Letzte Augustwoche 22

Ich hab den Schreiner am Telefon. Er entschuldigt sich, drei Bestattungen in zwei Wochen…. aber natürlich hat er uns nicht vergessen. Kein Thema. Ich wußte garnicht, das diese Baustelle schon angelaufen ist und man wartet ja viel lieber auf Fenster als auf den Bestatter.

Nach dem Ausmessen gibt es zwei Möglichkeiten. 20% teurer werden die Fenster in jedem Fall, mindestens, das ist klar, da kann keiner was dran machen. Er kann uns ein Angebot schreiben, wir überlegen und sagen bescheid – oder er bestellt jetzt, und meldet sich kurz wenn der Auftrag bestätigt wird, dann könnten wir noch abbestellen. Die zweite Variante wäre vorraussichtlich vier Wochen schneller. Die Fenster müssen neu dieses Jahr, alles andere wäre energetischer Wahnsinn, es ist Ende August. Go!

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Julikind guckt so und denkt sich offensichtlich was. Dann hält sie mir ihre Gabel hin und fragt, ob ich das mal bitte probieren könnte. Irgendwas stimmt mit diesem Salat nicht. Moment, gestikuliere ich, weil, ich esse ja selber gerade. Märzkind ist schneller. „Apfel“, sagt sie. Julikind ist endgültig verwirrt „warum sollte jemand einen Kartoffelsalat mit Apfel drin machen?“ „Ich esse gerade etwas, das könnte Eiersalat mit Weintraube sein. Und, wenn ich drüber nachdenke, in dem Salat, den ich gemacht habe sind Rosinen drin.“ „Sind halt viele Sportler hier“, sagt Märzkind. Julikind schüttelt den Kopf, 6 Meter Salatbuffet und sie erwischt sowas. Die Freundin sagt, sie habe Mettsalat gemacht, ganz normales Essen, da soll das Julikind mal Ausschau halten.

Der Triathlet feiert Geburtstag. 150 Leute verteilen sich in der Halle und auf dem Grundstück drumherum. Irgendwann fällt mir auf, dass sich das alles total normal anfühlt. Wie früher. An der Wand neben der Theke hängt noch ein Schild auf dem „Lebensmittel“ steht, auf deutsch und ukrainisch vermute ich, die Buchstaben kann ich nicht lesen. Vor ein paar Wochen wurden hier Hilfsgüter vorsortiert und verladen. Auch schon ewig her.

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Öl getankt. Schweigeminute, im Gedenken an all die schönen Sachen, die man sonst mit diesem Geld noch hätte machen können. Aber eine warme Wohnung ist natürlich auch was tolles, also, warm im Sinne von angenehm temperiert, nicht dieses warm nach drei Tagen 38° draußen. Hach es ist irgendwie knifflig, dies Jahr.

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Hin und wieder war ich in den letzten Wochen abends auf dem Friedhof zum Gießen. Opas Todestag hab ich in den Kalender geschrieben – aus Gründen *hüstel*. Am frühen Nachmittag klingele ich bei der Omma und frage, ob sie vielleicht auf den Friedhof will. Weiß ich natürlich schon, aber so gehts schneller. Das ich daran gedacht habe, mensch, da freut sich. Schuhe an und los gehts.

Das Treppengeländer am Friedhof ist so heiß, man kann es immer nur kurz anfassen. De Omma nimmt schnell eine Stufe, macht eine wedelnde Handbewegung und sagt „du meine Güte“. Als sie unten ist sieht sie mich grinsen und muss selber lachen. Leider gibt es nur eine Gießkanne und die trage ich. Hätte es eine zweite gegeben, die hätte sie aber getragen, sagt die Oma. Ich murmele. Den Hang runter Richtung Grab geht es flott. „Och, dät süht aber noch ganz godd uut“, murmelt sie. Ich klopfe mir innerlich selber auf die Schulter. Das war er, der Moment. Ab jetzt kann das alles verdaddern. Der Rückweg dauert etwas länger. De Omma guckt mal, was die anderen so…

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Da hat der Liebste mal fühlen wollen, ob das Reifenprofil gleichmäßig abgefahren ist und sich dabei den Finger an einem Draht aufgerissen. Ohne zu Beschleunigen oder gar zu Bremsen ist er dann von der Arbeit aus direkt zum Reifengeschäft gefahren. Ich sage nichts. Aber ich kann so gucken, dass er weiß was genau ich nicht sage.

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„Ich hab mir immer gesagt, wenn ich an der Arbeit heule, dann höre ich auf. Am Wochenende wars soweit.“ Wir schweigen einen Moment. Die Freundin überlegt, wie ernst sie das gemeint hat. Alle Reserven sind verbraucht und es gibt kein Licht am Ende des Tunnels. „Es wird wohl in Zukunft so sein, dass mehr Leute sterben, weil man schlicht keine Zeit hat, sich so zu kümmern wie es nötig wäre, oder jemand einen Fehler macht.“ Krankenhäuser sind kein guter Ort im Moment.

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„Oh, ist aber frisch heute“, sagt Julikind, als sie zum Mittagessen in den Garten kommt. Wir haben 25°C. Anscheind gewöhnt man sich doch an Hitze.

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Wenn das nächste AS-Taxi ausgebucht ist, tja, dann muss man halt eine Stunde warten. Wenn das übernächste auch ausgebucht ist, das ist dann schon doof, wenn die nächsten fünf Fahrten ausgebucht sind, dann gibts quasi keinen öffentlichen Nahverkehr. So gesehen ist es garnicht schlimm, dass das neun-Euro Ticket endet, bevor die Kinder wieder wirklich auf die Fahrten angewiesen sind.

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„Es geht wieder los“, sagt der Liebste. Jo, ist doch voll nett von den Ölkonzernen, dass sie schon ein paar Tage vor Ende des Tankrabatts anfangen uns wieder an die Preise zu gewöhnen. An der Dorftankstelle kann man jetzt bis 100 Euro tanken, früher waren es 80. Ich bin da tatsächlich nur zum Tanken hingefahren, 12 km hin und zurück, eine Investition.

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Ein Ausflug zum längsten Spielgerät Europas, da waren wir schon ewig nicht. Den Ninja-Parcours seh ich zum erstenmal. Nebeneinander wurden zweimal die exakt gleichen Klettergeräte aufgebaut, den ganzen Berg hoch. „Das ist so gedacht, das man da um die Wette“, sagt ein etwa fünfjähriger Junge in staubiger Hose. Julikind nickt. Der erste Abschnitt ist für Menschen gebaut, die 1,20m groß sind. Garnicht so einfach. Der zweite Teil ist für Julikind perfekt, für mich eine Herausforderung, aber machbar. Der dritte Teil „och ähm, weißte, ich glaube ich gehe hier einfach am Rand lang…“ sage ich zu der achtjährigen die mir netterweise ihre Hand anbietet. Denn, sind wir mal ehrlich, selbst mit Anlauf und helfender Hand ist die Chance, dass ich mich diese 2,50 hohe Bretterwand hochhieve gering. Nach anderthalb Stunden haben alle genug. Abschluss im Kleinkinderbereich. Da kann man Wasser pumpen und Kies baggern. Und weil wir mittlerweile fast alleine sind auf dem Spielplatz machen sogar die beiden 15 jährigen mit. Schade, dass es sowas früher nicht gab. Wir hätten hier tagelang auf der Bank sitzen können, sagt die Freundin.

Meilensteine und Beobachtungen bei über dreißig Grad

Es ist warm. So warm, das man mit dem Wetter eigentlich nichts anfangen kann. Lüften morgens um sieben, die Hunderunde muss bis neun Uhr erledigt sein. Anschließend verdunkeln wir die Fenster und alle verkriechen sich irgendwo. Wenn man sich zufällig im Haus begegnet spricht man die immergleichen zwei Sätze miteinander „Boar, is das warm“ „ah komm, geh wech“.

Abendessen gibt es um halb neun, vorher hat niemand Hunger. Danach fahren wir auf den Sportplatz und spielen Kubb, bis es zu dunkel ist, dann Federball. Ich hab schon so oft Federball gespielt, ich hätte gedacht ich weiß, wie groß dieser Schläger ist. Klonk- offensichtlich nicht, aber da bin ich nicht die einzige. Dieser LED-Ball war auf jeden Fall sein Geld wert.


Der Plan war, die Grillhütte zu mieten und einfach alle einzuladen. Dann hat es uns umgehauen, dann kam die Hitze. So findet die Geburtstagsfeier des Liebsten in beschaulichem Rahmen statt. Ein Kaffeetrinken im Garten, abends Essen beim Inder. War schön. Das angekündigte riesen Gewitter blieb aus.


Maikind feiert die Geburtstage der letzten Jahre nach. Eine Gruppe Jugendlicher zeltet zwei Tage ohne Eltern und ohne besondere Vorkommnisse. Man freut sich natürlich, aber seltsam ist es schon.


Man kann in Ruhe gucken, wenn es was zu sehen gibt, und weitergehen, wenn es nichts zu sehen gibt. Zum ersten mal nutzen wir einen Picknickplatz, der nicht neben einem Spielplatz liegt und niemand weint, als das Tierfutter alle ist. Tierpark mit großen Kindern macht auch Spaß, stellen der Liebste und ich fest.


Vom Strandbad aus muss man einige Meter bergab laufen, bis man ans Wasser kommt. Das Wasser ist herrlich, aber so am Hang sitzen, auf dem was normalerweise der Grund des Sees ist, mit Blick auf Steininseln und Sperrmauerwand, naja. Mir ist Edersee mit Wasser lieber.


Das Schloss ist kaum 30 km weit weg von hier. Wir machen eine Führung mit, denn das haben wir tatsächlich noch nie. Drin ist es angenehm kühl, und man kann was lernen. Dass es da eine Beziehung zu den Niederlanden gibt wußte ich, aber dass „wir“ mit fast allen europäischen Königshäusern verwandt sind, ich hatte keine Ahnung. Die Fürstenfamilie hat Wohnrecht, solange es männliche Nachkommen gibt, sagt die Führerin, ist damals so ausgehandelt worden. Alle drei Söhne wären noch zu haben, ergänzt sie und blickt hoffnungsvoll Richtung Märzkind. „Och nö“, sagt Märzkind.

Das Strandbad am anderen See hat einen Sandstrand, man guckt auf Wasser und Bäume, der Kiosk ist geöffnet. Auf den ersten Blick alles Premium. Der algenfreie Badebereich ist leider klein und der Sandstrand ist voll und laut und dermaßen heiß, der Liebste und ich sind nach einer halben Stunde fertig.


Sie haben mal einen ganz anderen Liegeplatz ausprobiert, sagt Julikind, als sie mich am Freibad-Eingang abholt. Wir gehen direkt am Schwimmerbecken vorbei. Am anderen Ende des Beckens fällt mir eine Dame in einem krass pinken Badeanzug auf, aus 20 Meter Entfernung kann man erkennen, dass der Lippenstift die gleiche Farbe hat. Ihre ganze Erscheinung hat Unterhaltungswert, wie eine weibliche Version von Horst Schlämmer, denke ich und versuche ein Schmunzeln zu verbergen. Im Vorbeigehen stelle ich fest, diese Dame war mal ein Lehrer von mir. Altaaa. Einen kurzen Moment muss ich mich sortieren aber schade eigentlich, dass sowas vor dreißig Jahren unmöglich war, wäre vielleicht entspannter gewesen.


Der Liebste erhält eine Sprachnachricht „…sieht nach Schlaganfall aus, könnte aber natürlich alles mögliche sein“, ein Schreck. Ein Schlaganfall ist es zum Glück nicht. Es kann garnichts festgestellt werden. Die Patientin wird entlassen und ist enttäuscht. Ich ahne, welche Diagnose da kommen wird, irgendwann.


Auf unserer „wenn die Welt wieder geöffnet hat“-Liste stand ein Flohmarktbesuch. Genau für diesen Sonntag sind 35°C angesagt. Das ist nicht optimal, aber Regen wäre blöder. Morgens um kurz nach 8 bekommen Märzkind und ich den letzen regulären Platz auf dem Flohmarktgelände zugewiesen. Beginn ist erst um 10 Uhr, aber wer jetzt noch kommt, ist eigentlich zu spät. Ok. Damit hatten wir nicht gerechnet, vermutlich werden wir garnichts loswerden. Aber, der Platz ganz am Rand ist super. Hier geht ein bisschen Wind und die Leute sind noch oder schon wieder entspannter, mittendrin ist es einfach nur brüllewarm. Sämtliche Lockdown-Fehlkäufe und einige Dachboden-Schätzchen finden ein neues zu Hause. Mittags bringt der Liebste uns Eis und übernimmt für eine halbe Stunde. Wie es sich gehört, fahren wir kurze Zeit später mit genauso vielen vollen Taschen nach Hause, wie vorher, nur andere Klamotten drin.


Märzkind besteht die Moped-Führerschein-Prüfung. Beim ersten Versuch. Juhu. Sie bekommt allerdings nur eine Bescheinigung. Den eigentlichen Führerschein muss sie sich auf der Füherscheinstelle abholen und die hat natürlich schon geschlossen. Das bedeutet, ich muss nochmal quer durchs Städtchen, was wegen dieser Baustelle dreimal so lange dauert wie normal, Märzkind holen, zurück durch die Baustelle, Julikind abholen, nach Hause, Einkäufe ausladen und den Liebsten mit Märzkind ins Städtchen fahren, durch die Baustelle zum TÜV, wo das Moped wartet damit die beiden von da aus zur Krankengymnastik können.

Am nächsten Tag rollt Märzkind abends um halb neun vom Hof. Weil sie es kann. (AS-Taxi wäre um 8 gefahren oder um 9) Der Liebste und ich sitzen auf der Treppe und stoßen an. Ein Meilenstein.


Maikind schreibt eine Bewerbung. De Mudda unterstützt ihn tatkräftig. Das ist gut. Diese Aktion braucht mehrere Anläufe und ich hätte das garnicht so gekonnt, gestehe ich mir ein. Geradeaus denken ist mir immernoch anstrengend. Fröhlich und sichtlich entspannter teilt Maikind am Abend mit, dass seine Bewerbung eingegangen ist.

Wenn wir nächsten Sommer nochmal alle zusammen Urlaub machen wollen würden, gibt es genau eine einzige Woche, in der das möglich wäre. Gut, dass uns das beizeiten aufgefallen ist.


Der Wald verfärbt sich herbstlich, von einem Tag auf den anderen fällt es auf. Die Linde auf dem Hof verliert gelbes Laub. Soviel, dass man es nicht mehr ignorieren kann. Ich nehme den Besen und – alles zerbröselt auf Konfettigröße. Der Liebste schlägt vor, einfach den Kompressor anzuschließen und dann mit Druckluft…ist keine schlechte Idee..


Wer hätte gedacht, dass ich das mal sage, aber, ein paar Tage Regenwetter darüber würden wir uns tatsächlich freuen, gerade.

Geburtstage und Ferienanfang

Ich mag wenn es warm ist, aber, das hier, das ist sogar mir ein bisschen viel. Der Hund guckt mich vorwurfsvoll an. „Ich hatte es dir ja gleich gesagt“. Einmal Frisbee werfen und wir gehen wieder rein. 42°C Außentemperatur zeigt das Thermometer an. Abends Gewitter mit 46 Liter Regen. Der Wald sieht wieder fröhlich aus, die Hecke richtet ihre Äste auf, der Erntestaub ist aus der Luft gewaschen – herrlich.


Vormittags gibts ein gemütliches Geburtstagsfrühstück bei der Mudda. Ab Mittag gehts rund.

Die Bustüren öffnen sich und man kann von der Haustür aus hören, dass die Party quasi schon läuft. Alle Gäste kommen direkt nach der Schule, einmal im Leben nicht in Ferien Geburtstag… Es folgt ein klassischer Kindergeburtstag, mit Spagetti und Eis, Zeitungstanz und Fotoschnitzeljagd. Um halb sieben werden alle abgeholt. Der Liebste und ich gucken uns verwundert an. Das wars? Kein Starkregen-Ereignis mittendrin, niemand hat sich was gebrochen oder Kreislaufprobleme und verdroschen haben sie sich nur im Spaß, mit den Poolnudel-Lichtschwertern. Wahrscheinlich war das unser letzter Kindergeburtstag stellen wir fest. Im nächsten Jahr sind wir bestimmt zu peinlich. Es folgt ein kurzer Moment der Rührseligkeit, ach was, high five. „Da wartet man das ganze Jahr und zack, isses vorbei“, Julikind ist ein bisschen traurig. Zum Glück kommen am nächsten Tag noch die Großeltern und Paten.

Am Tag darauf wieder Geburtstagsfrühstück anlässlich Ommas 90stem. Das ist etwas offizieller, mit Pfarrer, Bürgermeister, und den Verwandten, die man selten sieht.


Die letzten Schultage haben sich gezogen wie Kaugummi. Jetzt sind endlich richtig Ferien. Stolz werden die Zeugnisse rumgezeigt. Zu recht, das war kein einfaches Schuljahr, haben sie toll gemacht, alle drei. „Brotdose raus?“ „jaja“ Schuljahr abgehakt.


„Kommt jetzt die kleine Kneipe„? erkundigt sich eine Gästin. „Nee, jetzt kommen erst die apokalypthischen Reiter, dann Peter Alexander, geht immer der Reihe nach“, sagt der Mann der das Handy mit der Musikapp in der Hand hält. Hier gehen die Geschmäcker weit auseinander, aber der Toleranzbereich ist riesig und es gibt Likörchen. Diese Feier hat keinen Anlass und braucht auch keinen. Menschen verschiedener Generationen hatten Zeit, sind gesund und das Wetter passt zum draußen sitzen. Es hat übrigens nie jemand gesagt, dass Frauen nicht an die Mauer hinter dem Haus pinkeln dürfen. „Die machen das von sich aus nicht“, sagt der Hausherr, und zuckt mit den Schultern.


Nachdem wir die verschiedensten Kuchenvarianten unterschiedlicher Hersteller durchprobieren durften (Präsentkörbe zum 90sten, de Omma backt natürlich trotzdem weiterhin selber) kommen wir zu dem Schluss – die schmecken alle gleich. Kuchengeschmack eben, das macht nachdenklich.


Beim Aufwachen höre ich leise Terassen-Frühstücksgeräusche der Nachbarn, das ist schön.

Zu meiner eigenen Überraschung bin ich überhaupt nicht neidisch, beim Anblick der Status- Urlaubsbilder der anderen. Ich hätte gerade überhaupt keine Lust, das Auto zu beladen…

Ein Freibadbesuch, ein Kinobesuch, lange schlafen, und schon ist eine Ferienwoche rum.

Die zweite Ferienwoche hatte bisher zweimal Magen-Darm vom allerfeinsten und einen spontanen Zahnarztbesuch zu bieten. Das bleibt ehrlich gesagt hinter den Erwartungen zurück. Andererseits – läuft, mit der Bikinifigur.

Fragen und Antworten, unsortiert

Nach Weihnachten würde es ruhiger werden, hatte ich mir gesagt, damals im Dezember. Dann haben wir hier alle das Zeitgefühl verloren. Dinge werden nach Dringlichkeit abgearbeitet.

Kühlakku, da muss auf jeden Fall eins drauf. Ich durchwühle die Schubladen des Gefrierschranks. Kann das denn sein, dass wir mitten im August nicht ein einziges Kühlakku parat haben? Muss das mitreisende Kind bei Anreise einen negativen Test vorlegen, wenn die Eltern geimpft sind? Wieviel muss denn da drauf, auf den Brief, und haben wir eigentlich Briefmarken? Das Taschengeld von Juli? Haben wir noch genug leere Honiggläser? Blumen, bei einem Rasengrab? Der Hund von Lucky Luke, wie hieß der nochmal? Wollen wir den Ofen anmachen? Anlass ist jetzt, Feier im nächsten Jahr – wann schreibt man denn die Karte? An welchen Schnitt hatten Sie denn gedacht? Was ist das für eine Vase da, und wo ist eigentlich der Sarg? Wenn ich gestern geimpft wurde und morgen einen Test machen muss – ist der dann positiv? Nur noch eine Woche Ferien, wollen wir denn eigentlich noch irgendwas unternehmen? Ist es denn ein bisschen ruhiger geworden, bei euch? Du hattest doch gesagt es ist viel los und das würdest du dir wünschen.

Da muss ich kurz drüber nachdenken.

Dritte Schublade, ganz hinten. Land Hessen sagt, jede anreisende Person muss ein G nachweisen, also ja, das Kind braucht einen Test ( und wenn das demnächst zweimal die Woche kontrolliert werden soll, dann nehme ich nur noch Geimpfte und Genesene Feriengäste, fertig ). 80 cent müssen drauf – Pinnwand – ist glaube ich egal, aus wie vielen einzelnen Marken man das zusammenpuzzelt. Die einen sagen so, die anderen so, wir einigen uns auf einen Dauerauftrag, dann muss da niemand mehr dran denken. Weiß ich nicht, muss ich gucken. Keine Blumen. Rantanplan? Jemand müsste Holz reinholen, wir nehmen erstmal eine Wolldecke, jo, das reicht, für diesen Sommerabend im August, auf dem Sofa. Karte mit kleinem Betrag jetzt – Karte mit Geschenk im nächsten Jahr, wenn denn dann… Ich hätte gerne eine Jeans, die einfach passt und einigermaßen gut aussieht. Jetzt heute hier. Nicht „wenn das Lockdownröllchen eines Tages wieder weg ist“, welchen Schnitt das erfordert, kann ich derzeit nicht sagen. Es gibt keinen Sarg, wenn man verbrannt wird, bleibt gar nicht so viel übrig. Die Vase ist eine Urne, da ist die Asche drin. Nee, die Impfung legt quasi ein Schutzschild um deine Zellen, dass das Virus nicht dran kommt, der Test guckt, ob du Viren auf der Schleimhaut hast, das sind zwei verschiedene Ansätze. Plätze für die Freilichtbühne gebucht, ohne vorher jemanden zu fragen. Ein nichtoptionales Kulturerlebnis. Ja, es ist ruhiger geworden, auf jeden Fall, wenn man mal davon absieht, dass der Liebste wahrscheinlich einige Zeit nicht mit dem Hund raus und, wenn es richtig blöd läuft kein Auto fahren können wird. Aber irgendwas ist ja immer.

Nieselregen bei windigen 15°C, das Maikind und ich sind uns einig: Würde es eine Packung Spekulatius geben, wir würden sie kaufen, es fühlt sich so an. Weihnachtsgebäck gibt es aber erst nach den Sommerferien, man fragt sich, wieso.

Verschiedenes, Ende Juli 21

Die Oma hat Gäste, wir sitzen im Garten und unterhalten uns. Der Liebste hat gerade einen Schwarm Bienen wieder eingefangen. Als die losgeflogen sind, das war schon beeindruckend, sagt die Festgesellschaft, sowas sieht man nicht oft. Sowas gibt es auch Ende Juli nicht oft, es ist ein seltsames Bienenjahr.

Märzkind will mal bei der Uroma gucken, die ist im Haus geblieben. Es geht ihr nicht gut. Im Fernsehen laufen Bilder der Flutkatastrophe, den ganzen Tag. Die Zerstörung ist wirklich unvorstellbar – für uns. Käthe ist 101. Sie kann sich das durchaus vorstellen und ist entsprechend unruhig. Nach einer halben Stunde kommt das Märzkind wieder. Die Uroma habe heute vormittag jemanden in Wuppertal erreicht, der die Auskunft geben konnte, dass bei ihren Bekannten alles OK ist. Das ist eine Erleichterung. Ein ganz kleines Stück Kuchen habe sie gegessen, damit sie ihre Ruhe hat. Das ist gut.


Bei der Hunderunde begegnet uns ein örtlicher Katastrophenschützer. Er erzählt, wie der Bach, der letzte Woche doch eher ein Fluss war in der Nacht vorher ausgesehen hat. Wir waren ja am späten vormittag noch beeindruckt von der Wassermenge, da war das allermeiste aber wohl schon durch. Man habe sich im Lauf der Woche unterhalten, mit allen Wehrführern der Ortsteile, erfahren wir. Wenn man sich mal kurz vorstellt, dass der Bach zwei Ortsteile weiter von jetzt auf gleich 8 Meter höher wäre, dann, tja… es würde die Anfahrtmöglichkeiten für einige Häuser verändern.


Das Julikind wird elf. Wir grillen im Garten, mit Leuten. Es ist eigentlich eine normale Geburtstagsfeier, das ist schön. Abends bittet sie mich, noch ein Foto zu machen. Dafür hat sie alle Geschenke auf dem Bett aufgebaut und setzt sich mit dem fröhlichsten Geburtstagsgrinsen daneben. Was für ein Tag! Und so viele schöne Sachen. Wenn sie jetzt noch mit ihren Freundinnen feiern dürfte, dann wäre es perfekt gelaufen, dieses Jahr. Die Chancen stehen eigentlich ganz gut, gerade. Noch.


Das Gute an dem vielen Regen ist, wir müssen gar nicht weit fahren, der See beginnt dieses Jahr schon 10 km weiter. Im letzten Jahr war da um diese Zeit schon längst kein Wasser mehr. Am frühen Abend ist die Liegewiese so gut wie leer. Einen Strand gibt es hier nicht. Man geht von der Wiese drei Schritte durch die Hecke, dann nochmal drei Schritte ins Wasser rein, da kann man schon losschwimmen. Hier stört es niemanden, wenn der Hund auch schwimmt. Der Liebste wirft ein Spielzeug, voller Freude springt der Hund ins Wasser, holt sein Spielzeug und schwimmt uns entgegen, ziemlich weit, und ziemlich schnell. Ähm, jo, damit hatte niemand gerechnet, aber alle haben Spaß. Und die Erkenntnis, dass Hunde anders schwimmen, als Menschen. Jeder von uns hat irgendwo einen Kratzer abbekommen, was solls, sagen die Kinder.


Ich bekomme die zweite Impfung. Anderthalb Tage habe ich irgendwie schwere Knochen, und freue mich trotzdem. Der Liebste kommt sich „dezent verarscht“ vor, als Angehöriger der Priogruppe drei, weil ich jetzt zwei Wochen vor ihm fertig geimpft bin. Luxusprobleme, die man so hat. Nachdem wochenlang garnichts voran ging, in Sachen impfen, sind jetzt fast alle durch. Weihnachten kann kommen.


Wir fahren für eine Hunde-Runde in den Nachbarort. Beim Aussteigen fällt mir auf, dass die Telefonleitung sich heftig bewegt, zwischen den Masten. Oh oh. Kein Sturm, kein Erdbeben, da gibt es eigentlich nur noch eine Erklärung. 200 Meter weiter kommt uns ein LKW entgegen, der hat gerade irgendwelche Düngemitttel abgeladen, auf dem Feld, neben der Telefonleitung. Zu dicht neben der Telefonleitung. Ein Teil des Kabels liegt rechts im Graben, der andere links auf dem Feld.

Yeah! Für die Fans von „Lockdown mit Teenagern“ und „schulfrei von Dezember bis Mai“ jetzt neu: „Sommerferien bei regnerischen 15°C ohne Internet“. Wir nehmen direkt die extended version „ohne Mobilfunkempfang im Wohngebäude“, wenn schon, denn schon.

Am Ende dieses Tages sitze ich im Garten. Auf der Treppe, die man von keinem Fenster aus sehen kann, im Dunkeln. In der Hand ein Glas, darin ein großer Schluck vom besten Weihnachts-Whiskey. 20 Minuten allein sein. Herrlich. Die Ruhe ist so erholsam, dass ich mir, als das Glas leer ist, eingestehe, dass ich dem Zusammenbruch sehr viel näher bin, als irgendeiner Form von Erholung.


Die Freude, als das Internet am Nachmittag des nächsten Tages zu uns zurückkommt ist riesig. Auf einen Schlag ändert sich die Grundstimmung. Spielen, Videos, Musik, telefonieren, man könnte sogar wieder Fernseh gucken, so viele Möglichkeiten. Maikind sagt, er habe da jetzt nochmal drüber nachgedacht und, eigentlich ist es doch in manchen Situationen vielleicht praktische kein smart home zu haben. Da hat er wohl recht.


Vier Geburtstage und ein Gemeindefest in 10 Tagen, waren das. Nächste Woche haben wir garnichts vor. Das ist auch mal wieder schön.

Regenwetter zum Schuljahresende

Wir nähern uns den Sommerferien. Der Liebste und das Märzkind haben schon frei. Morgens nur zwei Kinder in die Schule zu schicken fühlt sich seltsam an.


Wir verbringen ein bisschen Zeit im Garten. Dabei kommt uns eine Gestaltungsidee. Wir könnten erstmal alles rausräumem und rupfen, was keinem gefällt, vielleicht sähe es dann schon anders aus.


Ich bekomme einen Brief vom Energieversorger. Der Fahrtkostenantrag, den ich damals gestellt hatte, als das Maikind Praktikum gemacht hat, der wurde bewilligt. Man wird mir Geld überweisen. Ich freue mich. Wow, ich freue mich sogar sehr, stelle ich fest, als ich sehe, wieviel Geld man mir überweisen wird. Kein Wunder, dass man dieses Formular aktiv anfordern musste.

Ich bekomme einen Brief von der weiterführenden Schule. Alle Unterlagen sind da, man freut sich mitteilen zu können, dass das Märzkind damit offziell angenommen ist. Schulstandort wird das Städtchen sein. Ab der Sekundarstufe zwei werden die Fahrtkosten nicht mehr vom Schulträger übernommen, man möge sich kümmern. Mööööp! Wobei, sehen wir es mal so: unterm Strich wird uns das Hessenticket somit 62 Euro kosten. Ein Schnäppchen, quasi.


Alle unter 18 Jahren dürfen alle Freibäder im Landkreis umsonst nutzen, bis zum Ende der Saison. Finanziert wird das aus den Mehreinnahmen durch die Corona-Bussgelder. Da hatte doch mal jemand eine gute Idee, die Kinder freuen sich. Man könnte selbstständig, mit dem Bus oder dem AS-Taxi ins Städtchen, sich da mit Leuten treffen und schwimmen gehen, für umme, es tun sich Möglichkeiten auf. Welche Freibäder gibt es denn sonst noch im Landkreis? Wir werden jedes einzelne mindestens einmal nutzen. Schönen Dank auch, ihr Maskenverweigerer.


Der Wetterbericht meldet Regen. Ergiebigen Dauerregen, im Warnbereich rot. Der Liebste sichert das Kellerfenster. Abends gegen halb zehn geht es los. Jo, da kommt ordentlich was runter. Der Hund ist nach den paar Metern Spät-Gassi-Runde klatschnass. Der Liebste läuft mit der Taschenlampe ums Haus. Während der letzten Starkregenereignisse war er nicht zu Hause, jetzt sieht er mal selber, wie das Wasser läuft, aus dem Garten, ums Haus und zum Glück nicht mehr genau in den Keller, die Graben- und Deichanlagen wirken.

Trotz Unwetter schlafe ich ganz wunderbar und staune am nächsten morgen. Das Bächlein im Tal, in dem der Hund gern tobt ist ein Fluss geworden, die Wiese ist teilweise überschwemmt. Ein kurzer Schreckmoment, der Hund hat anscheind nicht wahrgenommen, dass die Brücke, von der er sonst fröhlich ins Wasser spingt, heute nicht begehbar ist. Geradeso schafft er es wieder raus. Das war knapp. Wir gehen lieber wieder.

Wasser rauscht unter jedem Gullideckel. Vor dem Haus kann man hören, wie das Wasser ins nahegelegene Regenrückhaltebecken fließt. Kleine Wasserläufe im Wald sind über Nacht Bäche geworden. Wir dachten, wir hätten viel Regen gehabt, bis wir die Bilder aus NRW sehen. Plötzlich fühlen sich die 40 Liter Wasser, die wir letzte Woche aus dem Keller gewischt haben ganz anders an.


Eine Strickjacke und ein Schlafsack hängen da, seit Tagen, ohne zu trocknen. Fast alle Schuhe dieses Haushalts sind mit Zeitungspapier ausgestopft, und, gibt es eigentlich noch ein trockenes Handtuch? Ist mir egal, dass Mitte Juli ist, ich mache jetzt den Ofen an.


Die Zeugnisse der Kinder sind richtig gut, stellen der Liebste und ich kopfschüttelnd fest. Wir erinnern uns an die Stimmung anfang des Jahres, die Untergangsrhetorik einzelner Lehrkräfte. Da waren wir hier alle so mit den Nerven runter, dass wir innerlich einen Haken an dieses Schuljahr gemacht hatten. Es schien nicht schaffbar, beim besten Willen nicht. Jetzt klopfen wir uns auf die Schultern. Wenn man nur die Zeugnisse betrachtet, funktioniert es zu Hause besser als in der Schule, fast. Was man nicht sieht, auf dem Papier, ist die Erschöpfung.

Und? Wenn wir, als Eltern diesem Schuljahr eine Note geben könnten? Der Liebste und ich sind uns schnell einig. Ungenügend. Das ist allerdings den herausragenden Leistungen einzelner Lehrkräfte zu verdanken, die sich Wissen angeeignet und Equipment beschafft haben, die bereit waren, datenschutzrechtliche Grauzonen zu betreten, und unter ständig wechselnden Bedingungen ihren Job einfach immer weiter gemacht haben. Was die Qualität des Distanzunterrichts angeht, da geht die Tendenz Richtung „erbärmlich“. Ich wüßte ehrlich nicht, was da noch schlechter hätte laufen können. Man kann nur hoffen, dass man den nie wieder brauchen wird.


Sommerferien. Juhu. Oder? Es fühlt sich garnicht so an. Könnte auch ein Lockdown sein. Beim Mittagessen nach dem letzten Schultag sitzen zwei Freundinnen des Julikinds mit am Tisch. Der Klassenlehrer habe gesagt, er wäre eigentlich dafür, dass sie online Unterricht machen, während der Ferien. Das war ein Scherz, da hat der doch selber keinen Bock drauf, mit Sicherheit nicht, die drei sind sich einig, aber alle gucken mich fragend an. Jetzt ist 6 Wochen lang garnix, da kann sie beruhigen. Fröhlich giggelnd verschwinden sie nach draußen. Abends um halb neun kommt das Julikind wieder rein, wegen Hunger. So soll das.

Endlich Ferien.

Sommer

Morgens um 10 ist es fast schon zu warm zum spazieren gehen. Mitten auf dem Waldweg frühstückt ein junges Reh (Sind das Mitte August noch Kitze? Ich weiß es nicht.) Dass der Hund so gar keinen Jagdtrieb hat, ist doch wirklich angenehm. Ich bleibe stehen und beobachte. Ein Vogel meldet Besucher im Wald, das Reh schaut in unsere Richtung, der Hund und ich stehen still, völlig unbeeindruckt frisst es weiter. Ein Flugzeuggeräusch über uns, das Reh schaut sich suchend um, wundert sich, überlegt kurz und frisst weiter. Ich nehme den Hund an die Leine, nicht das er doch noch auf Ideen kommt, und gehe ein paar Schritte weiter. Das Reh wartet kurz, ja, leider wollen wir echt genau da lang. Betont langsam flüchtet es ins Unterholz, als Teeniemutter meint man ein augenrollendes „boooaaarmanneejj“ hören zu können.

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Im Schreibwarenladen der Nachbargemeinde haben sie Collegeblöcke mit dieser Pünktchenlineatur. Die habe ich zuletzt beim Französischaustausch in den 90ern gesehen, hier gab’s die leider nicht. Dann -aus dem Nichts- ein Geistesblitz! In NRW beginnt die Schule eine Woche früher. Das heißt, die ganzen Muddis hier haben den alljährlichen Einkauf des Wahnsinns zu Schulbeginn schon durch, wenn ich los muss. Die Nachbargemeinde ist genauso weit weg wie das Städtchen. Warum zum Geier komme ich da erst jetzt drauf?

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Wir stellen überrascht fest, dass wir vorher noch nie im eigenen Garten gefrühstückt haben. „Es fühlt sich an wie im Urlaub“, sagt das Maikind.

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Das Julikind verbringt einen geschenkten Pferdetag mit Tante und Cousinen. Auf der Rückfahrt erfahre ich, dass frischer Pferdemist doch deutlich mehr wiegt als welcher, der schon eine Weile rumlag, dass man Pferde mit Fingerfarbe anmalen kann, nur nicht da, wo der Sattel hin muss, wie man antrabt und bremst und und und und und und dann schläft das Julikind ein.

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Das Märzkind übernachtet auswärts.

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Ich bringe sechs ungenutzte Kaffeegedecke in die givebox und finde ein Lieblingsbuch, das irgendwann einfach weg war. In einer offensichtlich ungelesenen Orginalausgabe, guter Tausch, ich freu mich. Sicher taucht das abgeschrammelte Taschenbuch im Laufe der Woche wieder auf.

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Eis essen stand noch auf der Ferienliste. Die Eisdiele ist natürlich proppevoll. Die Tische stehen weit auseinander, drei junge Männer sprinten mit Eisbechern hin und her, bei 36°C. Sie sind auffallend freundlich, zu jedem. Im reinlaufen rufen sie der Frau hinter der Eistheke zu, was gebraucht wird. In atemberaubender Geschwindigkeit werden die Bestellungen zusammengebaut und sind wenige Minuten später zeitgleich am richtigen Tisch. Ungewohnt, aber so kann Gastronomie auch sein. Das Märzkind schüttelt den Kopf, „man hat fast den Eindruck, das macht denen Spaß“.

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Die Fussgängerzone war vorher schon kein Schmuckstück. Mit leeren Schaufenstern ist es eine trostlose Gegend.

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Die Schule schickt das neue Regelwerk für den Regelbetrieb. Fünf Tage die Woche für alle mit Nachmittagsunterricht und geöffneter Cafeteria sind geplant. Es gibt ein Hygienekonzept, das liest sich richtig gut. Wenn man allerdings einen Moment länger darüber nachdenkt…. ach was. Der Landkreis hat gerade null Neuinfektionen. Da tun wir einfach mal so, als würden nur Einzelkinder zu Fuss zur Schule kommen, die den ganzen Tag nicht auf Toilette müssen. Läuft.

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Starkregen. Der Liebste stürmt die Haustür rein, reißt die Kellertür auf, flucht und rennt wieder raus. Von oben höre ich ein „Och nee, müssen wir schon wieder den Keller wischen?“ Zum Glück nicht. Aber der liebevoll hingemörtelte Schutzwall steht leider an der völlig falsche Ecke. Das hätte man so nicht für möglich gehalten. Der Liebste verteidigt das Kellerfenster gegen die Flut, mit dem was gerade da ist.

Mann mit Tapeziertisch im Regen, das Bild wurde nicht freigegeben.

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Nach dem Regenguss öffnen wir alle Fenster und freuen uns über die angenehm kühlen 25°C.

Empfindlich?

Der Biergarten wurde schon im letzten Jahr leicht vergrößert, das hatte sich so ergeben, Altbauten entscheiden manchmal Sachen. In diesem Jahr wurden Bambus Windschutzmatten rund rum gebaut. Es gibt unterschiedlich große Tische unter riesigen Sonnenschirmen, die Bestuhlung ist nicht einheitlich.

„Habt ihr gut hingekriegt, sieht fast nach Strandbar aus“, sage ich zum Wirt.

„Och jo, findste?“ Der Wirt wirkt überrascht.

„Jo, schon. Also, wenn man mal vom Spießbraten-Bräter im Eingangsbereich absieht.“

„Weißte“, sagt der Wirt, „am wichtigsten ist, das man im Vorbeifahren nicht so ganz genau alles sieht, diesen Sommer.“

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Die Arme werden ausgebreitet, um das Märzkind zu knuddeln. Sie zögert, guckt mich fragend an. Das wird bemerkt und falsch verstanden. „Seid ihr empfindlich, oder was?“, es klingt fast etwas ruppig. Ich zucke mit einer Schulter, wir umarmen alle nacheinander die Risikogruppe.

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Nach einer Hunderunde in schwüler Hitze machen wir Halt bei den Großeltern. Da kann sich der Hund unter dem Gartenschlauch abkühlen, alle anderen, die daneben stehen, auch. Das Märzkind klingelt, die Oma öffnet und bleibt in der Tür stehen.

„Wie geht es Dir?“ Das Kind denkt, es sei eine Anspielung auf die Camper-müdigkeit und lacht. „Alles supi“. Die Oma meint es aber ganz im Ernst, sie darf dieses Virus einfach nicht kriegen. Punkt. „Kein Halskratzen, Fieber….?“ „Neee, natürlich nicht!“

„Also, wir waren in den letzten Tagen viel unter Leuten, die 1,5m können wir ruhig einhalten“, entscheide ich. Hier wurde eine zweite Bank für den Hof angeschafft. Wir sitzen auf der einen, die Großeltern auf der anderen.

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Bei der Omma im Garten wurde mit dem Aufsitzmäher über das Efeu gemäht, das da den Zugang zum Nebeneingang zuwuchert. Das hatte sie erst gar nicht gesehen. Hätte sie es gesehen gehabt, hätte sie dem Mähenden aber gleich gesagt wie sie das findet. Also, wirklich. Wie sieht das denn aus? Wenn einem jemand seit Jahren den Rasen mäht, kann man doch wohl erwarten, dass da ein bisschen sorgfältig gearbeitet wird. Jetzt ist da so eine Dreckecke. Es wird wohl den ganzen nächsten Vormittag dauern, da wieder so einigermaßen Struktur rein zu bekommen. Ach was, wenn man ehrlich ist, ist es wohl für immer verdorben. Man muss sich ernsthaft fragen, was der Mähende sich wohl dabei gedacht hat. Das wird sie auch tun, das kann ich aber ruhig glauben, sobald der aus dem Urlaub zurück ist, kriegt er was erzählt.

Und bis dahin muss ich es mir anscheind anhören.

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Zur Feierabendzeit liegen in der Selbstbedienungs-Brötchen-und-so-Theke des Supermarkts auffallend viele Donuts, mindestens vier verschiedene Farben, gefüllte und ungefüllte…

„Kann ich einen?“, fragt das Julikind.

„Ja. Einen.“

„Dann nehm ich für die anderen auch einen mit?“

Eine kurze Hochrechnung ergibt, das zu Hause noch fünf Kinder sind, und der Papa. So ein Donut kostet 90 Cent, und ist schnell weg gesnäckt.

„Nee, nimm dir einen und iß den gleich heimlich im Auto“, sage ich.

Als ich den Einkauf verstaut habe, ist der Donut schon angebissen und wird eine Weile hin und her gedreht. Dann tippt das Julikind irgendwas auf dem Handy und beißt wieder ab.

„Was machst Du?“, frage ich, nur aus Interesse.

„Hab den Donut fotografiert, für meinen Status.“

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In Berlin demonstrieren Impfgegener, Rechtsradikale, Chemtrail-Leute und werweißwer dafür, dass Deutschland auch eine richtige Corona-Welle bekommt, das wird man ja noch sagen dürfen.

Sicher darf man, das ist ja das geile an Demokratie. Man darf alles sagen, auch auf der Strasse und in Kameras.

Ich schäme mich für jeden einzelnen, der da so fröhlich auf alle Regeln pfeift. Hoffentlich sehen die Leute in Bergamo und NewYork und so diese Bilder nicht.

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„Braucht ihr eigentlich neue Sportschuhe?“

Sportschuhe, wofür? Die Kinder überlegen, ach so, ja, sicher, also wenn denn dann…lieber nochmal abwarten.

Ich bestelle uns einen WLan Router, der laut Beschreibung in der Lage ist, gutes Internet für mehrere Personen gleichzeitig zu produzieren.

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Ferienakademie:

Das Märzkind kann jetzt Kronkorkenverschlüsse mit Hilfe einer anderen Flasche oder einem Feuerzeug öffnen.

„Gütersloh“ bringt bei Stadt/Land/Einhorn leider nur läppische 5 Punkte.

„Beste Leben, Digga!“ heißt übersetzt „Alter, wie geil ist das denn?“

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Wegen sommerlichen Temperaturen drehen wir eine Hunderunde am späten Abend. Ich mag diesen Flugzeug freien Himmel und diese Sonnenuntergänge in HD. Da sieht man jetzt noch schemenhaft Berge hinter den Bergen. Richtig schön! Leider kein Foto

Soziale Kontakte, mehrere

Das Märzkind hat gut geschlafen, auf dem Campingplatz, sagt sie. Wir wecken sie zum Abendessen.

Ausgepackt wird am nächsten Tag. In der Wäsche sind drei Tshirts und zwei Pullis, die ich noch nie gesehen habe. Anscheind hat einfach jeder eine Tasche voll mitgenommen…

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☆Aus Wohnzimmer werde Jugendzimmer, hex hex☆

Leider ist es etwas komplizierter. Da, wo jetzt Esszimmer ist, müsste dann der Fernseher hin. Der Liebste und der Außendienstmitarbeiter gehen erst ums Haus, dann in den Keller, stehen schließlich murmelnd vor der Wand.

Es gäbe zwei Möglichkeiten: Man könnte vom Hausanschluss durch die Wand in den Keller, das dürfte an der Stelle kein Problem sein. Gut, es gibt einen Versatz von 1,2m aber das kriegen sie hin, dann von dem einen Kellerraum durch die Wand in den anderen Kellerraum und neben den Ölbehältern gerade nach oben. Dann müsste man genau hier rauskommen. Vorraussichtlich. Einen Toleranzbereich muss man natürlich schon einrechnen, ist ja Bruchstein, da weiß man nie, aber die dicke Hilti schafft das.

„Was wäre die andere Möglichkeit?“, erkundige ich mich.

„Der Fernseher könnte da stehen, die Anschlüsse sind beinahe vorhanden, dauert eine halbe Stunde, ungefähr“.

Es werde natürlich so gebaut, wie ich das möchte, alles sei möglich, sagt der Liebste. Auf charmante Art entzieht er mir so die Lizenz zum Nörgeln. Optimal ist beides nicht.

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Wir arbeiten den Ferienprogrammpunkt ‚pulled pork essen‘ ab, und laden die Familie dazu ein, bei der wir neulich so nett Burger gegessen haben. Normalerweise dauert es Monate, einen gemeinsamen freien Tag zu finden, wir freuen uns. Der jüngste Gast verschwindet mit der kleinen Kamera.

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Ein Paar schwarzer Socken wird im Vorbeigehen auf einen Stapel Wäsche gekickt. Moment! Ich erkundige mich, ob es einen Grund für die mutwillige Fehlsortierung gibt. Sortierung? Man schaut mich fragend an.

Ich gebe einen Schnellkurs in Wäschepflege. Helle Buntwäsche und schwarze Kochwäsche, das geschulte Auge ist danach in der Lage Unterschiede wahrzunehmen.

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Das Julikind hat eine Verabredung zum Pferde versorgen und ist ganz hibbelig. Wir anderen sind eingeladen, Kaffee zu trinken , solange. Mit einem strahlenden Lächeln teilt das Julikind uns mit, sie dürfe sogar Reiten und verschwindet. Das Maikind geht derweil mit einem Freund zusammen mit dem Hund eine Runde durchs Feld. Der Liebste und ich bleiben einfach sitzen, trinken den restlichen Kaffee und genießen den Garten. Man sitzt so schön und guckt so schön, zum ersten Mal in diesen Ferien fühlt es sich wie Urlaub an. Dann gehen wir den Reiterinnen entgegen, es werden ja Fotos gebraucht.

Abends werde ich umarmt, mit den Worten, „Mama, das war ein richtig schöner Ferientag, heute“. Hach, das freut mich.

Herzlichen Dank ins Tal!

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Spontan verabrede ich mich mit der Freundin für eine weitere Etappe des örtlichen, frisch zertifizierten Premiumwanderweges. Morgens um neun ist es schon richtig warm. Von der Haustür aus erreichen wir nach etwa vierzig Minuten einen Weg, den keine von uns je gegangen ist. Obwohl wir quasi schon immer hier wohnen und seit mindestens 14 Jahren Hunde habe.

Premium, es stimmt wirklich.

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Wir sehen einen Kometen und 12 Fledermäuse. Wobei, es könnten auch weniger Fledermäuse gewesen sein, die mehrmals vorbeiflogen. Das lässt sich schwer feststellen.

ungewohnte Ereignisdichte

Der Liebste hat schon länger was, nun ist klar, es bedarf einer ambulanten OP. Zur Auswahl standen ein Termin jetzt oder Mitte September, statt Sommerurlaub also Krankschreibung, ist dieses Jahr nicht tragisch.

Hunde bekommen ja nach Operationen so einen Kragen. Etwas in der Art wäre wohl auch nötig gewesen, denn „so eine Kleinigkeit“ hält den Liebsten ja von nichts ab. Über den Tag sammeln sich so drölfizig halb erledigte Arbeiten, die in guter Absicht angefangen wurden, mit einem Arm aber nicht zu Ende zu bringen waren.

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Abends um neun freue mich darauf, gleich mal auf dem Sofa zu sitzen. Nur noch kurz die Wäsche im Keller abnehmen, die da schon drei Tage hängt. Als ich die Tür öffne bemerke ich ein Geräusch, rechts über mir an der Wand, dass ich nicht zuordnen kann. Oh, der gesamte Kellerfussboden steht unter Wasser, ein Rohr ist undicht daher das Geräusch.

Was für ein Glück, dass wir alle zu Hause sind. „Höhö, guck mal, der Eimer steht gar nicht, der schwimmt“, sagt das Maikind. Ich habe an diesem Tag nicht mehr auf dem Sofa gesessen.

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Bin ich froh, dass alles was gekocht werden musste bereits gekocht war. Partyvorbereitung ohne Wasser aus dem Wasserhahn ist – mal was anderes.

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Handwerker kommen zwei Stunden, bevor die Gäste eintreffen, ich war schon ein bisschen unruhig. Jetzt kann ich sogar noch duschen. Nach 18 Stunden ohne Wasser weiß ich das zu schätzen.

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Die Party wurde aufgeteilt. Das Julikind hatte Bedenken, wie es wohl wird, wenn keine Kinder kommen. Das war aber überhaupt kein Problem. Alle Erwachsenen haben sich Zeit für sie genommen und sie hat den VIP Status sehr genossen.

Es waren tatsächlich alle fünf Omas da. In Anwesenheit einer Hundertjährigen hatten die anderen merklich weniger Beschwerden aller Art.

Partyspiel, knapp nichts passiert

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Ich bringe das Märzkind auf den Campingplatz und helfe beim Ausladen des Gepäcks. Mein Plan war eigentlich, dann wieder nach Hause zu fahren. Eine engagierte Mutter-Kollegin bietet Hilfe beim Zeltaufbau an und spannt mich mit ein. So verbringe ich eine Stunde auf einem Jugendzeltplatz.

Ich bin froh, dass ich wieder gehen kann, mit dieser Erkenntnis altere ich auf der Rückfahrt schlagartig.

Ein Corona-Moment schleicht sich ein. Die sorgsam ausgefüllte Teilnehmerliste und Gesundheitszettel, die auf der Webseite gefordert wurden wollte bei der Anmeldung niemand sehen. Auf dem Platz war vom Virus keine Spur. Ich gönne es den Kindern von Herzen, ein mulmiges Gefühl habe ich trotzdem.

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Nachdem ein halbes Jahr keine einzige Anfrage kam, hätte ich in dieser Woche so was von die Ferienwohnung vermieten können!

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De Omma hat ihren Geburtstag auch aufgeteilt. So können wir uns in der erweiterten Kernfamilie mal unterhalten. Man überlegt, wann wir uns das letzte Mal so gesehen haben. Es muss das erste Märzwochenende gewesen sein. Danach wurde dicht gemacht.

Im Tratsch erfahre ich, dass Putzkräfte in Feriendörfern ähnliche Arbeitsbedingungen haben, wie Mitarbeiter in Schlachthöfen. Man sei da letzte Woche misstrauisch geworden, weil die fünfunddreißigste Person eine Wohnadresse in einem Einfamilienhaus angab. Vermutet wurde Betrug, der Außendienst hat dann eine Situation vorgefunden.

Wir stellen mit einigem Erstaunen fest, dass die Lage um uns herum gerade ähnlich ist, wie Anfang März. Wir sitzen entspannt im Garten dabei.

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Das Julikind hatte eine Reitstunde. Ich habe in der zwischenzeit eine Stunde auf der idyllischsten Bank gesessen, die man sich vorstellen kann. Das war sehr erholsam.

Sind das wirklich schon Stoppelfelder? Ich habe kein Zeitgefühl mehr. Halbzeit der Sommerferien. Nur noch sechs Wochen bis Spekulatius, verrückt.