Es geht wieder. Nicht gut und nur langsam, aber eine Teilnahme am Geburtstags-Kaffee trinken nachmittags scheint im Bereich des Möglichen zu liegen. Da hatte ich gestern noch nicht viel Hoffnung. Ich übernehme eine Elterntaxifahrt mit kleinem Einkauf während der Wartezeit, mache Kuchen fertig und bin danach eigentlich erledigt. Ein Hoch auf die gut sortierte Hausapotheke.
Gastgeben im eigentlichen Sinne kann ich nicht, aber es ist ja auch nicht meine Party. Nur so sitzen geht. Märzkind fragt, wie das denn losgeht, auf so einer Party. Man checkt ob alle da sind, sagt vielleicht kurz, dass man sich freut oder so und holt sich dann Kuchen, und es läuft. Anscheind sind alle da. Halt, doch nicht. Wer hat de Omma vergessen? Die Frage wird durch den Saal gemurmelt. Sie hat abgesagt, quasi in letzter Minute, sagt de Mudda. Hä? Wieso? Wegen Corona. Sehr merkwürdig. Dienstag hat sie noch drauf bestanden, dass jemand von uns Kuchen abholt. Wir konnten uns gerade so darauf einigen, dass sie eine Tüte an die Haustür hängt.
Sonntag morgen tut zum ersten mal seit langem nichts weh, beim wach werden. Der Kopf ist auch wieder klarer. Es fühlt sich nicht mehr an, als müsste man alles durch dichten Nebel denken. Leben in normaler Geschwindigkeit, herrlich. Ich freue mich richtig. Im Nachbarort ist heute Vorstellungsgottesdienst, da könnte ich mit Julikind hin. Brüderchen erkundigt sich in der Familiengruppe, ob wir denn alle an der Uhr gedreht haben. Hä? Nee. Zum ersten mal überhaupt hab ich die Zeitumstellung völlig vergessen. Spontane Planänderung…Gottesdienstbeginn in 10 Minuten ist nicht schaffbar, Kaffee also. Der Liebste wirkt leicht zerknittert. Er war länger auf der Party als ursprünglich gedacht, irgendwie sei ihm die Rolle des weisen Mannes zugefallen, Leute hatten Redebedarf, bis zwei Uhr stand immer jemand bei ihm am Grill, sagt er. Hunderunde schaffe ich noch nicht, aber ich könnte mal gucken, ob vom Salatbuffet noch was übrig/essbar ist.
Abgestandene Partys erzählen Geschichten und ich bin ehrlich gesagt neugierig. Es sieht bei weitem nicht so schlimm aus wie erwartet. Jemand hat sich für die kommende Saison der örtlichen Mannschaft verpflichtet, schriftlich, der durchgesiffte Bierdeckel ist wohl ein Dokument, den lass ich erstmal liegen. Anscheind trinkt man Fruchtsaft oder Eistee mit Korn, Bier ist jede Menge übrig. Auf einem der Tische liegt ein Haarreif mit Moosgummikrönchen und Schleier, der hat vielleicht idellen Wert, ich setze ihn auf, nicht das er weg kommt. Als ich den Kofferraum mit Salatschüsseln und Geschirr belade fahren Autos vor, oh, ist hier etwa Fussball, heute? Nee, sagen die Jungs, Auswärtsspiel, sie treffen sich nur hier. Ich bin erleichtert, frage mich kurz, warum die alle so komisch gucken, und mache weiter. Auf dem Weg zurück ins Gebäude weht mir der Wind einen Hauch von glitzerdem Polyestergeschmeide über die Schulter. Ach so.
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Alle räumen den Tisch ab. Auf dem Rückweg vom Kühlschrank ist ein knappes Gespräch unter Geschwistern zu belauschen Julikind: „Kannste mich mal von der Seite würgen?“ Maikind: „Samma, hackts bei dir?“ Gürtelprüfung, diese Woche, jeder ausser ihr ist sich sicher, dass sie das schafft.
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Weil wir jung genug sind um es zu können und alt genug um keine Kleinkinder mehr auf dem Schoss balancieren zu müssen sitzen wir an der Biergarnitur in der Küche. Aus dem Wohnzimmer ertönt eine schmissige Klingelmelodie. Wir gucken uns fragend an. Die Herrschaften, die da auf richtigen Stühlen um den Tisch sitzen sind eigentlich alle zu alt für Mobiltelefone. Als die Meldodie das dritte mal von vorn beginnt, seufzt Schwiegermudda leise und fragt sich murmelnd, ob denn die Tante wohl ernsthaft denkt, dass die Oma jetzt aufsteht und da hinläuft? In dem Moment kommt die Tante samt Telefon angelaufen. Diese Meldodie… ein Telefonklingeln… wie man denn abnimmt? Schwiegermudda nimmt das Gerät entgegen die Melodie endet. Kurze Erklärung was zu tun ist, sollte es nochmal vorkommen und wo das Telefon am besten liegt, damit alle es finden können. „Ok“, sagt die Tante, schon auf dem Rückweg „wenns grün leuchtet, einfach da drauf drücken“. „Nee“, sagt Schwiegermudda, „wenn es leuchtet auf grün drücken“, aber das kann die Tante schon nicht mehr hören. Drei Sekunden später wieder die schmissige Melodie. „Da klingelt doch was, da will doch bestimmt jemand gratulieren“, ruft die Oma, „ah, das gibt wahrscheinlich nix“, murmelt Schwiegermudda und geht der Tante hinterher. Ich fühle mich gut unterhalten, gebe mir aber Mühe, es nicht zu zeigen. Die Schwägerin stupst mich sanft mit dem Ellbogen und fragt leise, ob ich mich noch an die Serie „Golden Girls“ erinnern kann. Wir lachen, die Blagen verstehen nicht wieso und sind peinlich berührt. Die Oma des Liebsten feiert ihren 103. Geburtstag. Wer U70 ist sitzt am Kindertisch.
Ob er vorne sitzen darf, fragt Maikind, als wir uns auf den Rückweg machen. Jo sicher, hast Erster gefragt, sage ich. Die kurvige Strecke zurück muss sie üben sagt Märzkind, ich soll ihr mal die Schlüssel geben. Äh, das hatte ich ganz vergessen, aber wieso nicht. „Oh“, sagt Maikind, als Märzkind einsteigt, „das ist aber ungewohnt“. „Für mich auch“, sage ich. „Hä?“, fragt Julikind als sie hinten einsteigt, „wieso sitzt du hier? ach so… “ Die erste Kurve nimmt sie sportlich. „Uuuaa“, sagt Julikind, und hält sich an der Tür fest. Ich weise daraufhin, dass ich wahrscheinlich brechen muss, wenn Märzkind so jetzt den ganzen Weg. „Ruhe dahinten“, sagt Märzkind. „Hömma“, sage ich. Kind mit Führerschein ist schon toll, nur ungewohnt.
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Husten, Rotzenasen, Halsschmerzen, Müdigkeit, Gliederschmerzen, mangelhafte Nachtruhe, Zeitumstellung – alles viel besser als letzte Woche aber ach…
Ein herzliches Dankschön, für die Anteilnahme und Genesungswünsche, vonne Psyche her hat`s geholfen.
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Nachdem wir zwei Haus- und Hof-Samstage hintereinander ausfallen haben lassen, kann auch das ungeschulte Auge erkennen, wieso die nötig sind. Wer kann hauswirtschaftet ein bisschen. Von selber, ohne zu nörgeln. Deutliche vorher/nachher Effekte sind erkennbar. Bemerkenswert.
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Werbung für Heuschnupfenmedikamente erreicht mich. Ich blicke raus ins Schneegestöber und frage mich, was das wohl soll.
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Ob er sich ein Bier nehmen darf, fragt Maikind Donnerstag abend. Ja. Ob ich auch eins will? Ja. Im Vorbeilaufen stoßen wir an. Weil wir es können und weil für ihn jetzt die Ferien beginnen. „Heimstudientag“ ist das Fachwort für, „sind halt keine Lehrer da und es wären ja sowieso nur zwei Stunden gewesen“.
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Brüderchen hat anlässlich seines Geburtstags eingeladen zu Kaffee, Kuchen und Mettbrötchen. Man fragt sich, wann denn der Esstisch das letzte Mal so komplett ausgezogen war, es ist schon länger her. Ein gemütlicher Nachmittag in der Weihnachtsrunde. Es ist Geburtstagshochsaison, obwohl wir uns diese Woche schon mal begegnet sind, gibt es einiges zu erzählen. Nächstes Wochende kann jeder selber was machen, dann ist schon Ostern, stellen wir fest. Also, wenn es schneit oder in Strömen regnet, dann lassen wir Eierwerfen aber ausfallen, keine Lust mehr, auf dieses Wetter…wenn Gülle gefahren wurde auch, ansonsten gerne, und ruhig auch wieder Kuchen oder so, da ist man sich einig.