Rosen aus Salami, KW 20/2023

Zwei leere Flaschen stehen neben der Kaffeemaschine. Ohne groß drüber nachzudenken packe ich sie ein und bringe Milch mit, von der Hunderunde durchs Feld. Äh, im Kühlschrank stehen noch zwei fast volle Flaschen. Merkwürdig, aber, wenn man so darüber nachdenkt, die zwei, die hier so regelmäßig mitessen, dass es Teil der Einkaufsroutine ist waren alle beide schon länger nicht da. Vielleicht läuft das Vor-Ferien-Chaos schon an.

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Oh, oh, für zwei Sekunden sieht es so aus, als würde ich gleich einen riesen Scherbenhaufen geliefert bekommen. „Müssen se n bisschen aufpassen, damit, die Palette ist im Arsch“, sagt der Lieferant. Er hat da eine von seinen noch mit drunter gepackt, sonst hätte man das garnicht transportieren können. Das ist nett. Ich hole mir die Schubkarre und mache mich daran, die Kartons von der Bordsteinkante in den Keller zu verfrachten. Nach zweimal hin und her ziehe ich mir Sportklamotten an, schwülwarme 26 Grad, morgens um elf, ausgerechnet heute, die Wolken werden immer dunkler, es grummelt. Nicht nur das Wetter. In die Kartons, in denen bisher geliefert wurden, haben wir nach der Ernte die vollen Honiggläser wieder reingepackt. Die Kunden nehmen die Kartons mit, quer durchs Land und bringen im Lauf des Jahres leere Honiggläser darin zurück. Ein Mehrwegsystem, quasi. Wo früher riesige Tackernadeln stabilen Kartonboden zusammenhielten, sind jetzt Klebebandstreifen auf wabbeliger Pappe. Diese Verpackung wurde für den einmaligen Transport leerer Gläser konstruiert, einige sind schon auf der Palette zerbeult. Ich hatte mich kurz gefreut, dass es garnicht so viel teurer geworden ist, wie erwartet aber, hätte ich eine Ahnung gehabt, was mit dem Begriff „Beispielbild“ in der Angebotsbeschreibung gemeint war, ich hätte das so nicht bestellt. Aaarggghhh!

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Innerhalb von einer Stunde bekommen wir einen halben Meter Schinken/Salami/Wurst-Aufschnitt-Brett-Reste und eine Torte geschenkt. Reste des Muttertagsbuffets und einer Geburtstagsfeier, nicht schaffbar, man müsste es wegwerfen. Soweit darf man es kommen lassen, sagen die Teenager. Bilder ähnlich einer Pinguinfütterung.

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„Ach übrigens, ich bin dann morgen auf einen Geburtstag eingeladen…“ Äh, jo. Ein Geburtstagsgeschenk für sofort, bitte. Das hatten wir schon lange nicht.

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Drei Brotdosen gefüllt, mit dem Hund bis an die Bank gewesen, Spülmaschine aus und Waschmaschine eingeräumt, eine Besucherin begrüßt, zwei Überweisungen getätigt, eine Elterntaxifahrt zur Schule (Klassenarbeit, Bus kommt immernoch 20 Minuten später als normal), alles noch vorm ersten Kaffee. Es geht wieder, stelle ich fest, obwohl ich gestern Kartons geschleppt hab, da ruhig mal einen Moment drüber freuen, denn das sah vor wenigen Wochen ganz anders aus.

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Am späten Nachmittag dann öffnet jemand die Tür und der „wind of change“ weht mir um die Ohren. Ein Drama. Nicht meines und eigentlich auch nicht überraschend, aber irgendwie halt doch.

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So sehr sich die Geschwister untereinander manchmal auf den Sack gehen – in der Not stehen sie zusammen. Jeder tut was möglich ist. Ein Hauch von freundlicher Rücksichtnahme weht durchs Haus, lauter nette Gesten und aufrichtige Anteilnahme. Ungewohnt. Fast gespenstisch, nach wochenlangen Vor-Prüfungs-Launen.

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Der Liebste hat überraschend den Feiertag frei und wünscht sich eine Vatertagswanderung mit seiner Familie. Die Blagen sind nicht begeistert, aber tapfer, danach wird gegrillt.

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„Warum liegt da eine angefangene Tüte Popcorn?“ „Hab ich nicht auf einmal geschafft…“ „Mmmhh“ Pause „Was klebt denn da?“ „Ein Namensschild, hat wahrscheinlich, ich lese Vor- und Nachname vor, hingeklebt“ „Naarha- und wieso steckt da eine Krone auf dem Rückspiegel?“ „Keine Krone, is n Diadem, falls jemand 18 wird, oder sonstige Anlässe“ „aha“ Julikind sucht Sinn während dieser Elterntaxifahrt, vergeblich. Märzkind und ich teilen dieses Auto, Menschen fahren mit, Sachen bleiben liegen.

KW 15-18 2023, Bemerknisse

Da hatte ich neulich noch gedacht, vielleicht ist das Thermometer auch einfach einfach kaputt, weil es morgens immer 8 Grad anzeigt, wenn ich mit dem Hund raus will. Aber es funktioniert anscheind noch. 3 Grad heute, dafür blauer Himmel. Wenn man genau hinsieht kann man den Frühling erahnen. Muss auch langsam.

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Ein leichtes Halskratzen, einmal räuspern und erst da fällts mir auf. Der erste morgen an dem ich nicht husten muss, als würde ich seit 20 Jahren Kette rauchen – seit drei Wochen oder so. Genauso plötzlich wie es angefangen hat, hat es aufgehört. Jetzt würde ich gerne noch schlafen können, dann wäre alles wieder fein. Scheiß Corona.

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Jede Hochschule hat andere Auswahlkriterien, Fristen und Abläufe. Ich weiß nicht was ich dachte. Aber ich verstehe jetzt, glaube ich, das Problem. Wahrscheinlich nimmt man dann die, an der man genommen wird?

Zwei von drei Blagen machen Schulabschluss in wenigen Wochen – boar ej…

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Eine Unterkunft für drei Leute zu finden ist viel einfacher, als für fünf – und günstiger. Wir hätten Auswahl, obwohl gerade Ferien sind, ich kann es kaum glauben. Rücksprache mit den Mädels. Also, jetzt entscheiden, was man die nächsen drei Tage anziehen will, das alles in eine Tasche packen…man will ja niemanden traurig machen… aber ein bisschen umständlich wäre doch. Ach, sagen wir, wie es ist. Natürlich ständen uns die freien Tage zu, die Jungs waren ja schließlich auch ohne uns weg, aber wir sind dermaßen reiseunlustig. Man kann es sich nicht erklären. Alle sind doch gerade irgendwo oder kommen von irgendwo oder planen irgendwas und wir? Nicht. Ins große Möbelhaus könnten wir mal, schlägt Märzkind vor, da waren wir schon ewig nicht, es wäre immerhin ein Ausflug, ein Ferienerlebnis. Das ist eine gute Idee.

„Diese Fleischklösschen, oder was das sein soll, die schmecken schon nicht, aber die Soße, die ist widerlich, fast muss man würgen“, sagt Julikind. „Das ist Möbelhaus-Mittagessen, da weißte doch vorher wie das schmeckt“, Märzkind ist verwirrt. „Nee, also, wie können die das alle mögen?“ Julikind schaut sich um und ist leicht entsetzt. Wir wundern uns kurz, finden dann aber die Erkärung. Wegen ihrer Allergie hat sie quasi keine Erfahrung mit Fertigessen. Das kommt von der ganzen selbst-gekochten-Bio-Fresserei. „Da seid ihr dann wohl selber schuld“, sagt Julikind und schiebt mir ihre Nachtisch-Zimtschnecke zu. Nicht essbar. Och, für mich schon. „Ist nicht schlimm“, tröstet Märzkind, gibt ja später noch hotdogs. Den halben Tag trödeln wir durch die Austellung, ohne das jemand nörgelt.

Die Jungs haben ihren freien Tag auch genutzt. Anruf von unterwegs, wir kommen am Baumarkt vorbei, ist während unserer Abwesenheit unvorhergesehenes passiert? Nichts. Die halbe Küche ist renoviert und die Stimmung immernoch gut, was wahrscheinlich daran liegt, dass wir weg waren, sagen sie. Schön, dass sie nicht mit waren, sagen wir. Am nächsten Tag hat die Küche eine neue Tapete. Einfach so, nachdem die über ein Jahr in der Garage lag. Sieht richtig gut aus, so gut…der Flur wirkt schitterig jetzt.

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Eine Einladung zur Abschiedsparty wegen Weltreise. Julikind erkundigt sich, ob derjenige denn nicht vorhabe wieder zu kommen? Alle lachen – und sind doch gespannt auf die Antwort.

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Besuch bei der Omma. Wir plaudern über eine Geburtstagsparty, die kürzlich in einem Cafe stattfand. Schön war die, und guten Kuchen gabs, sagt de Omma. Ein höheres Lob gibt es nicht, ich beglückwünsche das Geburtstagskind erneut.

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Der Neffe, den man quasi neulich noch packen und auf den Boden legen konnte, um ihn durchzukitzeln wenn er frech war der ist aber…der Liebste sucht nach Worten…echt ein Schrank geworden, ne? Definitiv. Man muss 5 km in höchstens 18 Minuten laufen, für die Aufnahmeprüfung der GSG9 hat er gesagt.

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Offiziell würde ich jederzeit so tun, als hätte ich dieses Gemüse-Abo wegen Weltrettung, Investiton in regionale Landwirtschaft damit nachfolgende Generationen auch noch gute Böden haben und so. Aber die Wahrheit ist, es nimmt mir die Kochentscheidungen ab und das ist toll. Da holt man sich einmal die Woche einen Korb voll von was auch immer Saison hat, und das muss dann gegessen werden, manches dringender als anderes, der Rest ergibt sich. Zwei Wochen Gemüse-Pause über Ostern. Ich stehe im Rewe und bin kurz davor, die Regalauffüllerin zu fragen, was ich denn kochen soll.

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Man fragt sich, wieso man sich einen Beruf angucken soll, bei dem man sicher ist, dass er einen so garnicht interessiert… sagt Julikind auf der Hinfahrt. Auf der Rückfahrt bekomme ich einen begeisterten Kurzvortrag darüber wie sich unterschiedliche Metalle bearbeiten lassen, was man daraus alles herstellen kann und ein Geschenk gab es auch und überhaupt, hat total Spaß gemacht, vielleicht macht sie sowas ja mal, später… Girlsday. Wir hatten ja nix, damals.

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Der Liebste guckt auf meinen Teller und schmunzelt. Total anders, als das, was er sich geholt hat. Wenn man uns 10 Meter Frühstücksbuffett anbietet haben wir eine Schnittmenge von einer Tasse Kaffee und Rührei. Hochzeitstag.

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Ich überweise Geld für Klassenfahrten. Ach guck, da hatte der Finanzminister aber mal recht, die Kindergelderhöhung hat genau gereicht, für die außergewöhnlichen finanziellen Belastungen diesen Jahres. Alles auf einmal ausgegeben in nicht mal 10 Minuten. Bitte Deutschland. Wobei, stimmt garnicht. Die eine Fahrt hatte ich schon angezahlt und bei der anderen scheinen die Eintritte nicht inklusive zu sein. Außerdem kommt jeweils noch ein Betrag x für Verpflegung dazu weil es in der Unterkunft nur Frühstück gibt, aber essen müssten sie zu Hause ja auch. Strenggenommen ist auch noch garnicht klar, ob ich für Märzkind durchgängig Kindergeld bekommen werde und natürlich gab es das nicht als Einmalzahlung sondern es kommen halt monatlich 70 Euro mehr, insgesamt. Das freut uns. Allerdings sind in den letzten Monaten die alltäglichen finanzielle Belastungen hier und da ein wenig mehr geworden, so dass man von der Erhöhung nichts bemerkt, aber hej, man gönnt sich. Mein Dank geht an die Klassenlehrer, die das mögliche Budget nicht ausgeschöpft haben (9 Tage Miami waren drin, im Angebotskatalog für Abschlussfahrten-Budget) und an, wer auch immer den Inflationsausgleich für die IGBCE ausgehandelt hat.

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Die einzig überlebende Bienenkönigin, von denen die ich im letzten Jahr gekauft hatte ist bombig ins neue Jahr gestartet, sagt der Liebste. Vielleicht macht es dann unterm Strich nichts, dass ihre drei Kolleginnen das zeitliche gesegnet haben. Honiggläser bestellt, da kommt irgendwann eine Spedition und stellt uns eine Palette an die Bordsteinkante. Hoffentlich melden sie sich vorher. Alltagsabenteuer.

Ostern und unsortiertes, KW 14/15 23

Zwei Schritte vor, einer zurück. Auf drei Tage so tun, als wäre Corona vorbei und alles schaffbar, folgt ein Tag mit Fieber auf dem Sofa. Leider brauche ich zwei Runden davon, bis ichs kapiert habe. Langsam mit Tendenz Richtung garnicht. So gehts.

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Da hat etwas nicht in den Glascontainer gepasst und irgendwer hat es dann den Hang runter auf den Weg geworfen. Ich sammle Glasscherben und lege sie soweit an den Wegrand wie möglich. Da muss ich nochmal mit einer Mülltüte wiederkommen, denke ich und vergesse ich. Am nächsten Tag geht der Liebste mit dem Hund, wirft eine Frisbee und der Hund bremst genau da, wo die Scherben liegen. Verdammt. So, wenn ich jetzt was auf dem Glascontainer liegen sehe, hole ich es, bevor jemand auf Ideen kommt. Diese Woche, eine Tortenplatte und eine Snäckschüssel im 80er Jahre Style, waren sogar die Etiketten noch dran.

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Maikind hatte ein Viererpack Controller-Ersatzteile bestellt und seinen Heimstudientag für eine erste Reperatur genutzt. Wenn man einmal raushat wie, geht es eigentlich ganz schnell, sagt er. Vielleicht wird das sein zweites Standbein, neben dem Rasenmähen, denn dieses Bauteil geht ja bei jeder Konsole kaputt, und viele trauen sich nicht, das Ding aufzuschrauben, zwei Aufträge hat er schon. Am darauf folgenden Montag teilt nintendo mit, es gibt dann jetzt doch Garantie auf das Teil, man kann es einschicken. Tja.

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Es fühlt sich gerade nicht so an, als würde ich jemals wieder welche brauchen, aber meine Joggingschuhe sind im Angebot und die aktuellen sind durch. Man kann auch mal Glück haben.

Der Triathlet sagt, ihm habe man beim Belastungs-EKG gesagt, mit vollständiger Regeneration, soweit überhaupt möglich, sei erst nach 12-14 Monaten nach Corona zu rechnen. Das erklärt auch, warum er immernoch 20 Minuten langsamer Marathon läuft als vorher. Ist lieb gemeint. Du mich auch, sage ich.

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Es brennt nicht nur das Osterfeuer, auf dem Gelände verteilt stehen Schwedenfeuer. Eine richtig gute Idee, so kann man zusammenstehen, es warm haben und sich unterhalten. Beim großen Feuer ist so früh am Abend immer den einen kalt, während die anderen sich fragen, ob die Jacke schon schmilzt. Es ist weniger los als im letzen Jahr. Vielleicht weil insgesamt mehr los ist und sich die Leute wieder verteilen. Ich bin früh müde und mache mich auf den Heimweg. Zeitgleich macht sich eine Gruppe unbekannter Leute auf den Heimweg. Fröhlich laufen sie auf der rechten Fahrbahnseite über die nächtliche Landstraße, ich leuchte sie kurz mit der Taschenlampe an, alle schwarz gekleidet, kein einziger Reflektor, aber es handelt sich um halbwegs nüchterne Erwachsene, Städter offensichtlich. Dorfkinder lernen das Laufen an Straßen ohne Bürgersteig auf dem Weg zum Kindergarten. „Links gehen, der Gefahr ins Auge sehen“ Links ist die Seite mit den zwei Punkten am Pfosten, man geht am Straßenrand, nicht mitten drauf, Allgemeinbildung der Kategorie „iss keinen gelben Schnee“, dachte ich – andererseits wenn man mich im Stadtverkehr Auto fahren sieht, vermutet man auch keinen Führerschein. Ich wedele wild mit der Taschenlampe, damit das entgegenkommende Auto sich schon mal wundern kann. Es wird langsamer und langsamer und bleibt dann einfach einen Moment stehen, bis die Gruppe sich sortiert hat. Alles gut gegangen.

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Als Märzkind und ich uns auf den Weg machen sind noch nicht mal die Laternen an. Wenn in der unbeleuchteten Kirche die Kantorei anfängt zu singen, es ganz langsam heller wird hinter den bunten Fenstern, das Licht verteilt wird und alle vorsichtig mit den Kerzen hantieren um niemandem versehentlich die Frisur anzustecken… ich mag das. In dieser Gemeinde wird leider kurz nach dem Entzünden der Osterkerzen zusätzlich das elektrische Licht eingeschaltet, damit man die Liedtexte besser lesen kann vermutlich. Auf einen Schlag ist die Magie der Osternacht dahin. Schade. So kann man überall auch um elf Ostern feieren, da braucht man nicht morgens um fünf bis ins Städtchen fahren. War aber trotzdem ganz schön. Zu Hause geht Märzkind direkt wieder ins Bett. Ich bin wach, koche Kaffee, mache Frühstück, gehe osterhasen im Garten, weil Ostereier suchen ist halt was, was man an Ostern macht, das hat mit`m Alter nix zu tun, haben die Blagen gesagt. Alle Eier wurden wieder gefunden, dieses Jahr. Nachmittags Kaffee trinken bei der Oma mit anschließendem Eierwerfen. Kein einziges Ei ist kaputt gegangen dabei, man merkt, dass es viel geregnet hat, die letzen Wochen.

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Ostermontag ein Gefühl von so-viele-soziale-Kontakte-hatte-ich-schon-lange-nicht-mehr. Der Liebste besucht die Schwiegermutter, ich nutze den regenfreien Wind-tag zum Wäsche waschen. Nach der fünften Maschine kann man den Fussboden in der Wäschekammer wieder sehen. Wir nähern uns dem Normalbetrieb, das freut mich.

Fazit: Ostern ist ruhiger geworden und kleiner. Vielleicht liegt es dran, dass die Kinder größer sind, oder an der Inflation oder an Lockdown-Nachwirkungen. Nach nicht mal einer Woche sind alle Eier aufgegessen und alle Schokohasen geschlachtet. Ich finds gut so.

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Es tun sich Sachen, überraschend und erfreulich – oder der Beginn von chaotischem Schlamassel.

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„Ach Mama, wenn du dann sowieso da bist, kannste ja mal fragen….“ „Nee, das dürfen die mir überhaupt nicht mehr sagen.“ „Noooaaar, dieses Volljährigkeitsdings?“ „Jo“ Man muss sich dran gewöhnen.

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Da waren wir tatsächlich dies Jahr schon zum zweiten mal zusammen im Kino, kaum zu glauben. Ich bin ja die letzten zwei Stunden davon ausgegegangen, dass Niemand der Sohn von der Frau mit den krassen Hunden aus dem dritten Teil ist, weil, die hatte ja gesagt, die hohe Kammer weiß nicht, dass es ihn gibt, also hat er auch keinen Namen und er hatte halt den Hund dabei. Der Liebste dachte, das er der Junior vom Brieftaubenmann ist und, wenn man jetzt nochmal drüber nachdenkt – man weiß es nicht. Vielleicht muss es doch noch einen fünften Teil geben. John Wick. Ich glaube es waren nur vier Mädels in der Vorstellung.

warten auf Frühling, KW 11/23

Ein Wochenende lang überhaupt nicht vor der Tür gewesen. Das fühlt sich seltsam an, hat aber gut getan. Das Wetter war übel, ich hab mich über jede Hunderunde gefreut, die ich nicht machen musste. Montag morgen ist immernoch Winter, Mütze, Handschuhe… dann hatte ich drei Stunden drin zu tun, als ich das nächste mal vor die Tür gehe ist so dermaßen Frühling, das kann eigentlich garnicht sein, doch, sagt das Thermometer 16°C. Ich finds gut. Mittwoch morgen wieder Schneegestöber und kalter Winterwind aus allen Richtungen. Och nö. Geh doch zu Haaaauuuuseeeee duu alte scheeeeiße….

Aber immerhin, kurzes Vogelgezwitscher morgens und abends, merklich länger hell.

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Anruf der Pensionswirtin drei Häuser weiter, verschiedene Dinge haben sich in ihrem Belegungsplan geändert ob ich vielleicht… ? Eigentlich wollte ich erst im April wieder anfangen, aber ja, das geht. Spontane Saisonstart-Reinigung. Einmal Weihnachtsstern runter, Osterhase hin dauert drei Stundennur fürs Protokoll.

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Änderung der Streckenführung des Fahrradwandertags. Es wird kein Eis für 17 Leute in unserem Garten benötigt. Auf der anderen Strecke wurde eine Dornenhecke geschnitten und übelst Holz abgefahren. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich da jemand einen Platten holt liegt bei vorsichtig geschätzten 98,9%. Tja, wer das Abenteuer sucht…

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Da hatten wir tatsächlich zwei Wochen mal überhaupt keinen Kontakt, erst auf dem Weg zur Omma fällt mir das auf. Manchmal sieht sie den ganzen Tag lang niemanden, sagt sie. Tja, das kann ich gerade ganz gut aushalten, so leid es mir tut.

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Ein Berg an Muttizetteln liegt auf dem Esstisch, Wandertag, Kompo7, Girls day, windows-Kram. Ach, gäbe es doch nur eine Möglichkeit armen, überlasteten Lehrkräften die zeitaufwändigen Tätigkeiten des kopierens, der Verteilung, wieder Einsammlung und Kontrolle all dieser kleinen Zettelabschnitte zu erleichtern.

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Die dritte Runde Erkältung läuft an. Nicht so, dass man sich Sorgen machen muss, aber stören tut es doch. Halskratzen, Rotz, Gliederschmerzen, immer mal jemand anderes. Wann waren eigentlich das letzte Mal alle gleichzeitig gesund? So ganz allmählich müssten die Immunsysteme die Lockdownjahre eigentlich aufgeholt haben.

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Maikind guckt konzentriert aufs Handy, dass ist ungewöhnlich eigentlich spielt er morgens die paar Minuten, die er übrig hat mit dem Hund. Der Hund guckt mich vorwurfsvoll an. Ich weiß doch auch nicht was der da macht. Oh, sagt Maikind, er musste da noch gerade die Umfrage beantworten. Sein Kumpel plant den Vormetttag. Ich habs nicht so mit sozialen Netzwerken, bin aber bemüht, wenigstens meine whatssapp-Kenntnisse auf dem neuestem Stand zu halten. Was also ist die Umfrage-Funktion? Maikind erklärt es mir auf blödisch. In einer Gruppe kann jemand eine Umfrage starten und verschiedene Möglichkeiten zur Auswahlt stellen, beispielsweise Mettbrötchen/Mettbrötchen mit Zwiebeln/Fleischkäsebrötchen/Brötchen mit Fleischkäseaufschnitt. Wenn man dafür ist, klickt man drauf. Im konkreten Fall wird das als Bestellung gewertet, zwei Klicks entsprechen zwei Mettbrötchen. Verstehe. „Und dann am Ende fasst der Algorythmus das alles zusammen und schickt es an die Fleischerei?“, frage ich und meine es als Scherz. „Nee, leider nicht“, sagt Maikind und erklärt, warum und wie man lösen könnte. Äh jo, einfach programmieren ist für mich ein Widerspruch in sich, aber so ist es auch ziemlich praktisch, finde ich. Wir hatten ja nix, damals.

Nach den Ferien macht eine Schulcafeteria auf, dann darf man nichts mehr von ausserhalb bestellen. Schade eigentlich. Die Blagen haben ohne Cafetria viel gelernt.

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Eigentlich haben wir alle ausreichend Kürbisgerichte und Wintergemüse gehabt, diese Saison, Kochblockade. Der Liebste taut was auf. „Ich glaube, das ist garnicht zweimal das gleiche“, sage ich im Vorbeigehen. „werden wir sehen“ murmelt er, „warum haben wir sowas“ fragt ein Kind im Vorbeigehen, und versucht einen leicht angewiderten Gesichtsausdruck zu kaschieren, „weil wir restliches Essen nicht einfach wegwerfen“, sage ich, der Liebste nickt zustimmend „richtig“, „wir packen das in Gläser, tun es in den Froster, warten, bis keiner mehr den Hauch einer Ahnung hat, was es sein könnte, tauen es auf, stellen fest, dass es nicht mehr gut ist – und dann werfen wirs weg, ist viel nachhaltiger so“.

durchgewurschtelt, KW 7/8 2023

Seit fast zwei Jahren suchen sie einen Termin und dieses Wochenende könnte es wirklich klappen, was ich denn meine, erkundigt sich der Liebste. Passt, freut mich, fahrt ihr mal ruhig. Maikind und der Liebste werden den Patenonkel besuchen. Märzkind hat am Samstag einen Auftritt und einen Thekendienst, Julikind hat ein Extra-Training wegen Gürtelprüfung, ähm jo, das ist ja dann schon irgendwie blöd für mich, wenn ich den ganzen Haus-und Hoftag alleine machen muss… allgemeine Betroffenheit. Aber da kann ich sie beruhigen. Ich werde nur das allernötigste machen, den Rest können sie dann selber. Leider ist nach einer Woche Matschwetter mit diversen Terminen doch einiges nötig.

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Samstag morgen: Küche aufräumen, Kaffee kochen, Waschmaschine voll machen, Spülmaschine ausräumen, erleichtert feststellen, dass Märzkind doch schon wach ist und die Hunderunde übernimmt, Tasse Kaffee trinken, Stühle hoch stellen, saugen und wischen, Stühle runter stellen, Hund füttern, Julikind zum Training fahren, einkaufen, Julikind abholen, Kartoffelgratin für drei Leute zubereiten – niedlich, so eine kleine Form, Wäsche aufhängen, Einkäufe verräumen, essen, wischen im Obergeschoss, Hunderunde. Ich freue mich über den sauberen Fussboden, als ich wieder reinkomme. Das Telefon klingelt. Der Liebste wollte nur mal Hallo sagen und fragen, ob ich denn den freien Tag genieße. Hallo, freut mich und äh? genießen? ist vielleicht nicht ganz das richtige Wort, aber, danke der Nachfrage.

Sonntag morgen ruft de Omma an, um mir mitzuteilen, dass die Hochzeitssuppen-Einlage, die ich ihr vom Einkaufen mitgebracht hatte „nicht essbar“ sei, also, sowas von nicht ihr Geschmack, das hätte man sich sparen können. Tja, da hat sie Pech gehabt. Sollen doch die Hühner den Rest essen, sage ich ihr, und wundere mich selber ein bisschen darüber. Wenn sich dreijährige theatralisch vor ein Süßigkeitenregal im Supermarkt auf den Boden werfen und „ichwillabba“ rufen macht mir das garnichts, aber hochbetagten-Pubertät kann ich nicht. Diesen Tonfall lasse ich mir nicht mehr gefallen, dann soll sie selber.

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Ich motiviere um baldigen Aufbruch:“nu aber! der Bus ist schon runter gefahren“, „der darf doch garnicht früher fahren“, sagt Julikind tiefenentspannt „regulär wäre der schon seit ner viertel Stunde weg, wenn der jetzt 5 Minuten eher fährt als „normal“ ist er immernoch 10 Minuten zu spät“ „oh shit, stimmt ja“ die Blagen laufen los und erwischen den Bus gerade noch so. Ich stehe in der Tür und bin ein bisschen stolz. Eine Freundin des Julikinds wird zur Bushaltestelle gefahren, die Mutterkollegin wendet und fährt dem Bus filmreif mit quietschenden Reifen hinterher. Wir haben uns alle an die Fahrplanänderung gewöhnt.

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Dieser Schultag war komplett sinnlos, sagt Maikind. Ich gucke fragend. Naja, komplett dann doch nicht, eine Stunde Unterricht hatten sie. Der Rest war gefüllt mit Arbeitsaufträgen und Vertretungs- irgendwas. Morgen genau das gleiche. Bei ihr auch, sagt Julikind. Die Paralellklasse hatte Heimstudientag, deshalb war der halbe E-Kurs nicht da und deswegen haben sie eigentlich auch garnichts gemacht. Natürlich sollen Lehrkräfte krank zu Hause bleiben. Ich beschwer mich nicht, ich gebe nur zu Protokoll. In acht Wochen sind Abschlussprüfungen. Niemand erwartet mehr besondere Vorbereitung. Aber, dass der normale Unterricht nach Stundenplan stattfindet, zumindest in den Hauptfächern, das wäre vielleicht schon schön gewesen. Für Deutschland.

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Der Liebste hat was, schon länger. Nach mehreren Facharztterminen und einem MRT (inklusive 3 Stunden Autofahrt, die man in Kauf nehmen muss, wenn man einen Termin vor Ende Mai haben möchte) kam heraus: doch nicht. Kaum zu glauben, aber gut. Vorsichtig nimmt er den Alltag wieder auf. Eine Erschütterung beim e-bike fahren, bäm, ab in die Notaufnahme. Ergebnis: entweder wird jetzt alles von selber wieder gut, oder es ist eine OP nötig. Ruhig halten, Ibu nehmen, abwarten. Nachmittags nochmal zum Hausarzt, krank schreiben lassen. Stimmung im Keller. Der Rest der Familie nimmt intuitiv die alten Routinen wieder auf… nach drei Tagen Ruhe ganz vorsichtiger Optimismus.

Maikind war bei der Einstellungsuntersuchung, alles tutti, damit gilt der Ausbildungsvertrag. Freude und Entspannung. Julikind pubertiert. Märzkind ist Geburtstags-raschelig, was einerseits ja schön ist, weil man ziemlich sicher sagen kann, dass diese Party wirklich stattfinden wird, andererseits, hach, die letzten drei Wochen vor einem „Kindergeburtstag“ halt… Der Hund leidet mit dem Liebsten.

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Der Schreiner ruft an, sie sind mit einer Baustelle früher fertig als gedacht und könnten spontan, morgen früh um acht, die Fenster einbauen. Gerne. Die Kinder und ich rücken Möbel. Ein Anruf um 7.30 Uhr. Der Schreiner ist auch Bestatter und wird leider heute vormittag woanders gebraucht. Um ein paar Tage kommt es jetzt auch nicht mehr.

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Anfrage für eine Übernachtung in der Ferienwohnung, touristische Zwecke. Die Wohnung ist über Winter stillgelegt und auch nur noch auf einer Monteurseite zu finden. Ich wundere mich kurz, mache aber ein Angebot. Die Dame am Telefon schluckt und muss mir dann „aber ganz ehrlich mal sagen, da haben sie hier in der Gegend beim letzten Mal aber DEUTLICH! weniger bezahlt DEUTLICH! und da war Frühstück mit dabei“. Das muss schon länger her sein. Ich schmunzelei innerlich ein bisschen, erkläre kurz die Zusammensetzung des Preises, und mich bereit, ihr die Telefonnummer der Pension drei Häuser weiter zu geben. Da sind die Gegebenheiten vielleicht anders. Nein, das brauche ich nicht, sagt die Dame, die Pension sei ausgebucht, an dem betreffenden Wochenende. Aha. Wir sind hier aufm Dorf. Wenn es sich um nette Stammgäste der Pension handeln würde, hätte mich die Wirtin angerufen. Tja, dann, viel Erfolg, bei der Suche, sage ich. Reicht für diese Woche.

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Ich hätte dann gerne 18 Grad, blauen Himmel, fröhliche Menschen und keine besonderen Vorkommnisse in den nächsten Tagen.

kleine Überraschungen, KW 7/2023

Ein Brummgeräusch in der Auffahrt. Es klingt wie – aber das kann eigentlich nicht sein, oder? – doch, tatsächlich. Ein Krokus steht da in der Hecke. Das erste. Das Einzige, sechs Bienen sitzen darauf. Und der Haselstrauch, „samma, sah der heute morgen auch schon aus?“, frage ich Maikind. Er überlegt einen Moment. „Nö. Heute morgen noch nicht.“ Ein Motorradhelm wird unter der Treppe vorgekramt, die Wäschespinne eingestielt und, wann wir denn angrillen wollen, werde ich gefragt… Frühling. Endlich.

Am Mittag des nächsten Tages, auf der Rückfahrt vom Städtchen, verdunkelt der strahlend blaue Himmel sich allmählich. Schleier ziehen über die Felder, nur wenige und vielleicht nur eingebildet. Ein paar hundert Meter weiter wird es grauer und kälter. So deutlich, dass man es sogar im Auto bemerkt, die sanften Schleier werden zu dichten Nebelschwaden. Dieser Nebel hat schon in Filmen mitgespielt. Es fehlt nur ein bisschen Musik.

Anderthalb Tage lang kann man die andere Straßenseite vom Fenster aus nicht sehen. Bitter, nach dem schönen Frühlingstag. Die letzte Mini-Hunderunde des Tages laufe ich hustend. Vermutlich verheizt wieder irgendwer einfach irgendwas. Dorfsmog.

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De Omma kocht wieder selber. Eine Woche ohne war erholsam. Der einkaufende und der Reste abholende Haushalt hätten gern noch eine Woche länger gemacht.

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Oooh, der Karton, den ich mal gerade so vom Schrank ziehen wollte, ist schwerer als gedacht, erreicht in einem Sekundenbruchteil den Kipppunkt und landet geräuschvoll auf irgendwas anderem. Ein kleines Plastikteil fliegt knapp an meinem Auge vorbei. Da ist auf jeden Fall nicht das drin, was ich dachte. Neugierig öffne ich den Karton und finde den Urahn unseres Laptops. Ich wußte garnicht, dass der noch da ist. Frage ans Maikind: Kann der so weg, oder muss da vorher irgendwas ausgebaut werden? Maikind weiß es nicht, würde den aber voll gerne mal auseinander bauen, nur für zum mal gucken. Er zeigt mir was mit 64MB, erklärt technisches. Ich nicke. Weiß ich ja, das war mal das Beste was es gab, einen Moment lang. Maikind lacht. Seit 2004 wird das nicht mehr herstellt… er hat 64GB jetzt… aber das Teil behält er, dann kann er allen zeigen, wie das früher mal war. Ein Alterungsmoment.

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Winterwandertag, die ganze Schule fährt am gleichen Tag nach Willigen. Es ist ein bisschen aufregend für die Blagen. Das Mutterherz freut sich immernoch über alles, was „wieder geht“. Julikind hat Schlittschuh laufen gewählt, Maikind schließt sich der Wandergruppe an, weil sein Kumpel hat Bänderriss und darf weder Schlittschuh noch Ski.

Wandern war gut, aber gab nichts zu essen. Das war nicht so gut. Beste Erbsensuppe war angesagt in einem Glas, wo Bockwurst oben rausguckt, darauf hatten sie sich gefreut, gab aber nix und irgendwie waren da echt viele Besoffene. Ok. Ich weiß von sie eingekehrt sind. Dieses Lokal ist Teil der kulturhistorischen Entwicklung der Region, keine Frage, aber- ich hatte tatsächlich gedacht, es gibt nichts mehr, womit mich die Schule noch überraschen könnte. Ich hab mich getäuscht. (bei Interesse einfach mal selbstständig *Erbsensuppe Willigen* googlen)

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Meim letzten Gottesdienst im Ort waren nur 5 Leute da und de Mudda ein bisschen traurig. Ich wollte sowieso mal hin, wenn nichts besonderes ist, und nutze die Gelegenheit. Och guck, war genau richtig, denke ich, nächste Woche kommt Predigt in Reimform, wegen Karneval. Um die Arbeit der Organisten mal mehr zu würdigen, wird die Gemeinde gebeten, sitzen zu bleiben während des letzten Stückes, das ja normalerweise zum Ausgang gespielt wird. Sicher, gerne. Ich kenne dieses Stück…aber von irgendwo anders… tja, weiß ich gerade nicht…Gedanken schalten in Leerlauf…’dupapaaa duppaaa super trouper lights are gonne blind meeeee supppaaapaaa’…boar neee, jetzt weiß ich, was das ist. Mein Hirn versucht verzweifelt das Eisköniginnenlied einzuspielen… den Greatest Showman soundtrack… aber es ist zu spät. Das geht jetzt bestimmt die ganze Woche nicht mehr weg.

Meilensteine und Situationen KW 5/6 2023

Sonnenschein! Herrlich. Ich hatte schon fast vergessen, wie blauer Himmel aussieht.

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Ich warte auf dem Beifahrersitz sitzend vorm TÜV, auf dem Armaturenbrett liegt eine Partytröte bereit. Märzkind klopft ans Fenster, ich soll rüber rutschen. Och nö. Nee, nee sie hat schon bestanden, sagt sie, aber den Fahrerlaubniszettel muss sie auf der Führerscheinstelle abholen. Es ist Freitag Mittag, zwölf Uhr. Dienstag abend erkundigt sich der Opa, wie es denn nun aussieht… ich hab keine aktuellen Informationen, gehe aber mal davon aus, dass sie den Zettel heute geholt hat…Märzkind kommt rein, ich übergebe das Telefon… „Jo, Opa, voll die scheiße ist das…“ Man braucht einen Termin. Wenn man die zur Terminvereinbarung angegebene Nummer anruft, landet man in einer Warteschleife, die länger dauert, als man sich im Schulalltag Zeit nehmen kann. Schrödingers Führerschein. Der Opa kümmert sich um einen Termin, ich fahre Freitag morgen extra ins Städtchen, folge dem fetten Schild, auf dem Führerscheinstelle steht, lese das kleine Schild an der verschlossenen Tür, auf dem „hier kein Eingang bitte Haupteingang nutzen“, gehe passiv aggressiv direkt über die Wiese, werde am Empfang, nennen wir es mal unhöflich begrüßt, und bekomme von dem anscheind zuständigen Mitarbeiter, der gerade durchs Foyer läuft und meinen Namen gehört hat den Zettel ausgehändigt. Die Tröte kam nicht zum Einsatz.

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Der Mitarbeiter, der mir den Zettel gegeben hat war auffallend freundlich. Zuvorkommend, könnte man fast sagen. Im rausgehen habe ich mitbekommen, wie er die zwei (dunkelhäutigen) wartenden jungen Männer angesprochen hat. Ich gehe mal davon aus, dass es da irgendeine Vorgeschichte gab. Das Freundlichkeitsgefälle war nämlich dermaßen krass, es könnte Rassismus gewesen sein. Auf jeden Fall war es unangemessen und ich hab mich im Namen des Landkreises geschämt.

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Als Wahlpflichtfächer hatte sie Kunst und Glück. Wie schön. Drei rührselige Sekunden gönne ich mir. Es ist das letzte Zeugnis, dass eine Muttiunterschrift braucht.

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Man darf wieder ohne Maske Bus fahren. Wer hätte gedacht, dass das mal nur eine Randnotiz im Alltag wird.

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Man hat bemerkt, dass mein Kind demnächst volljährig wird und würde deswegen gerne kein Kindergeld mehr zahlen. Es sei denn, das betreffende Kind besucht noch eine Schule oder macht eine Ausbildung. Dann müsste ich bitte diesen Antrag einreichen. Gerne. Äh? Die digitalisierte Form dieses Formulars besteht darin, dass ich es online ausfülle, ausdrucke, unterschreibe, und per Post schicke? Witzig. Ich fülle also die Papiere aus, die mir zugeschickt wurden. Habe ich für dieses Kind schon mal Kindergeld bekommen und wenn ja von wo? Ja, von euch ihr Heiopeis. Die Kindergeldnummer ist auf der Vorderseite des Formulars eingedruckt. Bürokratie bringt mich an nervliche Grenzen, diese Woche.

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Die Teilzeitnachbarin muss wieder nach Hause. Abflug in Frankfurt um 12.30 Uhr, damit sie sicher früh genug da ist muss sie um 6.05 Uhr am Zug sein. Ihre Mama soll im Dunkeln lieber kein Auto mehr fahren. Dass es hier morgens um halb sechs dunkel ist, hatte sie nicht bedacht, bei der Buchung, aber kein Problem, sie nimmt ein AS-Taxi, dachte sie. Zum Glück hat ihr die andere Nachbarin erzählt, dass man das im Voraus buchen muss. Vor sechs Uhr fährt nix, hat man ihr dann am Telefon gesagt. Tja, das war überraschend blöd, aber, weil die Situation nun mal ist wie sie ist, zahlt sie für die Reise was es kostet, in Australien sind gerade Sommerferien und Hauptsaison… nun hatte sie gedacht, wenn man bereit ist, für eine 15 km Fahrt über 40 Euro zu zahlen, darf man sich die Abfahrtszeit wünschen. Dem ist nicht so. Die Dame in der Taxizentrale hat gesagt, Freitag morgen kann sie eine Fahrt ins Städtchen um 5 Uhr anbieten, die kann sie nehmen oder nicht. Sie wird also eine dreiviertel Stunde Aufenthalt haben, am Bahnhof, das nächste mal fliegt sie wieder über Dubai, das ist einfacher, aber, was sie eigentlich sagen wollte, das Taxi wird vor unserem Haus halten. Ihr Haus ist von der Straße aus nicht zu sehen und sie wollte lieber nichts riskieren, nur dass wir bescheid wissen und uns nicht wundern. Überhaupt kein Problem. Morgens um fünf wundert mich nichts. Ein bisschen witzig ist es aber. Die Frau fliegt zweimal im Jahr um die halbe Welt, und das Abenteuer steckt in den paar Kilometern von hier bis ins Städtchen.

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De Omma sieht blass aus und ist insgesamt ein bisschen wackelig. Brombeergelee hat sie gekocht, heute, 24 Gläser von 6 Packungen Zucker, erfahre ich. Sie deutet auf den Küchenschrank. Tatsächlich. Da stehen die Gläser. Die Küche ist pikkobello aufgeräumt, nur der Entsafter steht noch auf dem Ofen. „Alles heute?“, ich bin beeindruckt, aber „wieso teilst du dir das denn nicht ein bisschen auf?“, frage ich, „heute zwei Ladungen, morgen zwei…?“ Die Oma guckt verwundert. Diese Möglichkeit ist ihr anscheind gar nicht eingefallen. Nee, nee, das habe sie sich vorgenommen und geschafft, sagt sie und ist ein bisschen stolz. Vorhin hat sie die Hühner reingelassen und auf dem Weg zurück zum Haus, da habe sie ganz kurz mal gedacht, vielleicht sei es doch ein bisschen zu viel gewesen, „aber jetzt geht es schon wieder“, sagt sie und beißt fröhlich in ihr Schinkenbrot.

Es war nicht vielleicht ein bisschen zu viel, sondern definitiv ziemlich. Am nächsten Morgen sind de Eltern leicht verhuscht. De Omma hatte morgens um vier angerufen, weil sie sich in einer Situation befand. Zum Glück nicht so schlimm wie befürchtet, aber aufregend war es doch. Ausnahmsweise wird sie heute nicht selber kochen, und, wenn wir ehrlich sind, den Rest der Woche wohl auch eher nicht. Mittagessen im Stile der frühen 60er Jahre, morgens um viertel nach elf – sowas kann von uns gar keiner. De Mudda improvisiert für heute und bestellt für die nächsten Tage Mittagessen im Nachbarort, ohne groß zu fragen. Wenn man den Namen des Nachbarorts so betont, dann meint man das dortige Seniorenheim. De Omma macht damit offiziell nicht mehr alles selber. Selbstverständlich nur diese Woche, sagt sie.

Chronisch krank sein ab mitte dreißig bietet einem die Chance, das „in Würde altern“ zu üben, stelle ich fest. Ich koche nie 6 Packungen Gelee an einem Tag.

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Die Honigkundin, der er einmal im Jahr einen Karton in den Keller trägt, hat jetzt einen Treppenlift, erzählt der Liebste. Total praktisch, das Ding. Einer beläd die Kiste im Keller mit Holz oder Eingewecktem, die andere nimmt es oben in Empfang. Niemand muss mehr irgendwas die hoch oder runter Treppe tragen. So machen wir das auch mal, später.

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Die Fenster, die in KW 45 eingebaut hätten werden sollen sind beim Schreiner angekommen. Sobald es 10°Grad hat werden die eingebaut. Juhu!

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Sonst war nix.

alltägliche Winterwoche KW4/2023

Sonntag morgen sind wir die ersten, die durch den verschneiten Wald spazieren. Aus Gründen. Es ist irgendwie doof kalt und trotz Schnee fühlt sich dieses Wetter grau an. So kann man aber mal sehen, was hier los ist, wenn keine Menschen unterwegs sind. Hasen können unheimlich weit hüpfen. Offensichtlich war er schneller als der Fuchs. Die kleinen Pfoten, vielleicht ein Eichhörnchen und die winzig kleinen, durch den Schnee gefrästen, das muss eine Maus gewesen sein. Neben uns murmelt ein Bach, normalerweise fließt da kein Wasser, aber es hat unheimlich viel geregnet, in den letzten zwei Wochen. Am Hang, ein Stückchen über uns aber kaum 10 Meter weit weg stehen zwei Rehe. „Samma, wollt ihr nicht weglaufen?“, fragt der Liebste in ihre Richtung. „Das sind doch immer die gleichen zwei“, sage ich, „wir sehen uns jeden morgen, irgendwo auf der Runde“. „Das ist ja wie bei Aschenbrödel, hier“, murmelt der Liebste.

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Schön, dass der noch fährt, denke ich Montag morgen, als ich zufällig um fünf Minuten vor acht den Schulbus am Haus vorbeifahren sehe. Da hätte es fast ein Muttitaxi gebraucht und – ich sags wies ist- dieser Montag kam plötzlich. Ich hab noch meine Schlafihose drunter.

Der Bus kommt jetzt später, erzählen die Blagen, irgendwas ist irgendwo gesperrt, die Schule weiß bescheid. Der Busfahrer hatte es durchgesagt, am Freitag, sie hatten das nur leider vergessen. Morgen gehen sie eine viertel Stunde später los. Abfahrt 7.55 Uhr, Fahrzeit etwa 15 Minuten, Unterrichtsbeginn 8 Uhr, mehrere Wochen. Es gab mal eine Zeit, da hätte die Schule die Eltern über sowas informiert und man hätte sich aufgeregt. Das ist lange her.

Märzkind braucht mit dem Bus morgens nur noch 20 Minuten bis zur Schule. Das AS-Taxi nach der achten Stunde fährt leider eine Schleife und braucht fast anderhalb Stunden.

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Der Hund liegt auf seiner Matte uns schläft. Gefühlt das erste mal seit zwei Wochen. Plötzlich wird mir bewusst, wie sehr mir das permanente Rumschleichen mit seufzendem Fiepen auf die Nerven gegangen ist. Er ist natürlich trotzdem mein Lieblingstier, aber die friedliche Stille ist erholsam. Gerade als ich den Gedanken zu Ende gedacht habe, kommt Maikind rein, setzt sich neben den Hundeschlafplatz. Wie schön das ist, ihn mal hier ratzen zu sehen, so ganz in Ruhe, sagt er, da hat man eine Sorge weniger, denn, wenn er ganz ehrlich sein soll, ist er ein bisschen aufgeregt, wegen seiner Prüfung….

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Jemanden früh morgens an einer Klinik abgesetzt, zwei Stunden später fröhlich Rest-sediert wieder abgeholt und einen halben Tag unter Beobachtung behalten.

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Ob er denn lieber von der Mama oder vom Papa zur Prüfung gefahren werden will, erkundigt sich der Liebste beim Maikind. Maikind sagt, dass sei ihm ehrlich scheißegal, Hauptsache er ist pünktlich da und muss vorher nicht mit Leuten reden. Alle anderen haben Unterricht in der Zeit, das heißt, in der Aula ist wahrscheinlich niemand, wir fahren also alle beide und Kickern eine Runde, während wir warten.

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Leute brauchen eigentlich viel weniger Weihnachts-Süßkram als Leute denken. Vier Wochen lang haben wir die selbst gekauften, geschenkt bekommenen und in anderen Haushalten übrig gewesenen Plätzchen, Lebkuchen, Weihnachtsmänner und sonstiges in Sternchenpapier verpacktes aufgegessen. Zum ersten Mal dieses Jahr steht Schokolade auf dem Einkaufszettel.

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Der Liebste hat Dienstjubiläum, ich bin auch eingeladen und freue mich. Das Essen schmeckt richtig gut, es gibt echte Servicekräfte, die Leute sind freundlich. Wenn mir vorher bewusst gewesen wäre, wer genau der Mann, der auf meiner anderen Seite Platz genommen hatte war, hätte ich mich vielleicht nicht so locker unterhalten. Der Chef vom Chef ist Fleischesser, Gladbach Fan und hat den ganzen Sommer versucht, einen Fischreiher, der zur Feierabendzeit über seinen Garten fliegt, zu fotografieren.

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Eigentlich konnte man an der Stimmlage der Durchsage schon merken, dass es keine Übung ist, sagt Märzkind, aber irgendwie sind doch alle davon ausgegangen. Dann kamen sehr schnell sehr viele Polizeiautos. Die Beamten alle in voller Montur und mit Hunden ins Gebäude… da haben ein paar Leute Nerven flattern bekommen. Die Lehrerin hat alle zum Rewe geleitet. Dort hat sie für die ganze Klasse Kekse geholt, von ihrem eigenen Geld, denn die meisten hatten ihre Geldbeutel garnicht dabei, „nur das allernötigste“, da nimmt man Jacke und Handy… Zwei Stunden hat es gedauert, dann durften sie zurück in die Schule. Es wurde nichts gefunden. Aber – es hat sich verdammt seltsam angefühlt wieder rein zu gehen. Bombendrohung hatten sie alle noch nie. Märzkind war mit der Organisation sehr zufrieden und hat sich insgesamt nur so mittel bedroht gefühlt. Ein herzliches Dankeschön an diese Lehrerin und natürlich an alle, die rein gegangen sind, als man noch dachte, es wäre ernst.

Sachen machen, KW 1-3 2023

Wenn man am zweiten Januar vormittags in der Hausarztpraxis anruft, ist der nächste freie Termin für eine Jugendschutzuntersuchung der 15. Februar. Tja, es ist, wie es ist, wir informieren den zukünftigen Arbeitgeber.

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Wir wollten schon ewig mal ins Kino, jetzt ist die Gelegenheit. Nur der Liebste und ich – und achtzig andere, der Saal ist voll. Wunderschöne Bilder, tolle Musik, aber, wenn es eine Handlung gab, hab ich sie nicht verstanden. Avatar zwei ist wie Avatar eins mit Wasser statt Wald, plus einem sehr langen Trailer für Avatar drei.

Möge dem Mann mit dem lauten Röchelhusten, der an meiner anderen Seite saß, der Löffel ins Müsli rutschen. In diesem Zustand gehört man zu Hause aufs Sofa. Immernoch.

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Das Schwimmbad im Städtchen ist so kalt, das es keinen Spaß macht, berichtet Märzkind. Wir fahren also ins Schwimmbad des Nachbar-Städtchens. Umkleiden, Fussböden, Duschen, Schwimmhalle, Nichtschwimmerbecken – es fühlt sich alles ganz normal an. Uuuuhhh, das Schwimmerbecken ist kälter. Ziemlich. Aber eigentlich macht das nichts, denn wer hier drin ist, schwimmt. Man reiht sich ein, in eine Bahn, die von der Schwimmgeschwindigkeit passt und schwimmt so lange, wie man Lust hat, einfach hin und her. Keine dümpelnden Aquajogger, keine tratschenden Rentnerclübchen in der Beckenmitte.

Nach einer Stunde haben die beiden kleinen Mädels Hunger. Während sie die Brotdosen leeren beobachten sie unauffällig aber interessiert die Damen, die sich zum Aquafitnesskurs einfinden. Fröhliche Genussmenschen, die seit Jahrzehnten auf einem Planeten mit Schwerkraft leben, total ungefiltert und alle sind nett miteinander. Geräuschpegel wie eine Klassenfahrt. Es ist tatsächlich unterhaltsam. Und ohne es zu merken, leisten die Damen einen großen Beitrag zur sozialen Entwicklung.

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Man öffnet mir die Tür. Märzkind hantiert mit ihrem Handy und ich sehe auf den ersten Blick, die Stimmung ist prächtig „Hiiii, da biste ja schon! Kannste ma gucken, ob da no irgenwo Blut ist?“ Nee ist nix. „Dann können wir ja jetzt gehen“, sagt sie. „Äh, du hast noch ne Nadel im Arm und bist an das Piepdings angeschlossen“ „Ah so, wir warten, bis es aufhört zu piepen?“ Ich sag mal ja und freue mich ein bisschen, die Sedierung war ihr Geld wert. Vor dieser Zahn-OP hatte sie ein bisschen Angst, wenn man ehrlich ist.

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„Samma, wie kam das eigentlich?“, frage ich den Liebsten, als wir kurz vor Mitternacht angeschickert durch den Garten gehen. Also, eigentlich waren wir zur Übergabe des letzten Weihnachtsgeschenks mit ganz anderen Leuten verabredet, das passte aber kurzfristig nicht, deswegen ist er laufen gegangen und auf dem Rückweg dem Nachbarn begegnet. Sie haben spontan beschlossen, den Apfelwein zu probieren, dann war jetzt. Hätte geplant nicht schöner sein können, dieser Abend.

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Ich schreibe eine mail ans Ordnungsamt, damit die einen Untersuchungsberechtigungsschein für die Jugendschutzuntersuchung ausstellen, denn es gibt keinen Bestell-Button oder so dafür. Als mir die Frau am Telefon erklärt hat, das sowas gebraucht wird, hätte ich fast gefragt, ob er die Unterputzfräse auch mitbringen soll, aber anscheind gibt es diesen Schein wirklich. Die Ausstellung ist auch überhaupt kein Problem, schon am Tag drauf liegt er bei der Stadt zur Abholung bereit, kostenlos. Mehrere Seiten normales, gedrucktes Papier, für den Laien sieht es fast so aus als könne man es in einen Email-Anhang packen und über verschlüsselte Verbindungen, so wie sie beispielsweise Arztpraxen oder Behörden nutzen, verschicken. Aber hej, ich hatte Zeit und war sowieso auf dem Weg.

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„kennste das, wenn man ungefähr 800 mal denkt, man müsste eigentlich mal… und dann kommt der Moment und man merkt, jetzt ist es soweit, jetzt macht man es wirklich… und dann freut man sich, weil man nicht mehr denken muss, man müsste eigentlich mal…“, frage ich Märzkind. Sie zieht fragend die Augenbrauen hoch. Ich hab den Keller gesaugt. War nötig.

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Die erste Woche des Jahres ist richtig gut gelaufen. Wir haben fast soviel unternommen wie im ganze Jahr 2021.

Die beiden nächsten Wochen lassen sich in einem Satz zusammenfassen. Der Hund war Weihnachten schon nicht ganz knupser, mittlerweile macht er mich wahnsinnig. 10 Weiber wohnen im Umkreis von 500m um uns rum. Das geht so nicht. Ich wäre bereit Maßnahmen zu ergreifen. Der Liebste ist strikt dagegen. Der Hund packt noch was drauf. Steinerweichendes heulen morgens um 6. Na gut, sagt der Liebste, das nervt tatsächlich. Ach was. Wir finden einen Kompromiss.

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Der Wolf war da. Ist über ein Feld gelaufen 10km von hier, es gibt ein Video. Helle Aufregung, ob wir denn keine Angst hätten, hier den Hund frei laufen zu lassen, werden wir beim Spaziergang gefragt. Nö, haben wir nicht. Der war übrigens schon mal da. Weiß ich von den Jägern, die wir damals, vor Corona öfter beherbergt haben.

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Die Freundin kommt vorbei, eigentlich wollte sie nur die Kinder absetzen, aber, wir haben uns dies Jahr noch garnicht gesehen und trinken einen Kaffee. Ich müsste dann mal mit dem Hund, vielleicht hat sie Lust, spontan eine Runde mitzulaufen? Jo, könnte sie. Als wir zurück sind, wäre es fast schon Zeit, die Kinder abzuholen, deswegen kommt sie einfach nochmal mit rein. Ohne Grund und Anlass einen ganzen Nachmittag durchgeschnuddelt. Schön wars.

Jahreswechsel 2022/2023

Das war ein lockeres Weihnachten, dies Jahr, dachte ich. Bisschen anstrengend natürlich, aber alles im grünen Bereich. Dann kam „der Tag danach“. Zusammengefasst kann ich sagen, beide Omas haben drei Tage feiern hintereinander nicht gut vertragen. Die eine mental, die andere körperlich. Nach einem seltsamen Nachmittag bin ich froh, dass ich abends aufs Sofa kann.

An die Berichterstattung dieser Höhlenrettung kann ich mich dunkel erinnern. Zu der Zeit war aber irgendwie viel los. Ich dachte, bestimmt wird das eh verfilmt, und hab es nicht weiter verfolgt. Der Liebste ist beim Fussball, die Kinder vor ihren eigenen Bildschirmen. Dieser Film ist wie gemacht für meinen heutigen Gemütszustand. Den ganzen Abend gucke ich Leuten beim Klettern im Dunkeln zu und fühle mich gut unterhalten. Ich hatte keine Ahnung, dass es in Deutschland eine so große Höhle gibt, so dermaßen unzugänglich, dass da noch niemand bis zum Ende drin war. Und ich wußte wirklich nicht, wie der Film ausgehen würde.

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Wow. Den Knall konnte man hier drin im Fussboden fühlen. Der Hund braucht nur eine halbe Sekunde vom Nickerchen-Modus in die volle Alarmbereitschaft. Ich gucke aus dem Fenster und rechne fast damit, einen Gullideckel vorbeifliegen zu sehen. Dieser Böller war definitiv nicht EU-konform, zumal die hier heute noch garnicht verkauft werden. Irgendwer hat anscheind was selbst gebastelt und war jetzt offiziell der Erste Idiot, Glückwunsch.

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„So, wie wars denn eigentlich, unser 2022?“, frage ich in die Runde. Tjaähmpff, man weiß es nicht. Irgendwie ist nichts richtig in Erinnerung geblieben. Mal überlegen. Gut, soweit. Obwohl, Corona war blöd, der Krieg in der Ukraine ist mehr als blöd, der Fuss, die Zahnsachen, es war brülleheiß und irgendwie alles teurer. „Also, was ich richtig gut fand“, zwei Tage vor Jahresende traue ich mich, es laut zu sagen, „es hat sich niemand umgebracht. Nicht in der Familie, nicht im Freundeskreis, noch nicht mal im Bekanntenkreis.“ Darüber freue ich mich, denn es war in den letzten sechs Jahren anders. Der Liebste macht ein Brummgeräusch. „Naja, gut. Zweimal dachte ich, dieses Jahr setzt noch einen drauf und ich finde jemanden… war aber nix.“ „einmal schon“, erinnert der Liebste, „natürliche Todesursache, das gilt nicht“, sage ich. Wir einigen uns darauf, dass es unterm Strich kein schlechtes Jahr war. Abonnieren wollen würden wir es aber eher nicht.

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Märzkind ist Sylvester natürlich irgendwo anders. Wo genau weiß gar keiner, stellen wir fest. Tja, ist dann wohl groß, das Kind. Maikind und Julikind bekommen beide Besuch. Man hört es eine Weile kraschpeln auf Flur und Dachboden. Zwei Gästebetten gleichzeitig waren hier schon ewig nicht in Gebrauch, man muss die Sachen aus verschiedenen Ecken zusammensuchen, aber das können sie selber, ich möge mir da bitte keine Umstände machen. Gerne. Der Liebste und ich bauen ein kleines Snackbuffet in der Küche auf. Zur Feier des Tages darf jeder essen wann und wo er will. Die Mädels packen sich giggelnd die Teller voll und verschwinden wieder. Die Jungs setzen sich zu uns an den Tisch. Das Zimmer besteht ja nur noch aus Schreibtisch und Betten „und also, nee, das möchte man dann doch nicht“, sagen sie. Freut mich zu hören. Wann wir das mit dem Bleigießen machen, fragen sie im Gehen. 23 Uhr, antworte ich, als ob es einen Plan gäbe. Der Liebste und ich gucken Fernseh und wundern uns darüber, dass wir garnichts müssen. „Das buchen wir nächstes Jahr genau so wieder“, sagt der Liebste. Zehn Minuten vor elf kommen alle Kinder runter und wir machen Zinkgießen, weil, niemand kann erklären, wieso man Bleigießen sagt, wenn es doch mit Zink ist. Blitze und Meerschweinchen im nächsten Jahr, man darf gespannt sein. Dann ist es schon fast soweit. Jacken an, Gehörschützer auf wer mag, Fernseher ziemlich laut stellen, damit der Hund sich keine Sorgen machen muss und ab in den Garten. Niemand hat eine Uhr, macht nichts, zwölf ist, wenn es anfängt zu läuten. Äh? In den Nachbarorten steigen erste Raketen, der Geräuschpegel ändert sich. Ein Nachbar läuft ins Haus und kommt winkend wieder raus. Feuer frei. Es ist eine schöne klare Nacht, man kann das Feuerwerk aus den umliegenden Orten sehen und es ist kein bisschen kalt. Um halb eins kommt der erste Besuch des Jahres durch den dunklen Garten. Wir fragen uns, wieso das wohl nicht geläutet hat und stehen so lange, bis die Blagen sämtliches Leuchtzeug in die Luft geschossen haben.

Der Tag danach fühlt sich an, als hätte ich übel gesoffen, dabei hatte ich tatsächlich nur ein Glas Sekt. Feinstaubbelastung durch Feuerwerkt gibt es wirklich. Ich hatte es fast vergessen.

Willkommen 2023!