. „Es wird wohl in Zukunft so sein, dass mehr Leute sterben, weil man schlicht keine Zeit hat, sich so zu kümmern wie es nötig wäre, oder jemand einen Fehler macht.“ Krankenhäuser sind kein guter Ort im Moment.
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„Oh, ist aber frisch heute“, sagt Julikind, als sie zum Mittagessen in den Garten kommt. Wir haben 25°C. Anscheind gewöhnt man sich doch an Hitze.
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Wenn das nächste AS-Taxi ausgebucht ist, tja, dann muss man halt eine Stunde warten. Wenn das übernächste auch ausgebucht ist, das ist dann schon doof, wenn die nächsten fünf Fahrten ausgebucht sind, dann gibts quasi keinen öffentlichen Nahverkehr. So gesehen ist es garnicht schlimm, dass das neun-Euro Ticket endet, bevor die Kinder wieder wirklich auf die Fahrten angewiesen sind.
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„Es geht wieder los“, sagt der Liebste. Jo, ist doch voll nett von den Ölkonzernen, dass sie schon ein paar Tage vor Ende des Tankrabatts anfangen uns wieder an die Preise zu gewöhnen. An der Dorftankstelle kann man jetzt bis 100 Euro tanken, früher waren es 80. Ich bin da tatsächlich nur zum Tanken hingefahren, 12 km hin und zurück, eine Investition.
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Ein Ausflug zum längsten Spielgerät Europas, da waren wir schon ewig nicht. Den Ninja-Parcours seh ich zum erstenmal. Nebeneinander wurden zweimal die exakt gleichen Klettergeräte aufgebaut, den ganzen Berg hoch. „Das ist so gedacht, das man da um die Wette“, sagt ein etwa fünfjähriger Junge in staubiger Hose. Julikind nickt. Der erste Abschnitt ist für Menschen gebaut, die 1,20m groß sind. Garnicht so einfach. Der zweite Teil ist für Julikind perfekt, für mich eine Herausforderung, aber machbar. Der dritte Teil „och ähm, weißte, ich glaube ich gehe hier einfach am Rand lang…“ sage ich zu der achtjährigen die mir netterweise ihre Hand anbietet. Denn, sind wir mal ehrlich, selbst mit Anlauf und helfender Hand ist die Chance, dass ich mich diese 2,50 hohe Bretterwand hochhieve gering. Nach anderthalb Stunden haben alle genug. Abschluss im Kleinkinderbereich. Da kann man Wasser pumpen und Kies baggern. Und weil wir mittlerweile fast alleine sind auf dem Spielplatz machen sogar die beiden 15 jährigen mit. Schade, dass es sowas früher nicht gab. Wir hätten hier tagelang auf der Bank sitzen können, sagt die Freundin.