Tag 54 bis 57, Frau Kowallik und so

Am Samstag ist herrliches Wetter zum Wäsche trocknen. 4 Maschinen voll trocknen draußen und werden direkt auf dem Gartentisch zusammengelegt, danach Bügelwäsche und Sockenmemory und alles in die Schränke verteilen. Die anderen hauswirtschaften alle im Haus, es ist wieder viel liegen geblieben, diese Woche.

*

Abends sind wir alle eingeladen. Der Opa feiert seinen Geburtstag auf dem Hof. Es hat was von Außengastronomie, wir verteilen uns an mehrere Tische. Die, die systemrelevant arbeitenden versuchen, Abstand zu den vorerkrankten Omas zu halten.

Das ist aber nicht so leicht, de Omma will auf den Friedhof, Schitt ruppen (zwecks Grabpflege). Es zieht sich schon durch die ganze Woche. Der Vatta hat abgewiegelt, also ist jetzt meine Schwester an der Reihe. De Omma rutscht mit ihrem Stuhl so dicht ran, wie es geht und fragt, wann es ihr denn passt?

Das geht leider im Moment nicht, weil, man darf nur in einem Auto fahren, wenn man auch zusammen wohnt, sagt meine Schwester und zieht ihren Stuhl dabei bis zum Zaun. Ach, das glaubt de Omma aber nicht. Doch, doch sagt der Liebste, vielleicht würde es gehen, wenn sie bereit wäre im Kofferraum zu sitzen, scherzt er. Damit ist das Thema vorerst vom Tisch.

Kurz bevor de Omma nach Hause geht, setzt sie sich neben den Vatta und sagt, er muss sie auf den Friedhof fahren, morgen. Der Vatta murmelt. Das Märzkind bekommt es mit und weist ihren Opa darauf hin, dass morgen Muttertag ist, da wird er seiner Mutter doch wohl nix abschlagen. Der Vatta murmelt, das Märzkind grinst, ich auch.

De Omma ist zufrieden. „Ihr stellt euch aber auch alle an. Wegen so einem Virus. Den gibt es vielleicht im Ausland, aufs Dorf kommt der nicht.“

*

Sonntag morgen erhalte ich eine mail der lange verschollenen Englischlehrerin. Auf ihrem Schreibtisch stapeln sich die Mappen mittlerweile. Sie bittet darum, keine weiteren mehr abzugeben. Sie habe so viel zu korrigieren, es wird daher eine Weile dauern, dafür haben wir ja sicher Verständnis, und, wenn da jetzt noch mehr Mappen kämen, wäre das für den Ablauf hinderlich, die lassen sich nicht so komfortabel stapeln.

Nun, sie hatte vor den Osterferien eine Mappe in Auftrag gegeben. Seit letzter Woche gibt es die Möglichkeit zur Abgabe, die haben anscheind einige genutzt. Selbstverständlich habe ich Verständnis dafür, und entnehme die Blätter aus der Mappe, die ich extra auf dem Dachboden gesucht hatte, aus dem vom Maikind sorgfältig beschrifteten Register und tackere sie zusammen. Allerdings tackere ich auch einen Zettel mit an, auf dem ich handschriftlich mitteile, wie viel Verständnis ich genau habe.

*

Och, wo ich gerade eh dabei bin, schreibe ich noch eine Mail an die Deutschlehrerin. Leider weiß ich nicht ob, und wie sie bearbeitete Aufträge entgegen nehmen will, ich schicke ihr Fotos und teile mit, dass ich die Originale in der Schule abgeben werde. Es wird allerdings schwierig, das Kind zu weiteren Aufgaben zu motivieren, da ja seit Wochen gar keine Reaktion komme, füge ich hinzu.

Eine viertel Stunde später klingelt das Telefon. Die Deutschlehrerin. Sie habe sich schon gewundert, dass von uns nichts kam und hätte heute sowieso mal angerufen. Ob ich denn nicht in der Whatsapp Gruppe von Frau Kowallik sei? Nein, ich kenne gar keine Frau Kowallik. Aber, da leite sie doch die Arbeitsaufträge drüber weiter. Die Frau Kowallik habe gesagt, es wären alle da. Ich nicht. Vermutlich weiß Frau Kowallik nicht, dass ich existiere, und konnte mein Fehlen nicht bemerken. Naja, nun ist es eben so. Wir sind uns einig, dass es im Moment an vielen Stellen nicht optimal läuft obwohl sich wirklich viele Leute viel Mühe geben. Es ist eigentlich ein nettes Gespräch. Ich hab eine Rückmeldung und sie kann jemanden von der Liste der unerreichbaren streichen.

*

Ein Lesetagebuch wurde soeben beendet. Unter anderem musste jedes der 28 Kapitel kurz zusammengefasst werden. Die letzte Seite ist nicht mehr zu finden. Ich suche konzentriert nach der Datei und bemerke das Drama erst, als es schon ein Schluchzen ist. “ Das ist nicht weg“, versuche ich zu beruhigen, es nützt nur nicht viel. Ein Buch, das eigentlich sogar gern gelesen wurde, endet kurz vorm Nervenzusammenbruch. Lesetagebücher sind wie Dementoren.

*

Montag morgen holen wir einen Stapel Kopien in der Grundschule ab, hauptsächlich um mal zu schauen, wie es da denn aussieht. Der Gruppentisch wurde entfernt, die anderen Tische verteilt. An jedem Tisch ein Namensschild und das Unterrichtsmaterial steht auf dem Platz, der frei sein wird. Die Lehrerin begrüßt mit Maske und erklärt kurz, wie es dann Montag laufen wird.

Es sieht nicht so aus, wie sie gedacht hätte, sagt das Julikind, dann freut sie sich doch.

*

In der anderen Schule lasse ich mir die Abgabe der Englischaufgaben im Sekretariat quittieren. Alle anderen Stapel legen wir einfach in den jeweiligen Bereich ab. Obwohl das Maikind und ich aufmerksam und mehrmals gucken, finden wir keinen Arbeitsauftrag zum Thema Indianer, den die Deutschlehrerin hier ablegen wollte. Dann. Eben. Nicht. Fertig.

*

Als wir das Gebäude verlassen weht uns ein kalter Wind Schneegrisel ins Gesicht. Was soll das denn? Wir haben doch vorgestern noch abends um neun im T shirt draussen gesessen?

*

Hausaufgaben, Hausaufgaben, Hausaufgaben, Hausaufgaben, aufräumen, kochen, aufräumen, Hausaufgaben

Mal eine halbe Stunde, in der ich nichts soll und mich niemand anspricht, das wäre schön.

*

Dienstag morgen kommt der neue Stundenplan für die vierten Klassen. Montags 1.-4. Stunde Unterricht, dienstags Heimarbeit, mittwochs 1.-4. Stunde Unterricht, donnerstags Heimarbeit, freitags online Unterricht, zwei Schulstunden. Beide Klassengruppen werden vom gleichen Lehrerteam unterrichtet. Ich verstehe jede einzelne Überlegung, die dahinter steht. Es ist wirklich die bestmögliche Lösung für alle.

*

Natürlich bin ich bereit, den Bildungsauftrag in Heimarbeit zu übernehmen. Es handelt sich dabei um qualitativ hochwertige, systemrelevante care-Arbeit, die ich in diesem Umfang natürlich nicht ehrenamtlich leisten kann. Dafür hat der Steuerzahler sicher Verständnis.

In diesem Sinne: Seid frech und wild und wunderbar!

Tag 46 bis 48, es regnet

Endlich Regen, vorerst eine Sorge weniger. Der Wald riecht wieder nach Wald, es macht ein Geräusch, wenn der Hund auf die Wiese rennt um die Frisbee zu fangen, weil das Gras auf einmal so lang ist. Die Rapsfelder sind grell gelb und auch nach acht Wochen bringt mich die Fernsicht noch zum Staunen.

*

Grundschule läuft. Das Material war etwas anders, weil ja beinah Schule gewesen wäre, aber kein Problem.

Online Unterricht war in der letzten Woche fast genauso blöd wie gar kein Unterricht. Es ist in dieser Form hoffentlich noch in der Findungsphase.

Beim Maikind wollte schon die zweite Woche in Folge eine Mathelehrerin Ergebnisse haben. Sie meldet sich auch mit Korrekturen schnell zurück. In diesem Kurs sitzen normalerweise 31 Kinder. Das wirft natürlich die Frage auf, was aus den anderen Lehrern geworden ist. Die verschollene Englischlehrerin hat von sich aus eine nette mail geschickt. Einige der Informationen hätten mir vier Wochen früher noch mehr geholfen, aber immerhin. Man liegt anscheind gut in der Zeit, weil in diesem Jahr ja sonst nichts mehr stattfinden wird (Klassenfahrt, Sportfest….). Ihr wäre es auch wichtig, dass die Kinder in dieser Situation glücklich sein können, daher erstmal kein Termindruck. Das Kind sagt, am glücklichsten wäre es ganz ohne Englischaufgaben. Wir finden einen Kompromiss. In Deutsch kamen bis jetzt nur zwei umfangreiche Aufgaben. Da auf den ersten, nur zum Teil geschafften Auftrag, bisher keine Reaktion erfolgt ist, wurde die Arbeit am zweiten vorsichtshalber noch nicht angefangen. Die Lehrerin ist normalerweise sehr zuverlässig und organisiert, aber „wenn die tot ist, kontrolliert das doch sonst eh keiner.“ Was soll ich dazu sagen? Der Junge hat recht.

*

In der Speisekammer habe ich zwei Gläser Stachelbeeren gefunden, die in 2016 abgelaufen sind. Leider hat die sensorische Überprüfung das bestätigt, es gab Pflaumenkuchen.

Ich dachte, damit sei ich die Königin der Chaoten, aber meine Schwester besitzt eine Dose Erbsen und Möhren, die schon beim Einzug in die Wohnung (vor acht Jahren) abgelaufen war. Ob die schlecht ist, wird man dann sehen. Respekt.

*

Zwei Ameisen laufen über die Arbeisplatte neben der Spüle. Es sind immer nur zwei und sie sind sehr klein. Unmöglich zu sagen, woher sie kommen oder was ihre Mission ist. Ich habe sie schon den Abguss runter gespült, mit dem Biomüll rausgetragen und eingesaugt. Ich bleibe dran, die planen doch irgendwas.

*

Der Kleiderschrank des Maikindes sah aus… Wir haben ihn einmal komplett ausgeräumt und bei der Aktion direkt alles draußen gelassen, was nicht mehr passt.

„5 Tshirts? Wenn die Läden öffnen müssen wir dann mal einkaufen.“

„Hää? Wieso? Eins ist in der Wäsche, eins liegt im Bad, eins hab ich an, sind doch noch zwei im Schrank.“

Auch gut. Ich nehme mir vor, diese Tshirts einfach immer zu waschen, egal bei welcher Farbe. Mit Maske Klamotten kaufen ist blöd und bestellen geht nicht, weil das Kind gerade keine Normgröße hat.

*

Die Mädels finden auf dem Dachboden eine Kiste Klamotten, die alle noch top sind, weil das Märzkind auch so schnell gewachsen ist. Das Julikind freut sich. Der Kleiderschrank wird auch neu sortiert.

*

Bei solchen Aktionen altere ich schneller als an Geburtstagen.

*

Die Hausarztpraxis hat mich angerufen und um einen Termin gebeten. Seltsam, ich hoffe das heißt nix. Das ist schon der zweite Eintrag im Kalender für Mai.

*

Ich schreibe eine Trauerkarte. Es ist schon die zweite Trauerfeier im lockdown. Bei Geburtstagen haben wir mittlerweile eine Routine, da gilt die Parole „alles wird gut“. Worte zu finden, für Leute, die alleine trauern müssen fällt mit schwer.

*

Nächste Woche werden wir Möglichkeiten finden, das die Kinder Freunde treffen können. Vielleicht nur einzelne Freunde und nicht so lange und draußen, irgendwie, irgendwo, aber jetzt.

Tag 39 und 40

Ein kurzer Blick auf den Kalender, ja, es waren tatsächlich nur zwei Tage.

*

Hausaufgaben liefen beim Julikind gestern sehr zäh. Vor lauter Vorschul-kribbeln fühlt sie sich unvorbereitet, weiß nicht, womit anfangen, was ist am dringendsten, was wird abgefragt werden? GAR NICHTS! Sie glaubt nicht dran, kann sich auch keine Vorstellung vom Ablauf machen. Ich erkläre was ich weiß.

*

Bei der Krankengymnastik stellen wir fest, dass selbstgenähte Masken auch nicht passen können. Die Pysiotherapeutin näht auch für die Verwandschaft, im Moment und kennt das. Wir fachsimpeln ein bisschen, sie kopiert uns ihren Schnitt.

*

Das Märzkind installiert jede Menge Zeug. Heute morgen gab es eine Einweisung ins online Klassenzimmer. Montag morgen um neun geht das dann los. Ob das eine Verbesserung wird, werden wir sehen. Wir hatten immer erst um zehn angefangen.

*

Die Mathelehrerin des Maikindes ruft an, um mal zu hören, wie es denn klappt. Es könnten jetzt bearbeitete Blätter abfotografiert oder hochgeladen werden, wenn Korrektur gewünscht ist. Lösungen seien in der Email, falls Eltern da lieber selbst… „Nein, nein, wenn Sie das machen wäre mir sehr geholfen.“ Mathe ist ein Selbstläufer in diesem Fall, siebte Klasse könnte ich zwar, aber wenn ich nicht muss… Selbstverständlich, deswegen meldet sie sich ja. Herzliche Grüsse ans Kind.

Das Kind strahlt. „Das sich mal jemand dafür interessiert, wie es bei uns so läuft, das ist aber schön“. Tatsächlich hänge er an einer Stelle, wenn er da was schicken soll, dann müssten wir mal. Nach zwei Minuten ist das Problem gelöst und ein frisch motivierter Schüler macht eben den Rest noch fertig.

Es war tatsächlich das erste mal, das sich jemand nach dem Verlauf erkundigt hat, in Woche vier des Hausaufgaben-Marathons. Das ist mir in dem ganzen Gewusel bisher nicht aufgefallen.

*

Die Grundschulklassenlehrerin schickt Informationen zum Schulbeginn und eine aktualisierte Schulordnung. Mundschutz wird dringend empfohlen, ist aber keine Pflicht. Bitte unterschrieben am Montag mitgeben.

*

Zeitgleich erreicht mich eine Nachricht im Elternchat, ob wir denn gehört hätten? Montag keine Schule für die Viertklässler.

Hä? Ich vermute einen Scherz. Aber anscheinend hat man schon gehört.

Es ist zwanzig vor eins, kurzentschlossen rufe ich im Sekretariat an und komme durch. Die Dame seufzt. Sie hat noch keine Infos, solange nichts offizielles ankommt, ist Schule.

Um eins ist man sich im Radio schon sicher, definitiv keine Grundschule. Irgendeine Vierklässlerin hat geklagt, weil es die totale Ungleichbehandlung von Grundschülern wäre, wenn die einen gehen müssen und die anderen nicht. Bäm! Ich find’s cool, weil ich in der komfortablen Lage bin, mir das leisten zu können. Wer am Montag mit vier Stunden Betreuung kalkuliert hat ist jetzt gekniffen.

Hin und wieder macht man sich Gedanken um die Hartz4 Kinder, dass es auch Grundschüler gibt, die seit Wochen nur von Akademikern umgeben sind, hatte ich nicht bedacht. Da kann der DFB nur hoffen, dass von den Blagen keiner Handballfan ist, oder Eishockey, oder Basketball.

Die Webseite der Schule bleibt dabei, Montag ist Unterricht für die Abschlussklassen und die vierten.

*

Kochen, Wäsche aufhängen, essen

*

Die erste Elterntaxifahrt zum Spass, seit Wochen. Das Märzkind trifft sich mit einer Freundin. Spazieren gehen. Große Freude.

*

Wenn ich dann eh im Städtchen bin, kann ich auch einkaufen. Zum vorerst letzten Mal ohne Maske.

Ich wüßte nicht, das ich jemals ein Haar im Mund gehabt hätte, beim Einkaufen, vor Corona. Jetzt, wo ich mir auf keinen Fall ins Gesicht fassen will, schon das dritte mal.

*

Während ich weg war haben die Kinder gesaugt und die Spülmaschine ausgeräumt. Jeder muss jetzt jeden Tag „was für die Allgemeinheit machen“. Das ist unterm Strich keine Zeitersparnis, weil ich dauernd irgendwas suche, was normalerweise einen Platz hat, und in guter Absicht aufgeräumt würde, aber ich plane da längerfristig.

*

Wo sie einmal dran sind, tragen mir die Kinder noch den Einkauf rein. Ich räume und räume und räume, an verschiedene Orte im Haus.

*

Die Kinder nehmen den Hund mit zum Opa, der will den Gartenschlauch in Betrieb nehmen. Ein Freizeit Highlight.

*

Ich sehe einen Moment der Ruhe am Horizont, dann fällt mir auf, dass ich vergessen habe, das Maikind zum Konfirmandenunterricht anzumelden. Normalerweise hätte es da einen Elternabend gegeben. Drei Sätze auf einen AB gesprochen und fertig.

*

De Omma ruft an, erzählt von ihren Gartenarbeiten und von ihrem Spaziergang. Dabei fällt mir ein, dass ich doch für heute eigentlich zum Streiken angemeldet war, Klima ist ja auch noch. Mist, da bin ich gar nicht zu gekommen.

*

Die Vertretungplan app meldet eine neue Nachricht. Sieht auf den ersten Blick aus wie die alte Nachricht, nur zwei Sätze wurden aktualisiert. Am nächsten Montag findet Unterricht für die Abschlussklassen statt. Die vierten Klassen und alle anderen bleiben zu bitte zu Hause.

*

Für 18 Kinder waren zwei Räume und fünf Lehrerinnen eingeplant. Den Rest können wir uns zusammenreimen.

*

Märzkind im Städtchen abholen, Tisch decken, essen, aufräumen, Spätburgunder

Tag 2

Das ich keine Ahnung von der französichen Revulotion habe wußte ich. Das es aber noch viel mehr Revolutionen gibt, mit denen ich mich nicht auskenne ist mir neu.

„Worin unterscheiden sich die Märzrevolution und die Septemberrevolution in Berlin?“

„Ähm, spontan würde ich vermuten, eine fand im März statt und eine im September.“

„Boar, nee, Mama, weißte. Die Frau Geschichtslehrerin die interessiert sich wirklich für sowas. Die weiß solche Sachen. Ich glaube die macht das gerne, dass muss ich schon richtig machen.“

„Du hast doch ein Buch, wenn das die Aufgabe ist, wird es da wohl drin stehen.“

„Steht nix, gar! nichts!“

„Dann Google.“

*

Ich war nebenbei noch damit beschäftigt rauszufinden, wie PowerPoint auf unserem Tablet funktioniert. Anscheind anders als in der Schule am PC. Da ich vorher aber noch nie irgendwas mit PowerPoint gemacht habe, kann ich natürlich keine Unterschiede feststellen. Es enstanden Dialoge wie bei Loriot.

*

Das Märzkind ist mit den Nerven runter. Sie versteht beim besten Willen ihre Arbeitsanweisung nicht, und reicht mir ihr Handy: Es ist die Botschaft eines Akademikers, der sich erkennbar Mühe gibt, aber leider kein blödisch spricht: Wegen Überlastung des Schulportals wurde eine Subdomain eingerichtet und die Aufgaben aus datenschutzrechtlichen Gründen passwortgeschützt für jede Klasse einzeln hinterlegt. Gerne können die Schüler ihre bearbeiteten Aufgaben zusenden. Sollten Sie sich einverstanden erklären, könne man die dann für alle anderen sichtbar machen, übrigens auch Videos, so könne eine Unterrichtsatmosphäre entstehen, obwohl man sich nicht begegnet. Bleibt gesund.

„Samma, der ist aber doch kein Religionslehrer?“

„Doch, sicher. Aber ich glaube der hat Physik studiert, oder so.“

*

Die Mathelehrerin, die mich auch im normalen Alltag beschäftigt hält, teilt mit, sie habe die Aufgaben auf die Plattform geladen, die da schon seit Stunden abgeschmiert war. Lösungen im Email-Anhang. Die Email hat keine Anhänge. Über Klassenlehrerin und Klassensprecher landen die Lösungen im Klassenchat. Die Lösungen haben wir also, bleibt das Problem.

*

Nachmittags waren wir im Wald. Trotz Frühlingseinbruch habe ich bemerkenswert viel Luft. Erst oben auf dem Berg ist mir aufgefallen, dass ich keine Medikamente gebraucht habe, für den Weg. Sechs Leute sind uns begegnet.

Der Hund ist mehrmals hoch und runter gelaufen. Weil er’s kann.

Es wurde eine Reisewarnung für die ganz Welt ausgesprochen. Der Liebste stellt sich innerlich auf dieses sonderbare „frei haben“ ein.

Kein einziger Kondensstreifen. So blau war der Himmel nicht mehr, seit dieser Vulkan auf Island ausgebrochen war.

Der Theaterabend hatte ein upgrade von „abgesagt“ auf „verschoben“. Verschoben wurde auch Käthes fette Party zum hundertsten. Frisch abgesagt wurde das Osterfeuer. Wir planen eine private Alternativveranstaltung mit Feuerkorb und den Holzresten aus der Garage. De Omma hat für nächste Woche Klopapier auf dem Einkaufszettel stehen.

*

Es ist still im Ort. Noch stiller als normal. Wenn man hört, dass jemand Altglas einwirft möchte man ans Fenster gehen, um zu gucken, was denn los ist.

Altglas

Morgens, kurz vor sieben. Eine erste Weck-Runde habe ich absolviert, ein Kind ist schon im Bad. Ich ziehe den Rollladen hoch und schaue hinaus. Um diese Jahreszeit sollte eigentlich der Schnee leise rieseln. Statt dessen pfeift der Wind ums Haus und Regen klopft an die Fensterscheiben. Schitterich, nennt man diese Art von Wetter hier. Normalerweise würde ich das zur Kenntnis nehmen und weitermachen. Aber heute gibt es was zu sehen.

Das Kinderzimmerfenster hat Ausblick auf zwei Altglascontainer. Gerade ist der Entsorgungs-LKW vorgefahren. Da das Haus ein Stück höher am Hang steht kann man von hier aus nicht nur den LKW sehen, sondern auch oben rein gucken, während der Glascontainer geleert wird. Wir wurden schon oft um diese herrliche Aussicht beneidet, damals, zu Kindergartenzeiten. Mich persönlich fasziniert es eigentlich nicht so. Aber gleich gibt es was zu sehen. Ohhauahauaha – der Container auf dem LKW ist voll und ich weiß, das der Altglascontainer auch gut gefüllt ist.

Ein Mann in orange steigt aus, stellt sich auf diese kleine Arbeitsplattform und nimmt den Kranarm in Betrieb. Es ist wirklich ziemlich windig. Vermutlich werden die Scherben, die es gleich in die Landschaft regnen wird meterweit verweht. Wahrscheinlich werde ich den ganzen Sommer Schnittverletzungen versorgen und Fahrradreifen flicken.

Der Mann in orange bemerkt das Wetter, weil der Kran ein bißchen schwankt. Er zieht seine Kapuze über und steuert den Kranarm mittels Joystick dann genau über dem größten Altglasberg im LKW. Krach! Ein präziser Schlag und der Glasberg ist einen Meter niedriger. Das gleiche passiert zwei Meter weiter. Dann wird der Altglascontainer hochgenommen und sehr langsam geöffnet. Das Glasscheppern, das diesen Vorgang normalerweise im ganzen Haus hörbar macht ist heute nur ein quietischiges Schleifen. Der Container wird zugeklappt, und zwei Meter weiter mit chirurgischer Präzision der Rest ausgeladen. Respekt! Ich frage mich, ob es eine Weltmeisterschaft der Stadtwerker gibt. Das hätte durchaus Unterhaltungswert.