warten auf Frühling, KW 11/23

Ein Wochenende lang überhaupt nicht vor der Tür gewesen. Das fühlt sich seltsam an, hat aber gut getan. Das Wetter war übel, ich hab mich über jede Hunderunde gefreut, die ich nicht machen musste. Montag morgen ist immernoch Winter, Mütze, Handschuhe… dann hatte ich drei Stunden drin zu tun, als ich das nächste mal vor die Tür gehe ist so dermaßen Frühling, das kann eigentlich garnicht sein, doch, sagt das Thermometer 16°C. Ich finds gut. Mittwoch morgen wieder Schneegestöber und kalter Winterwind aus allen Richtungen. Och nö. Geh doch zu Haaaauuuuseeeee duu alte scheeeeiße….

Aber immerhin, kurzes Vogelgezwitscher morgens und abends, merklich länger hell.

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Anruf der Pensionswirtin drei Häuser weiter, verschiedene Dinge haben sich in ihrem Belegungsplan geändert ob ich vielleicht… ? Eigentlich wollte ich erst im April wieder anfangen, aber ja, das geht. Spontane Saisonstart-Reinigung. Einmal Weihnachtsstern runter, Osterhase hin dauert drei Stundennur fürs Protokoll.

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Änderung der Streckenführung des Fahrradwandertags. Es wird kein Eis für 17 Leute in unserem Garten benötigt. Auf der anderen Strecke wurde eine Dornenhecke geschnitten und übelst Holz abgefahren. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich da jemand einen Platten holt liegt bei vorsichtig geschätzten 98,9%. Tja, wer das Abenteuer sucht…

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Da hatten wir tatsächlich zwei Wochen mal überhaupt keinen Kontakt, erst auf dem Weg zur Omma fällt mir das auf. Manchmal sieht sie den ganzen Tag lang niemanden, sagt sie. Tja, das kann ich gerade ganz gut aushalten, so leid es mir tut.

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Ein Berg an Muttizetteln liegt auf dem Esstisch, Wandertag, Kompo7, Girls day, windows-Kram. Ach, gäbe es doch nur eine Möglichkeit armen, überlasteten Lehrkräften die zeitaufwändigen Tätigkeiten des kopierens, der Verteilung, wieder Einsammlung und Kontrolle all dieser kleinen Zettelabschnitte zu erleichtern.

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Die dritte Runde Erkältung läuft an. Nicht so, dass man sich Sorgen machen muss, aber stören tut es doch. Halskratzen, Rotz, Gliederschmerzen, immer mal jemand anderes. Wann waren eigentlich das letzte Mal alle gleichzeitig gesund? So ganz allmählich müssten die Immunsysteme die Lockdownjahre eigentlich aufgeholt haben.

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Maikind guckt konzentriert aufs Handy, dass ist ungewöhnlich eigentlich spielt er morgens die paar Minuten, die er übrig hat mit dem Hund. Der Hund guckt mich vorwurfsvoll an. Ich weiß doch auch nicht was der da macht. Oh, sagt Maikind, er musste da noch gerade die Umfrage beantworten. Sein Kumpel plant den Vormetttag. Ich habs nicht so mit sozialen Netzwerken, bin aber bemüht, wenigstens meine whatssapp-Kenntnisse auf dem neuestem Stand zu halten. Was also ist die Umfrage-Funktion? Maikind erklärt es mir auf blödisch. In einer Gruppe kann jemand eine Umfrage starten und verschiedene Möglichkeiten zur Auswahlt stellen, beispielsweise Mettbrötchen/Mettbrötchen mit Zwiebeln/Fleischkäsebrötchen/Brötchen mit Fleischkäseaufschnitt. Wenn man dafür ist, klickt man drauf. Im konkreten Fall wird das als Bestellung gewertet, zwei Klicks entsprechen zwei Mettbrötchen. Verstehe. „Und dann am Ende fasst der Algorythmus das alles zusammen und schickt es an die Fleischerei?“, frage ich und meine es als Scherz. „Nee, leider nicht“, sagt Maikind und erklärt, warum und wie man lösen könnte. Äh jo, einfach programmieren ist für mich ein Widerspruch in sich, aber so ist es auch ziemlich praktisch, finde ich. Wir hatten ja nix, damals.

Nach den Ferien macht eine Schulcafeteria auf, dann darf man nichts mehr von ausserhalb bestellen. Schade eigentlich. Die Blagen haben ohne Cafetria viel gelernt.

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Eigentlich haben wir alle ausreichend Kürbisgerichte und Wintergemüse gehabt, diese Saison, Kochblockade. Der Liebste taut was auf. „Ich glaube, das ist garnicht zweimal das gleiche“, sage ich im Vorbeigehen. „werden wir sehen“ murmelt er, „warum haben wir sowas“ fragt ein Kind im Vorbeigehen, und versucht einen leicht angewiderten Gesichtsausdruck zu kaschieren, „weil wir restliches Essen nicht einfach wegwerfen“, sage ich, der Liebste nickt zustimmend „richtig“, „wir packen das in Gläser, tun es in den Froster, warten, bis keiner mehr den Hauch einer Ahnung hat, was es sein könnte, tauen es auf, stellen fest, dass es nicht mehr gut ist – und dann werfen wirs weg, ist viel nachhaltiger so“.

Leer, hinüber und ausverkauft KW9/10 2023

Den Weg zur Sockenschublade finde ich ohne Licht und nehme einfach irgendwelche. Im Bad öffne ich die Rollladen und blicke in eine Winterlandschaft. Fünf Zentimeter Schnee liegen schon und es schneit in dicken Flocken. Och guck, auf den Socken des Tages tanzt ein Lebkuchenmann mit Zuckerstange. Eigentlich ist März, aber ach komm geh weg.

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Dem Liebsten gehts nicht nur besser, sondern wieder gut. „Einfach so“, sagt er. Das freut uns natürlich alle. Aber „einfach so“ stimmt ja nicht. Die letzten sechs Wochen haben Spuren hinterlassen. Mein ohnehin schwacher Akku ist leer. Ganz dringend müsste ich mal eine Stunde alleine in einem Raum sitzen, vielleicht sogar anderthalb. Einen Film gucken, ohne dass jemand was von mir will, oder was lesen, oder was denken. Die Familie merkt, dass es mir nicht gut geht und reagiert fürsorglich. Muss denn noch irgendwas erledigt werden? Wäsche aufhängen vielleicht oder mal durchsaugen oder will ich vielleicht was trinken, brauche ich Gesellschaft, weil ich da so ganz alleine sitze? Der Hund wirft mir sein Spielzeug normalerweise schwungvoll vor die Füsse, wenn es ihm zu langweilig wird. Heute legt er es ganz leise neben mir aufs Sofa, wartet einen Moment, stupst es einen Zentimeter in meine Richtung, wartet, guckt so… Es ist kompliziert.

Der Liebste möchte mir eine Freude machen und erledigt in meiner Abwesenheit eine seit langem aufgeschobene Klempnerarbeit, fast. Es war klar, dass dieser Wasserhahn sich wehren würde, deshalb hat er direkt mit Kraft…ist dann abgerutscht und, was ich denn meine, ob er mit dem Finger zum röntgen? Wottsefack. „Äh, im Badezimmer ist die Spülung kaputt und im Gästeklo der Wasserhahn, sehe ich das richtig?“ ruft eine fragende Stimme von oben in den Hausflur. Jipp, genau so.

Dann, auf wundersame Weise sind tatsächlich alle mal unterwegs. Ich kann mehrere Arbeiten gleichzeitig anfangen, sinnig nebeneinander her laufen lassen und beenden. Wäsche zusammenlegen, nach oben tragen, in Zimmer verteilen schmutzige Wäsche nach unten tragen, saubere Wäsche, äh? hä?, die ist schon trocken? das kann doch garnicht… Oh ha. Jetzt isses soweit. Im geistigen Leerlauf hab ich einen kleinen, aber entscheidenen Zwischenschritt vergessen. Dreckwäsche wieder hoch tragen, vor der Waschmaschine auskippen, Waschmaschine öffnen, saubere Wäsche in den Keller tragen, aufhängen…

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Alle drei Kinder schreiben jeweils drei Klassenarbeiten diese Woche. Die Mädels sitzen schon eine ganze Weile lernend am Esstisch. Anscheind kann man sich im Hauptraum besser konzentrieren, als alleine am Schreibtisch. Maikind hatte tatsächlich mal Unterricht bis zur achten Stunde. „4,90 Euro kostet ein Cheeseburger jetzt, im Pommesgeschäft“, sagt er, ganz schön viel, wenn man gegenrechnet, wie lange man dafür Rasen mäht. Dann guckt er eine Weile vor sich hin. „Wir könnten ja mal eine Runde das neue Spiel spielen“, schlage ich vor. Jo, eine Runde, das würde wohl gehen, sagt er, und teilt aus. Ich gewinne, damit hatte niemand gerechnet, eine zweite Runde also. Der Liebste kommt von der Hunderunde zurück. Eine Runde würde er wohl mitspielen. Julikind verfolgt mittlerweile das Spiel, erkundigt sich nach Regeln, packt ihre Schulsachen ein, um mal eine Runde mitzuspielen. Märzkind verabschiedet sich Richtung Fitnessstudio. Wir könnten auch mit aufschreiben spielen, eine Runde. Zwei Stunden später hören wir auf, wegen Hunger, ist ja schon Abendessenszeit. Das war schön und hat allen mal gut getan. Uffpasse, hier kommt Werbung: SKYJO, ein unterhaltsames Kartenspiel, das logisch denkenden Taktikern und Chaosköpfen Spass macht, selten sowas, selber gekauft

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Elternchatnachricht am Wochenende. Vielleicht wäre es eine schöne Idee, zum Schuljahresabschluss einen Wandertag mit einer Übernachtung zu machen, da soll mal jeder seine Meinung sagen, bevor das in eine Planungsphase geht. Ganz kurz natürlich, also wirklich nur ganz kurz und sehr zeitnah, bitte. Übernachtung wäre im Camp der Sportjugend, Anreise per Fahrradtour und am Abreisetag könnte man die Eltern mit einbinden. Übersetzung: Jemand müsste eine Fahrradgepäcktasche von irgendwem ausleihen, das Fahrrad so herrichten, dass es offiziell verkehrstüchtig ist, den Fahhrradträger aufs Auto wuchten, das Kind mitsamt Fahrrad und Gepäck am morgen zur Schule bringen und am nächsten Tag woanders wieder abholen, zum Schnapperpreis von 65 Euro. Rücksprache mit dem Julikind. Wir erinnern uns beide noch sehr gut daran, dass es am Ausflugstag vor einem Jahr 42°C warm war, wenn das wieder so wäre, hätte sie keine Lust, ansonsten klingt das gut. Wenn niemand so richtig Lust darauf hat und ich das jetzt sofort in einem emoji entscheiden muss…Daumen runter. 6 weitere Daumen zeigen nach unten, 7 andere nach oben. Man darf gespannt sein. Julikind kommt von der Schule und freut sich. Den morgen, wenn der Wandertag ist, braucht sie gar keiner zur Schule bringen. Die Strecke führt quasi an unserem Haus vorbei. Man wird eine Pause machen und Eis essen, bei uns im Garten, und sie kann dann von hier aus mitfahren. „Eis für 17 Leute, dann, ne, Mama?“ „Äh, hä? Ja nee, sicher, kein Problem“. Es wird Sekt geben, an dem Tag, an dem ich den letzten Elternchat löschen kann, oder Whiskey.

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„Nu sag was“, sage ich und zeige auf meine Füsse. „Oh, neue Schuhe, garnicht gesehen…“ Der Außendienstler ist modisch maximal desinteressiert, die neuen Schuhe sehen genau aus wie die Alten, dass er trotzdem auf den ersten Blick einen Unterschied bemerkt, sagt eigentlich alles. Der Freundeskreis brauner Ökoschluffen kennt seine Mitglieder. „… was ist mit den Alten? War die schwarze Sohle schon runter?“ „Nee, nee, war noch die ganze Sohle schwarz, die Korkschicht ist rausgebröselt…“ „Nja“, sagt er in aufrichtiger Anteilnahme, „…wenn Kork bröselt isses soweit, da machste nix dran…aber, es ist doch immer ein Abschied“ So isses. Die neuen waren übrigens deutlich teurer als ihre Vorgänger, da merkt man mal Inflation und so… aber nützt ja nix.

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Im Baum vor dem Fenster sitzt ein Vogel, er bewegt den Schnabel und sieht fröhlich aus, als würde er zwitschern. Man hört aber nix. Das neue Fenster ist drin. Allmählich wird deutlich, wie kaputt das alte wirklich war.

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Wochenlang hat niemand nach Honig gefragt, ich muss tatsächlich mal im Keller gucken, ob noch welcher da ist. Punktlandung. Die letzten nicht reservierten Gläser verlassen das Haus. Dann innerhalb eines Tages, eine Anfrage per Telefon, eine an der Haustür. Es tut mir leid. Per whattsapp Status informiere ich die Welt, das wir leider ausverkauft sind, weil wir gar kein Schild mehr an der Straße haben, dass man abnehmen könnte. Ich hatte mit keinerlei Reaktion gerechnet und bin ehrlich überrascht. Es erreichen mich Nachrichten, von Leuten, die noch reservierten Honig haben und versichern, den zu holen (nicht, dass ich da Zweifel gehabt hätte), von Leuten, die geplant hatten, demnächst welchen zu holen und sich gerade über sich selber ärgern und erste Vorbestellungen. War sehr nett, hab mich gefreut. Sobald der Schnee weg ist gehts los.

durchgewurschtelt, KW 7/8 2023

Seit fast zwei Jahren suchen sie einen Termin und dieses Wochenende könnte es wirklich klappen, was ich denn meine, erkundigt sich der Liebste. Passt, freut mich, fahrt ihr mal ruhig. Maikind und der Liebste werden den Patenonkel besuchen. Märzkind hat am Samstag einen Auftritt und einen Thekendienst, Julikind hat ein Extra-Training wegen Gürtelprüfung, ähm jo, das ist ja dann schon irgendwie blöd für mich, wenn ich den ganzen Haus-und Hoftag alleine machen muss… allgemeine Betroffenheit. Aber da kann ich sie beruhigen. Ich werde nur das allernötigste machen, den Rest können sie dann selber. Leider ist nach einer Woche Matschwetter mit diversen Terminen doch einiges nötig.

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Samstag morgen: Küche aufräumen, Kaffee kochen, Waschmaschine voll machen, Spülmaschine ausräumen, erleichtert feststellen, dass Märzkind doch schon wach ist und die Hunderunde übernimmt, Tasse Kaffee trinken, Stühle hoch stellen, saugen und wischen, Stühle runter stellen, Hund füttern, Julikind zum Training fahren, einkaufen, Julikind abholen, Kartoffelgratin für drei Leute zubereiten – niedlich, so eine kleine Form, Wäsche aufhängen, Einkäufe verräumen, essen, wischen im Obergeschoss, Hunderunde. Ich freue mich über den sauberen Fussboden, als ich wieder reinkomme. Das Telefon klingelt. Der Liebste wollte nur mal Hallo sagen und fragen, ob ich denn den freien Tag genieße. Hallo, freut mich und äh? genießen? ist vielleicht nicht ganz das richtige Wort, aber, danke der Nachfrage.

Sonntag morgen ruft de Omma an, um mir mitzuteilen, dass die Hochzeitssuppen-Einlage, die ich ihr vom Einkaufen mitgebracht hatte „nicht essbar“ sei, also, sowas von nicht ihr Geschmack, das hätte man sich sparen können. Tja, da hat sie Pech gehabt. Sollen doch die Hühner den Rest essen, sage ich ihr, und wundere mich selber ein bisschen darüber. Wenn sich dreijährige theatralisch vor ein Süßigkeitenregal im Supermarkt auf den Boden werfen und „ichwillabba“ rufen macht mir das garnichts, aber hochbetagten-Pubertät kann ich nicht. Diesen Tonfall lasse ich mir nicht mehr gefallen, dann soll sie selber.

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Ich motiviere um baldigen Aufbruch:“nu aber! der Bus ist schon runter gefahren“, „der darf doch garnicht früher fahren“, sagt Julikind tiefenentspannt „regulär wäre der schon seit ner viertel Stunde weg, wenn der jetzt 5 Minuten eher fährt als „normal“ ist er immernoch 10 Minuten zu spät“ „oh shit, stimmt ja“ die Blagen laufen los und erwischen den Bus gerade noch so. Ich stehe in der Tür und bin ein bisschen stolz. Eine Freundin des Julikinds wird zur Bushaltestelle gefahren, die Mutterkollegin wendet und fährt dem Bus filmreif mit quietschenden Reifen hinterher. Wir haben uns alle an die Fahrplanänderung gewöhnt.

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Dieser Schultag war komplett sinnlos, sagt Maikind. Ich gucke fragend. Naja, komplett dann doch nicht, eine Stunde Unterricht hatten sie. Der Rest war gefüllt mit Arbeitsaufträgen und Vertretungs- irgendwas. Morgen genau das gleiche. Bei ihr auch, sagt Julikind. Die Paralellklasse hatte Heimstudientag, deshalb war der halbe E-Kurs nicht da und deswegen haben sie eigentlich auch garnichts gemacht. Natürlich sollen Lehrkräfte krank zu Hause bleiben. Ich beschwer mich nicht, ich gebe nur zu Protokoll. In acht Wochen sind Abschlussprüfungen. Niemand erwartet mehr besondere Vorbereitung. Aber, dass der normale Unterricht nach Stundenplan stattfindet, zumindest in den Hauptfächern, das wäre vielleicht schon schön gewesen. Für Deutschland.

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Der Liebste hat was, schon länger. Nach mehreren Facharztterminen und einem MRT (inklusive 3 Stunden Autofahrt, die man in Kauf nehmen muss, wenn man einen Termin vor Ende Mai haben möchte) kam heraus: doch nicht. Kaum zu glauben, aber gut. Vorsichtig nimmt er den Alltag wieder auf. Eine Erschütterung beim e-bike fahren, bäm, ab in die Notaufnahme. Ergebnis: entweder wird jetzt alles von selber wieder gut, oder es ist eine OP nötig. Ruhig halten, Ibu nehmen, abwarten. Nachmittags nochmal zum Hausarzt, krank schreiben lassen. Stimmung im Keller. Der Rest der Familie nimmt intuitiv die alten Routinen wieder auf… nach drei Tagen Ruhe ganz vorsichtiger Optimismus.

Maikind war bei der Einstellungsuntersuchung, alles tutti, damit gilt der Ausbildungsvertrag. Freude und Entspannung. Julikind pubertiert. Märzkind ist Geburtstags-raschelig, was einerseits ja schön ist, weil man ziemlich sicher sagen kann, dass diese Party wirklich stattfinden wird, andererseits, hach, die letzten drei Wochen vor einem „Kindergeburtstag“ halt… Der Hund leidet mit dem Liebsten.

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Der Schreiner ruft an, sie sind mit einer Baustelle früher fertig als gedacht und könnten spontan, morgen früh um acht, die Fenster einbauen. Gerne. Die Kinder und ich rücken Möbel. Ein Anruf um 7.30 Uhr. Der Schreiner ist auch Bestatter und wird leider heute vormittag woanders gebraucht. Um ein paar Tage kommt es jetzt auch nicht mehr.

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Anfrage für eine Übernachtung in der Ferienwohnung, touristische Zwecke. Die Wohnung ist über Winter stillgelegt und auch nur noch auf einer Monteurseite zu finden. Ich wundere mich kurz, mache aber ein Angebot. Die Dame am Telefon schluckt und muss mir dann „aber ganz ehrlich mal sagen, da haben sie hier in der Gegend beim letzten Mal aber DEUTLICH! weniger bezahlt DEUTLICH! und da war Frühstück mit dabei“. Das muss schon länger her sein. Ich schmunzelei innerlich ein bisschen, erkläre kurz die Zusammensetzung des Preises, und mich bereit, ihr die Telefonnummer der Pension drei Häuser weiter zu geben. Da sind die Gegebenheiten vielleicht anders. Nein, das brauche ich nicht, sagt die Dame, die Pension sei ausgebucht, an dem betreffenden Wochenende. Aha. Wir sind hier aufm Dorf. Wenn es sich um nette Stammgäste der Pension handeln würde, hätte mich die Wirtin angerufen. Tja, dann, viel Erfolg, bei der Suche, sage ich. Reicht für diese Woche.

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Ich hätte dann gerne 18 Grad, blauen Himmel, fröhliche Menschen und keine besonderen Vorkommnisse in den nächsten Tagen.

kleine Überraschungen, KW 7/2023

Ein Brummgeräusch in der Auffahrt. Es klingt wie – aber das kann eigentlich nicht sein, oder? – doch, tatsächlich. Ein Krokus steht da in der Hecke. Das erste. Das Einzige, sechs Bienen sitzen darauf. Und der Haselstrauch, „samma, sah der heute morgen auch schon aus?“, frage ich Maikind. Er überlegt einen Moment. „Nö. Heute morgen noch nicht.“ Ein Motorradhelm wird unter der Treppe vorgekramt, die Wäschespinne eingestielt und, wann wir denn angrillen wollen, werde ich gefragt… Frühling. Endlich.

Am Mittag des nächsten Tages, auf der Rückfahrt vom Städtchen, verdunkelt der strahlend blaue Himmel sich allmählich. Schleier ziehen über die Felder, nur wenige und vielleicht nur eingebildet. Ein paar hundert Meter weiter wird es grauer und kälter. So deutlich, dass man es sogar im Auto bemerkt, die sanften Schleier werden zu dichten Nebelschwaden. Dieser Nebel hat schon in Filmen mitgespielt. Es fehlt nur ein bisschen Musik.

Anderthalb Tage lang kann man die andere Straßenseite vom Fenster aus nicht sehen. Bitter, nach dem schönen Frühlingstag. Die letzte Mini-Hunderunde des Tages laufe ich hustend. Vermutlich verheizt wieder irgendwer einfach irgendwas. Dorfsmog.

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De Omma kocht wieder selber. Eine Woche ohne war erholsam. Der einkaufende und der Reste abholende Haushalt hätten gern noch eine Woche länger gemacht.

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Oooh, der Karton, den ich mal gerade so vom Schrank ziehen wollte, ist schwerer als gedacht, erreicht in einem Sekundenbruchteil den Kipppunkt und landet geräuschvoll auf irgendwas anderem. Ein kleines Plastikteil fliegt knapp an meinem Auge vorbei. Da ist auf jeden Fall nicht das drin, was ich dachte. Neugierig öffne ich den Karton und finde den Urahn unseres Laptops. Ich wußte garnicht, dass der noch da ist. Frage ans Maikind: Kann der so weg, oder muss da vorher irgendwas ausgebaut werden? Maikind weiß es nicht, würde den aber voll gerne mal auseinander bauen, nur für zum mal gucken. Er zeigt mir was mit 64MB, erklärt technisches. Ich nicke. Weiß ich ja, das war mal das Beste was es gab, einen Moment lang. Maikind lacht. Seit 2004 wird das nicht mehr herstellt… er hat 64GB jetzt… aber das Teil behält er, dann kann er allen zeigen, wie das früher mal war. Ein Alterungsmoment.

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Winterwandertag, die ganze Schule fährt am gleichen Tag nach Willigen. Es ist ein bisschen aufregend für die Blagen. Das Mutterherz freut sich immernoch über alles, was „wieder geht“. Julikind hat Schlittschuh laufen gewählt, Maikind schließt sich der Wandergruppe an, weil sein Kumpel hat Bänderriss und darf weder Schlittschuh noch Ski.

Wandern war gut, aber gab nichts zu essen. Das war nicht so gut. Beste Erbsensuppe war angesagt in einem Glas, wo Bockwurst oben rausguckt, darauf hatten sie sich gefreut, gab aber nix und irgendwie waren da echt viele Besoffene. Ok. Ich weiß von sie eingekehrt sind. Dieses Lokal ist Teil der kulturhistorischen Entwicklung der Region, keine Frage, aber- ich hatte tatsächlich gedacht, es gibt nichts mehr, womit mich die Schule noch überraschen könnte. Ich hab mich getäuscht. (bei Interesse einfach mal selbstständig *Erbsensuppe Willigen* googlen)

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Meim letzten Gottesdienst im Ort waren nur 5 Leute da und de Mudda ein bisschen traurig. Ich wollte sowieso mal hin, wenn nichts besonderes ist, und nutze die Gelegenheit. Och guck, war genau richtig, denke ich, nächste Woche kommt Predigt in Reimform, wegen Karneval. Um die Arbeit der Organisten mal mehr zu würdigen, wird die Gemeinde gebeten, sitzen zu bleiben während des letzten Stückes, das ja normalerweise zum Ausgang gespielt wird. Sicher, gerne. Ich kenne dieses Stück…aber von irgendwo anders… tja, weiß ich gerade nicht…Gedanken schalten in Leerlauf…’dupapaaa duppaaa super trouper lights are gonne blind meeeee supppaaapaaa’…boar neee, jetzt weiß ich, was das ist. Mein Hirn versucht verzweifelt das Eisköniginnenlied einzuspielen… den Greatest Showman soundtrack… aber es ist zu spät. Das geht jetzt bestimmt die ganze Woche nicht mehr weg.

Meilensteine und Situationen KW 5/6 2023

Sonnenschein! Herrlich. Ich hatte schon fast vergessen, wie blauer Himmel aussieht.

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Ich warte auf dem Beifahrersitz sitzend vorm TÜV, auf dem Armaturenbrett liegt eine Partytröte bereit. Märzkind klopft ans Fenster, ich soll rüber rutschen. Och nö. Nee, nee sie hat schon bestanden, sagt sie, aber den Fahrerlaubniszettel muss sie auf der Führerscheinstelle abholen. Es ist Freitag Mittag, zwölf Uhr. Dienstag abend erkundigt sich der Opa, wie es denn nun aussieht… ich hab keine aktuellen Informationen, gehe aber mal davon aus, dass sie den Zettel heute geholt hat…Märzkind kommt rein, ich übergebe das Telefon… „Jo, Opa, voll die scheiße ist das…“ Man braucht einen Termin. Wenn man die zur Terminvereinbarung angegebene Nummer anruft, landet man in einer Warteschleife, die länger dauert, als man sich im Schulalltag Zeit nehmen kann. Schrödingers Führerschein. Der Opa kümmert sich um einen Termin, ich fahre Freitag morgen extra ins Städtchen, folge dem fetten Schild, auf dem Führerscheinstelle steht, lese das kleine Schild an der verschlossenen Tür, auf dem „hier kein Eingang bitte Haupteingang nutzen“, gehe passiv aggressiv direkt über die Wiese, werde am Empfang, nennen wir es mal unhöflich begrüßt, und bekomme von dem anscheind zuständigen Mitarbeiter, der gerade durchs Foyer läuft und meinen Namen gehört hat den Zettel ausgehändigt. Die Tröte kam nicht zum Einsatz.

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Der Mitarbeiter, der mir den Zettel gegeben hat war auffallend freundlich. Zuvorkommend, könnte man fast sagen. Im rausgehen habe ich mitbekommen, wie er die zwei (dunkelhäutigen) wartenden jungen Männer angesprochen hat. Ich gehe mal davon aus, dass es da irgendeine Vorgeschichte gab. Das Freundlichkeitsgefälle war nämlich dermaßen krass, es könnte Rassismus gewesen sein. Auf jeden Fall war es unangemessen und ich hab mich im Namen des Landkreises geschämt.

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Als Wahlpflichtfächer hatte sie Kunst und Glück. Wie schön. Drei rührselige Sekunden gönne ich mir. Es ist das letzte Zeugnis, dass eine Muttiunterschrift braucht.

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Man darf wieder ohne Maske Bus fahren. Wer hätte gedacht, dass das mal nur eine Randnotiz im Alltag wird.

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Man hat bemerkt, dass mein Kind demnächst volljährig wird und würde deswegen gerne kein Kindergeld mehr zahlen. Es sei denn, das betreffende Kind besucht noch eine Schule oder macht eine Ausbildung. Dann müsste ich bitte diesen Antrag einreichen. Gerne. Äh? Die digitalisierte Form dieses Formulars besteht darin, dass ich es online ausfülle, ausdrucke, unterschreibe, und per Post schicke? Witzig. Ich fülle also die Papiere aus, die mir zugeschickt wurden. Habe ich für dieses Kind schon mal Kindergeld bekommen und wenn ja von wo? Ja, von euch ihr Heiopeis. Die Kindergeldnummer ist auf der Vorderseite des Formulars eingedruckt. Bürokratie bringt mich an nervliche Grenzen, diese Woche.

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Die Teilzeitnachbarin muss wieder nach Hause. Abflug in Frankfurt um 12.30 Uhr, damit sie sicher früh genug da ist muss sie um 6.05 Uhr am Zug sein. Ihre Mama soll im Dunkeln lieber kein Auto mehr fahren. Dass es hier morgens um halb sechs dunkel ist, hatte sie nicht bedacht, bei der Buchung, aber kein Problem, sie nimmt ein AS-Taxi, dachte sie. Zum Glück hat ihr die andere Nachbarin erzählt, dass man das im Voraus buchen muss. Vor sechs Uhr fährt nix, hat man ihr dann am Telefon gesagt. Tja, das war überraschend blöd, aber, weil die Situation nun mal ist wie sie ist, zahlt sie für die Reise was es kostet, in Australien sind gerade Sommerferien und Hauptsaison… nun hatte sie gedacht, wenn man bereit ist, für eine 15 km Fahrt über 40 Euro zu zahlen, darf man sich die Abfahrtszeit wünschen. Dem ist nicht so. Die Dame in der Taxizentrale hat gesagt, Freitag morgen kann sie eine Fahrt ins Städtchen um 5 Uhr anbieten, die kann sie nehmen oder nicht. Sie wird also eine dreiviertel Stunde Aufenthalt haben, am Bahnhof, das nächste mal fliegt sie wieder über Dubai, das ist einfacher, aber, was sie eigentlich sagen wollte, das Taxi wird vor unserem Haus halten. Ihr Haus ist von der Straße aus nicht zu sehen und sie wollte lieber nichts riskieren, nur dass wir bescheid wissen und uns nicht wundern. Überhaupt kein Problem. Morgens um fünf wundert mich nichts. Ein bisschen witzig ist es aber. Die Frau fliegt zweimal im Jahr um die halbe Welt, und das Abenteuer steckt in den paar Kilometern von hier bis ins Städtchen.

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De Omma sieht blass aus und ist insgesamt ein bisschen wackelig. Brombeergelee hat sie gekocht, heute, 24 Gläser von 6 Packungen Zucker, erfahre ich. Sie deutet auf den Küchenschrank. Tatsächlich. Da stehen die Gläser. Die Küche ist pikkobello aufgeräumt, nur der Entsafter steht noch auf dem Ofen. „Alles heute?“, ich bin beeindruckt, aber „wieso teilst du dir das denn nicht ein bisschen auf?“, frage ich, „heute zwei Ladungen, morgen zwei…?“ Die Oma guckt verwundert. Diese Möglichkeit ist ihr anscheind gar nicht eingefallen. Nee, nee, das habe sie sich vorgenommen und geschafft, sagt sie und ist ein bisschen stolz. Vorhin hat sie die Hühner reingelassen und auf dem Weg zurück zum Haus, da habe sie ganz kurz mal gedacht, vielleicht sei es doch ein bisschen zu viel gewesen, „aber jetzt geht es schon wieder“, sagt sie und beißt fröhlich in ihr Schinkenbrot.

Es war nicht vielleicht ein bisschen zu viel, sondern definitiv ziemlich. Am nächsten Morgen sind de Eltern leicht verhuscht. De Omma hatte morgens um vier angerufen, weil sie sich in einer Situation befand. Zum Glück nicht so schlimm wie befürchtet, aber aufregend war es doch. Ausnahmsweise wird sie heute nicht selber kochen, und, wenn wir ehrlich sind, den Rest der Woche wohl auch eher nicht. Mittagessen im Stile der frühen 60er Jahre, morgens um viertel nach elf – sowas kann von uns gar keiner. De Mudda improvisiert für heute und bestellt für die nächsten Tage Mittagessen im Nachbarort, ohne groß zu fragen. Wenn man den Namen des Nachbarorts so betont, dann meint man das dortige Seniorenheim. De Omma macht damit offiziell nicht mehr alles selber. Selbstverständlich nur diese Woche, sagt sie.

Chronisch krank sein ab mitte dreißig bietet einem die Chance, das „in Würde altern“ zu üben, stelle ich fest. Ich koche nie 6 Packungen Gelee an einem Tag.

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Die Honigkundin, der er einmal im Jahr einen Karton in den Keller trägt, hat jetzt einen Treppenlift, erzählt der Liebste. Total praktisch, das Ding. Einer beläd die Kiste im Keller mit Holz oder Eingewecktem, die andere nimmt es oben in Empfang. Niemand muss mehr irgendwas die hoch oder runter Treppe tragen. So machen wir das auch mal, später.

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Die Fenster, die in KW 45 eingebaut hätten werden sollen sind beim Schreiner angekommen. Sobald es 10°Grad hat werden die eingebaut. Juhu!

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Sonst war nix.

alltägliche Winterwoche KW4/2023

Sonntag morgen sind wir die ersten, die durch den verschneiten Wald spazieren. Aus Gründen. Es ist irgendwie doof kalt und trotz Schnee fühlt sich dieses Wetter grau an. So kann man aber mal sehen, was hier los ist, wenn keine Menschen unterwegs sind. Hasen können unheimlich weit hüpfen. Offensichtlich war er schneller als der Fuchs. Die kleinen Pfoten, vielleicht ein Eichhörnchen und die winzig kleinen, durch den Schnee gefrästen, das muss eine Maus gewesen sein. Neben uns murmelt ein Bach, normalerweise fließt da kein Wasser, aber es hat unheimlich viel geregnet, in den letzten zwei Wochen. Am Hang, ein Stückchen über uns aber kaum 10 Meter weit weg stehen zwei Rehe. „Samma, wollt ihr nicht weglaufen?“, fragt der Liebste in ihre Richtung. „Das sind doch immer die gleichen zwei“, sage ich, „wir sehen uns jeden morgen, irgendwo auf der Runde“. „Das ist ja wie bei Aschenbrödel, hier“, murmelt der Liebste.

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Schön, dass der noch fährt, denke ich Montag morgen, als ich zufällig um fünf Minuten vor acht den Schulbus am Haus vorbeifahren sehe. Da hätte es fast ein Muttitaxi gebraucht und – ich sags wies ist- dieser Montag kam plötzlich. Ich hab noch meine Schlafihose drunter.

Der Bus kommt jetzt später, erzählen die Blagen, irgendwas ist irgendwo gesperrt, die Schule weiß bescheid. Der Busfahrer hatte es durchgesagt, am Freitag, sie hatten das nur leider vergessen. Morgen gehen sie eine viertel Stunde später los. Abfahrt 7.55 Uhr, Fahrzeit etwa 15 Minuten, Unterrichtsbeginn 8 Uhr, mehrere Wochen. Es gab mal eine Zeit, da hätte die Schule die Eltern über sowas informiert und man hätte sich aufgeregt. Das ist lange her.

Märzkind braucht mit dem Bus morgens nur noch 20 Minuten bis zur Schule. Das AS-Taxi nach der achten Stunde fährt leider eine Schleife und braucht fast anderhalb Stunden.

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Der Hund liegt auf seiner Matte uns schläft. Gefühlt das erste mal seit zwei Wochen. Plötzlich wird mir bewusst, wie sehr mir das permanente Rumschleichen mit seufzendem Fiepen auf die Nerven gegangen ist. Er ist natürlich trotzdem mein Lieblingstier, aber die friedliche Stille ist erholsam. Gerade als ich den Gedanken zu Ende gedacht habe, kommt Maikind rein, setzt sich neben den Hundeschlafplatz. Wie schön das ist, ihn mal hier ratzen zu sehen, so ganz in Ruhe, sagt er, da hat man eine Sorge weniger, denn, wenn er ganz ehrlich sein soll, ist er ein bisschen aufgeregt, wegen seiner Prüfung….

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Jemanden früh morgens an einer Klinik abgesetzt, zwei Stunden später fröhlich Rest-sediert wieder abgeholt und einen halben Tag unter Beobachtung behalten.

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Ob er denn lieber von der Mama oder vom Papa zur Prüfung gefahren werden will, erkundigt sich der Liebste beim Maikind. Maikind sagt, dass sei ihm ehrlich scheißegal, Hauptsache er ist pünktlich da und muss vorher nicht mit Leuten reden. Alle anderen haben Unterricht in der Zeit, das heißt, in der Aula ist wahrscheinlich niemand, wir fahren also alle beide und Kickern eine Runde, während wir warten.

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Leute brauchen eigentlich viel weniger Weihnachts-Süßkram als Leute denken. Vier Wochen lang haben wir die selbst gekauften, geschenkt bekommenen und in anderen Haushalten übrig gewesenen Plätzchen, Lebkuchen, Weihnachtsmänner und sonstiges in Sternchenpapier verpacktes aufgegessen. Zum ersten Mal dieses Jahr steht Schokolade auf dem Einkaufszettel.

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Der Liebste hat Dienstjubiläum, ich bin auch eingeladen und freue mich. Das Essen schmeckt richtig gut, es gibt echte Servicekräfte, die Leute sind freundlich. Wenn mir vorher bewusst gewesen wäre, wer genau der Mann, der auf meiner anderen Seite Platz genommen hatte war, hätte ich mich vielleicht nicht so locker unterhalten. Der Chef vom Chef ist Fleischesser, Gladbach Fan und hat den ganzen Sommer versucht, einen Fischreiher, der zur Feierabendzeit über seinen Garten fliegt, zu fotografieren.

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Eigentlich konnte man an der Stimmlage der Durchsage schon merken, dass es keine Übung ist, sagt Märzkind, aber irgendwie sind doch alle davon ausgegangen. Dann kamen sehr schnell sehr viele Polizeiautos. Die Beamten alle in voller Montur und mit Hunden ins Gebäude… da haben ein paar Leute Nerven flattern bekommen. Die Lehrerin hat alle zum Rewe geleitet. Dort hat sie für die ganze Klasse Kekse geholt, von ihrem eigenen Geld, denn die meisten hatten ihre Geldbeutel garnicht dabei, „nur das allernötigste“, da nimmt man Jacke und Handy… Zwei Stunden hat es gedauert, dann durften sie zurück in die Schule. Es wurde nichts gefunden. Aber – es hat sich verdammt seltsam angefühlt wieder rein zu gehen. Bombendrohung hatten sie alle noch nie. Märzkind war mit der Organisation sehr zufrieden und hat sich insgesamt nur so mittel bedroht gefühlt. Ein herzliches Dankeschön an diese Lehrerin und natürlich an alle, die rein gegangen sind, als man noch dachte, es wäre ernst.

Sachen machen, KW 1-3 2023

Wenn man am zweiten Januar vormittags in der Hausarztpraxis anruft, ist der nächste freie Termin für eine Jugendschutzuntersuchung der 15. Februar. Tja, es ist, wie es ist, wir informieren den zukünftigen Arbeitgeber.

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Wir wollten schon ewig mal ins Kino, jetzt ist die Gelegenheit. Nur der Liebste und ich – und achtzig andere, der Saal ist voll. Wunderschöne Bilder, tolle Musik, aber, wenn es eine Handlung gab, hab ich sie nicht verstanden. Avatar zwei ist wie Avatar eins mit Wasser statt Wald, plus einem sehr langen Trailer für Avatar drei.

Möge dem Mann mit dem lauten Röchelhusten, der an meiner anderen Seite saß, der Löffel ins Müsli rutschen. In diesem Zustand gehört man zu Hause aufs Sofa. Immernoch.

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Das Schwimmbad im Städtchen ist so kalt, das es keinen Spaß macht, berichtet Märzkind. Wir fahren also ins Schwimmbad des Nachbar-Städtchens. Umkleiden, Fussböden, Duschen, Schwimmhalle, Nichtschwimmerbecken – es fühlt sich alles ganz normal an. Uuuuhhh, das Schwimmerbecken ist kälter. Ziemlich. Aber eigentlich macht das nichts, denn wer hier drin ist, schwimmt. Man reiht sich ein, in eine Bahn, die von der Schwimmgeschwindigkeit passt und schwimmt so lange, wie man Lust hat, einfach hin und her. Keine dümpelnden Aquajogger, keine tratschenden Rentnerclübchen in der Beckenmitte.

Nach einer Stunde haben die beiden kleinen Mädels Hunger. Während sie die Brotdosen leeren beobachten sie unauffällig aber interessiert die Damen, die sich zum Aquafitnesskurs einfinden. Fröhliche Genussmenschen, die seit Jahrzehnten auf einem Planeten mit Schwerkraft leben, total ungefiltert und alle sind nett miteinander. Geräuschpegel wie eine Klassenfahrt. Es ist tatsächlich unterhaltsam. Und ohne es zu merken, leisten die Damen einen großen Beitrag zur sozialen Entwicklung.

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Man öffnet mir die Tür. Märzkind hantiert mit ihrem Handy und ich sehe auf den ersten Blick, die Stimmung ist prächtig „Hiiii, da biste ja schon! Kannste ma gucken, ob da no irgenwo Blut ist?“ Nee ist nix. „Dann können wir ja jetzt gehen“, sagt sie. „Äh, du hast noch ne Nadel im Arm und bist an das Piepdings angeschlossen“ „Ah so, wir warten, bis es aufhört zu piepen?“ Ich sag mal ja und freue mich ein bisschen, die Sedierung war ihr Geld wert. Vor dieser Zahn-OP hatte sie ein bisschen Angst, wenn man ehrlich ist.

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„Samma, wie kam das eigentlich?“, frage ich den Liebsten, als wir kurz vor Mitternacht angeschickert durch den Garten gehen. Also, eigentlich waren wir zur Übergabe des letzten Weihnachtsgeschenks mit ganz anderen Leuten verabredet, das passte aber kurzfristig nicht, deswegen ist er laufen gegangen und auf dem Rückweg dem Nachbarn begegnet. Sie haben spontan beschlossen, den Apfelwein zu probieren, dann war jetzt. Hätte geplant nicht schöner sein können, dieser Abend.

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Ich schreibe eine mail ans Ordnungsamt, damit die einen Untersuchungsberechtigungsschein für die Jugendschutzuntersuchung ausstellen, denn es gibt keinen Bestell-Button oder so dafür. Als mir die Frau am Telefon erklärt hat, das sowas gebraucht wird, hätte ich fast gefragt, ob er die Unterputzfräse auch mitbringen soll, aber anscheind gibt es diesen Schein wirklich. Die Ausstellung ist auch überhaupt kein Problem, schon am Tag drauf liegt er bei der Stadt zur Abholung bereit, kostenlos. Mehrere Seiten normales, gedrucktes Papier, für den Laien sieht es fast so aus als könne man es in einen Email-Anhang packen und über verschlüsselte Verbindungen, so wie sie beispielsweise Arztpraxen oder Behörden nutzen, verschicken. Aber hej, ich hatte Zeit und war sowieso auf dem Weg.

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„kennste das, wenn man ungefähr 800 mal denkt, man müsste eigentlich mal… und dann kommt der Moment und man merkt, jetzt ist es soweit, jetzt macht man es wirklich… und dann freut man sich, weil man nicht mehr denken muss, man müsste eigentlich mal…“, frage ich Märzkind. Sie zieht fragend die Augenbrauen hoch. Ich hab den Keller gesaugt. War nötig.

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Die erste Woche des Jahres ist richtig gut gelaufen. Wir haben fast soviel unternommen wie im ganze Jahr 2021.

Die beiden nächsten Wochen lassen sich in einem Satz zusammenfassen. Der Hund war Weihnachten schon nicht ganz knupser, mittlerweile macht er mich wahnsinnig. 10 Weiber wohnen im Umkreis von 500m um uns rum. Das geht so nicht. Ich wäre bereit Maßnahmen zu ergreifen. Der Liebste ist strikt dagegen. Der Hund packt noch was drauf. Steinerweichendes heulen morgens um 6. Na gut, sagt der Liebste, das nervt tatsächlich. Ach was. Wir finden einen Kompromiss.

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Der Wolf war da. Ist über ein Feld gelaufen 10km von hier, es gibt ein Video. Helle Aufregung, ob wir denn keine Angst hätten, hier den Hund frei laufen zu lassen, werden wir beim Spaziergang gefragt. Nö, haben wir nicht. Der war übrigens schon mal da. Weiß ich von den Jägern, die wir damals, vor Corona öfter beherbergt haben.

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Die Freundin kommt vorbei, eigentlich wollte sie nur die Kinder absetzen, aber, wir haben uns dies Jahr noch garnicht gesehen und trinken einen Kaffee. Ich müsste dann mal mit dem Hund, vielleicht hat sie Lust, spontan eine Runde mitzulaufen? Jo, könnte sie. Als wir zurück sind, wäre es fast schon Zeit, die Kinder abzuholen, deswegen kommt sie einfach nochmal mit rein. Ohne Grund und Anlass einen ganzen Nachmittag durchgeschnuddelt. Schön wars.

Jahreswechsel 2022/2023

Das war ein lockeres Weihnachten, dies Jahr, dachte ich. Bisschen anstrengend natürlich, aber alles im grünen Bereich. Dann kam „der Tag danach“. Zusammengefasst kann ich sagen, beide Omas haben drei Tage feiern hintereinander nicht gut vertragen. Die eine mental, die andere körperlich. Nach einem seltsamen Nachmittag bin ich froh, dass ich abends aufs Sofa kann.

An die Berichterstattung dieser Höhlenrettung kann ich mich dunkel erinnern. Zu der Zeit war aber irgendwie viel los. Ich dachte, bestimmt wird das eh verfilmt, und hab es nicht weiter verfolgt. Der Liebste ist beim Fussball, die Kinder vor ihren eigenen Bildschirmen. Dieser Film ist wie gemacht für meinen heutigen Gemütszustand. Den ganzen Abend gucke ich Leuten beim Klettern im Dunkeln zu und fühle mich gut unterhalten. Ich hatte keine Ahnung, dass es in Deutschland eine so große Höhle gibt, so dermaßen unzugänglich, dass da noch niemand bis zum Ende drin war. Und ich wußte wirklich nicht, wie der Film ausgehen würde.

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Wow. Den Knall konnte man hier drin im Fussboden fühlen. Der Hund braucht nur eine halbe Sekunde vom Nickerchen-Modus in die volle Alarmbereitschaft. Ich gucke aus dem Fenster und rechne fast damit, einen Gullideckel vorbeifliegen zu sehen. Dieser Böller war definitiv nicht EU-konform, zumal die hier heute noch garnicht verkauft werden. Irgendwer hat anscheind was selbst gebastelt und war jetzt offiziell der Erste Idiot, Glückwunsch.

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„So, wie wars denn eigentlich, unser 2022?“, frage ich in die Runde. Tjaähmpff, man weiß es nicht. Irgendwie ist nichts richtig in Erinnerung geblieben. Mal überlegen. Gut, soweit. Obwohl, Corona war blöd, der Krieg in der Ukraine ist mehr als blöd, der Fuss, die Zahnsachen, es war brülleheiß und irgendwie alles teurer. „Also, was ich richtig gut fand“, zwei Tage vor Jahresende traue ich mich, es laut zu sagen, „es hat sich niemand umgebracht. Nicht in der Familie, nicht im Freundeskreis, noch nicht mal im Bekanntenkreis.“ Darüber freue ich mich, denn es war in den letzten sechs Jahren anders. Der Liebste macht ein Brummgeräusch. „Naja, gut. Zweimal dachte ich, dieses Jahr setzt noch einen drauf und ich finde jemanden… war aber nix.“ „einmal schon“, erinnert der Liebste, „natürliche Todesursache, das gilt nicht“, sage ich. Wir einigen uns darauf, dass es unterm Strich kein schlechtes Jahr war. Abonnieren wollen würden wir es aber eher nicht.

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Märzkind ist Sylvester natürlich irgendwo anders. Wo genau weiß gar keiner, stellen wir fest. Tja, ist dann wohl groß, das Kind. Maikind und Julikind bekommen beide Besuch. Man hört es eine Weile kraschpeln auf Flur und Dachboden. Zwei Gästebetten gleichzeitig waren hier schon ewig nicht in Gebrauch, man muss die Sachen aus verschiedenen Ecken zusammensuchen, aber das können sie selber, ich möge mir da bitte keine Umstände machen. Gerne. Der Liebste und ich bauen ein kleines Snackbuffet in der Küche auf. Zur Feier des Tages darf jeder essen wann und wo er will. Die Mädels packen sich giggelnd die Teller voll und verschwinden wieder. Die Jungs setzen sich zu uns an den Tisch. Das Zimmer besteht ja nur noch aus Schreibtisch und Betten „und also, nee, das möchte man dann doch nicht“, sagen sie. Freut mich zu hören. Wann wir das mit dem Bleigießen machen, fragen sie im Gehen. 23 Uhr, antworte ich, als ob es einen Plan gäbe. Der Liebste und ich gucken Fernseh und wundern uns darüber, dass wir garnichts müssen. „Das buchen wir nächstes Jahr genau so wieder“, sagt der Liebste. Zehn Minuten vor elf kommen alle Kinder runter und wir machen Zinkgießen, weil, niemand kann erklären, wieso man Bleigießen sagt, wenn es doch mit Zink ist. Blitze und Meerschweinchen im nächsten Jahr, man darf gespannt sein. Dann ist es schon fast soweit. Jacken an, Gehörschützer auf wer mag, Fernseher ziemlich laut stellen, damit der Hund sich keine Sorgen machen muss und ab in den Garten. Niemand hat eine Uhr, macht nichts, zwölf ist, wenn es anfängt zu läuten. Äh? In den Nachbarorten steigen erste Raketen, der Geräuschpegel ändert sich. Ein Nachbar läuft ins Haus und kommt winkend wieder raus. Feuer frei. Es ist eine schöne klare Nacht, man kann das Feuerwerk aus den umliegenden Orten sehen und es ist kein bisschen kalt. Um halb eins kommt der erste Besuch des Jahres durch den dunklen Garten. Wir fragen uns, wieso das wohl nicht geläutet hat und stehen so lange, bis die Blagen sämtliches Leuchtzeug in die Luft geschossen haben.

Der Tag danach fühlt sich an, als hätte ich übel gesoffen, dabei hatte ich tatsächlich nur ein Glas Sekt. Feinstaubbelastung durch Feuerwerkt gibt es wirklich. Ich hatte es fast vergessen.

Willkommen 2023!

Weihnachtsgeschichten 22

„Na, schon in Weihnachtsstimmung?“ Keine Ahnung, warum ich das ständig gefragt werde. „Nein, danke der Nachfrage“, wäre die ehrliche Antwort. Dieses Gefühl von nervlich am Ende und nach wochenlangem Wunschlisten abarbeiten aus vollem Herzen keine Lust mehr irgendwas zu konsumieren, hab ich dieses Jahr garnicht. Es geht mir gut. Ich ahne aber, dass die Leute was anderes meinen, wenn sie von „Weihnachtsstimmung“ sprechen und antworte mit unverbindlichem Gemurmel.

Endlich Ferien.

Anscheind bekomme ich jetzt diese Erkältung. Schnupfen und ein Gefühl von Watte im Kopf, weder krank noch gesund, Test negativ, mein Kumpel Ibuprofen hilft bei den letzten Vorbereitungen.

Fürs Protokoll: Das vorhandene Verpackungsmaterial hat locker gereicht für die ungefähr 45 Geschenke verschiedenster Größen, die ich verpackt habe plus alles , was die Kinder selber eingepackt haben. Ich sichte das übrig gebliebene und sortiere einiges Richtung Tonne. Geschenkverpackung bleibt auf der „nicht Einkaufsliste“.

Märzkind hat festgestellt, dass sie nichts festliches zum Anziehen hat. Stimmt leider, wir müssen tatsächlich nochmal los. Ich wappne mich für eine Fussgängerzone vollgestopft mit adventlicher Einkaufsaggression. Wir parken auf der großen Freifläche und laufen die paar Meter, weil ich davon ausging, dass das Parkhaus voll sein würde. Ist es aber vielleicht garnicht. In der Fussgängerzone begegnen uns kaum Leute. Im Klamottenladen sind ausser uns noch drei andere Kunden. Die Verkäuferin hat Zeit und Märzkind findet schnell was. Wir wundern uns. Ist der Ansturm schon durch? Nee, sagt die Verkäuferin, vor Weihnachten sei es hier sehr ruhig gewesen, manchmal war sie alleine, auf der ganzen Fläche. Das hatte ich ehrlich gesagt völlig anders in Erinnerung. Aber – ich gehe ja seit zwanzig Jahren in keine adventliche Fussgängerzone mehr rein, wenn ich nicht muss. Vielleicht passe ich die Strategie nächstes Jahr an. So macht es mehr Spaß als im November.

Heilig Abend lasse ich den Gottesdienst aus und gehe stattdessen mit dem Hund raus. Im Wald höre ich die Kirchenglocken und finde es von hier aus viel weihnachtlicher, als zusammengequetscht auf der Bank sitzend… Gummistiefel aus, Festtagsklamotte an, Lichter an, Geschenke hin und zack sind alle schon wieder da. „Weihnachtsgeschichte, 6 Lieder, fertig“, sagt der Liebste, wie bei Ikea am Buffet. Nach und nach kommen die restlichen Familienmitglieder an. Essen gibt es zum Thema „Österreich“, das wurde vorher ausgelost, jeder Haushalt bringt was mit. Schnitzel, Kartoffelsalat, Käseplatte und Linzer-Torte. Zwölf Leute essen schweigend, anscheind hatten alle Hunger, erst beim Nachtisch beginnen Unterhaltungen, und „haben wir jetzt echt anderthalb Stunden gegessen?“, meine Schwester macht leicht verwirrt einen Uhrenvergleich, jo, den Programmpunkt Gemütlichkeit haben wir so gleich mit erledigt. Bescherung ist ein riesen Gewusel, das soll so. Geschenke wurden gewünscht und mit Liebe gekauft, es gibt aber auch ein paar schöne Überraschungen, man ist zufrieden und fröhlich, wie im Bilderbuch.

Am ersten Feiertag gibt es Essen bei Schwiegermutta an festlich gedeckten Tischen. Wir haben uns alle länger nicht gesehen. Mühsam verkneife ich mir zu bemerken, wie groß die Blagen geworden sind. Ich habe ein sehr nettes Tischgespräch mit dem kleinsten Neffen. Er erzählt mir, welche landwirtschaftlichen Geräte er schon fahren kann und wir überlegen, welche Führerscheine er machen muss, damit er das auch auf Straßen darf. Dauert aber leider noch elend lange, bis dahin, sagt er, darf man ja frühestens mit 15. Er geht in die dritte Klasse. Dorfkind.

Vor der Bescherung braucht es hier ein Gedicht. Wuselig wird es trotzdem, einfach, weil es so viele Leute sind. Kaffee und Kuchen holt sich später jeder selber. Essen im Sessel ist erlaubt. Kurz vor Ende der Feier lässt sich die Oma des Hauses nochmal ganz dicht an den Weihnachtsbaum ranfahren. Andächtig schaut sie eine ganze Weile. Zum ersten mal, seit ich sie kenne hat sie nicht gesagt, dass sie nächstes Jahr nicht mehr da sein wird. Ohoh.

Ein Haushalt hat „Familiengeschenke“ gemacht. Kurz hatte ich ein schlechtes Gewissen, eigentlich bekommen ja nur die Kinder was. Später, zu Hause, stellt sich heraus, die Kinder haben von diesem Haushalt nichts bekommen. Möglicherweise habe ich da unwissentlich eine „wir-schenken-uns-nix“-Absprache untergraben? Nachfrage beim anderen Haushalt. Nein, es gab keine Absprache. Sie haben auch ganz normal Geschenke gemacht und ein Familiengeschenk bekommen. Muss man sich Sorgen um deren finanzielle Situation machen? Nein, da sind sich alle sicher. Wir versuchen es mit Humor zu nehmen, aber ehrlich gesagt fällt das immer schwerer. Wenn diese Art zu schenken Alkoholkonsum wäre, würde man von Auswirkungen auf das soziale Umfeld sprechen.

Am zweiten Feiertag hat die Oma aus dem Städtchen zum Festessen geladen. In diesem Restaurant ziehen wir den Altersdurchschnitt nach unten, man könnte meinen wir sind der Kindertisch. Es gibt sämtliche Weihnachtsklassiker zu essen. Nachtisch schafft niemand und das ist eigentlich schade, wenn man bedenkt, was die Oma hier zahlen wird. Das Buffet war so organisiert, dass man wirklich zusammen essen konnte. Fast alles hat richtig gut geschemeckt. So kann man das mal machen. Danach gucken wir uns den neuen 4D-Film im Nationalparkzentrum an. Das Foto von „alle Familie mit Papp-3D-Brillen auf“ wird wahrscheinlich in die Geschichte eingehen.

Cousinenbabys werden angekündigt, auf beiden Seiten der Familie. Über ein viertes Urenkelkind freut man sich, über ein 17tes auch, aber gelassener.

Pluseinskind geht auffällig unauffällig am Weihnachtsbaum vorbei. Ich gucke nach, grinse und schweige. Erst am Abend fällt es dem Liebsten auf. „Samma, wer hat denn hier?… das kann doch wohl nicht sein…ne Zecken-Kugel??? in unserem Baum??… der Junge traut sich was…“ Mögen die Spiele beginnen.

Der Glatteisregen-Tag

Der Liebste sieht die Elternchat-Nachricht als Erster und guckt mich fragend an. Wegen der Glatteisregen-Warnungen wird morgen kein Unterricht stattfinden, Weihnachts-Wandertag natürlich auch nicht. Von Glatteisregen weiß ich nichts, wir gucken die Spätnachrichten. Jo, da kommt Wetter, die Warnungen sind eindringlich, gut, dass er morgen frei hat. Maikind und Julikind freuen sich. Märzkind klickt sich ratlos von homepage zu hompage. Der Landrat bittet dringend darum, dass alle zu Hause bleiben, die allermeisten Schulen haben schon bekannt gegeben, dass morgen frei ist. Ihre nicht. Deutscharbeit morgen. Was tun? Abwarten.

Am nächsten morgen kurz vor sieben. Eigentlich wollte ich mit dem Hund bis an die Bank, der flitscht aber von der Treppe aus einmal quer durch die Einfahrt. Ich bewege mich vorsichtig bis zu den Mülltonnen, von da aus geht es bergab. Runter wäre überhaupt kein Problem aber, wie ich zurück kommen soll, ist mir ein Rätsel. Der Hund denkt, dieses Wetter wurde zu seinem Vergnügen aufgebaut. Er springt und schliddert fröhlich. Ausnahmsweise darf er in den Garten pullern, bis dahin kann man auch mit zwei Beinen einigermaßen gehen.

Drama gegen halb zehn. Die Schule des Märzkindes sagt, Glatteisregen-Warnungen enden um 11 Uhr, ab dann Präsenzpflicht oder Attest. Das ist ein Scherz, oder? Sonst fällt wegen jedem scheiß Unterricht aus. Märzkind muss diese Deutscharbeit eigentlich mitschreiben, die ist wichtig und nachschreiben wird nicht möglich sein, Weisheitszähne… Pluseinskind würde sie fahren, weil er es kann, sagt er. Der Liebste geht vor die Tür, checkt die Lage und sagt mit seiner Sicherheitsfachkraft-Stimme schlicht „Nein. Niemand sollte bei dem Wetter fahren.“ Ich rufe im Sekretariat an und teile mit, dass eine Teilnahme am Unterricht leider heute wegen der lebensgefährlichen Straßenverhältnisse nicht möglich sein wird. Und das ist kein bisschen gelogen.

Eine Klassenkameradin des Märzkindes kann die Schule theoretisch zu Fuss erreichen. Sie stürzt und verletzt sich. Die Klassenarbeit, die hätte geschrieben werden sollen, wird durch eine kleine Hausarbeit ersetzt. Es waren zu wenig Schüler anwesend. Abgabe bis Freitag. Da sind schon Ferien. Aber – hej – wenn Arbeitnehmer wegen höherer Gewalt ihre Jobs im Büro nicht erledigen können, machen sie die an Urlaubstagen zu Hause, ist doch so, oder?

Der Winterdienst fährt mit Schneeketten. Sonst ist stundenlang niemand unterwegs, noch nicht mal die Pflegedienste, und die kämpfen sich sonst bei jedem Wetter durch.

In jedem Raum ist jemand und ich hab sie auch wirklich alle lieb. Es wären allerdings noch Sachen zu erledigen gewesen, im ganzen Haus verteilt… und heute vormittag hätten eigentlich alle unterwegs sein sollen. Tja. Die Küche ist frei, Plätzchen backen stand auch auf der Liste. Lockdown-Modus.

Am späten Nachmittag schicke ich die Kinder mit dem Hund raus. Als sie wieder kommen ist die Stimmung völlig verändert. So richtig schön geschliddert sind sie, so schön, wenn man ehrlich ist, war es ein bisschen gefährlich, aber, das konnte man sich ja denken, deswegen hatten sie extra ihre Handys nicht mitgenommen, nicht dass da jemand drauf fällt, das war allerdings dann doch schade, weil, das ganze Eis, wunderschön, echt, man hätte tolle Fotos machen können.