Beobachtungen zur Digitalisierung und zum Gesundheits- und Bildungswesen zwei Wochen vor der Wahl

Ein Kühlakku war zu wenig, das hatte ich mir gleich gedacht. Vom ersten Arztbesuch bis zur Diagnose hat es zwei Wochen gedauert, von Diagnose bis OP-Termin dann aber nur 24 Stunden. Samstag nachmittag würde ich den Liebsten gern besuchen, in der Klinik. Das geht natürlich nicht einfach so, Corona.

Beginn der Besuchszeit ist um 15 Uhr. Um 14.57 Uhr reihe ich mich in die Warteschlange ein. Vor mir zwei Senioren und ein Elternpaar mir einem jungen Mann im Rollstuhl. Die Senioren möchten jeweils jemanden besuchen, sie weisen ihren Impfstatus nach und bekommen ein Blatt in die Hand gedrückt, dass Sie bitte ausfüllen und wieder abgeben sollen. Der junge Mann soll vorstellig werden, das örtliche Krankenhaus traut sich da nicht ran. Das ist Alltag hier, er möge sich in die Ambulanz begeben. Ah, die Eltern wollen mit? Das ist was anderes. Zwei Leute dürfen eigentlich nicht mit, aber wenn sie beide Eltern sind, nagut, das sollte gehen. Leben denn alle drei im gleichen Haushalt? Nein? Dann bitte jeder einen Zettel ausfüllen, und die Eltern jeweils den Impfstatus nachweisen. Langsam werde ich ungeduldig. Die beiden Senioren haben ihre Selbstauskunftszettel fertig ausgefüllt. Der Mann fragt höflich, ob er denn eventuell vor dürfte, um den Zettel abzugeben. Ja, darf er. Die Besucherwarteschlange geht mittlerweile bis vor die Tür. Ja, die zweite Seniorin, die vor mit in der Schlange war darf auch den Zettel noch abgeben. Dann bin ich dran.

ich: „Ich möchte meinen Mann besuchen.“

die Dame: „Da muss ich einmal bitte ihren Impf- oder Testnachweis sehen.“

Ich wedele mit dem Handy. Suche nach dem QR-Code zum einchecken

die Dame: „Nee, Äpps haben wir hier nicht.“

Ich krame meinen Impfpass raus, schlage die Seite mit den Covid19-Impfungen auf und reiche ihn der Dame durch das dafür vorgesehene Loch in der Scheibe

die Dame: guckt einmal kurz drauf, sagt „OK“, (kein Blick auf die Vorderseite, wo der Name steht), beginnt in ihre Zettelwirtschaft zu durchwühlen, findet den Ausdruck, auf dem der Name meines Mannes steht, überlegt, guckt mich an und teilt mir abschließend mit „da sind schon zwei“

Ich verstehe nicht, was das heißen soll und frage nach

die Dame: „da sind schon zwei Besucher“

Ich bin nervlich mittlerweile etwas angespannt, „gute Frau, ich bin mir sicher, dass da nicht schon zwei Besucher sind, weil, ich bin gerade zweieinhalb Stunden Auto gefahren, um herzukommen. Soweit wohnen wir nämlich weg, da kommt niemand spontan vorbei.“

Die Dame durchwühlt ihren Stapel erneut, kommt zu dem Schluss, dass da einfach zwei Patienten auf dem Zimmer sind, und dann müsste ich bitte den Zettel noch ausfüllen

ich: „ich bin die Ehefrau, ich bin als Besuchsperson eingetragen, meine Daten sind hinterlegt“

Die Dame reicht mir wortlos den Zettel und weist mich Richtung Zettelausfüllstation.

ich: „Also, ich fülle jetzt diesen Zettel aus, reiche Ihnen den hier rein und gehe dann aufs Zimmer, ist das OK für Sie“

die Dame: „ja, Sie sind ja die Ehefrau“

Ich gehe in den Zettelausfüllbereich, gebe Auskunft darüber, dass ich kein Halskratzen oder Fieber habe, wen ich hier wann genau aus welchem Grund auf welchem Zimmer besuchen möchte und dass ich in keinem Risikogebiet war. Ich reiche den Zettel durchs Fenster, die Frau, die nach mir in der Schlange stand hat ihren Zettel noch garnicht bekommen, die Stimmung im Rest der Warteschlange ist angespannt.

Ankunft im Patientenzimmer um 15.25 Uhr.


Montag kann der Liebste nach Hause. Es gibt eine extra Verwaltungskraft, die sich nur um Besucherzettel kümmert, nach zwei Minuten bin ich drin und freue mich – zu früh. Die Tasche hat er schon gepackt, sagt der Liebste, wir müssen nur noch auf den Mann vom Sanitätshaus warten, der die Orthese bringt, und einen Arztbrief. Nach anderthalb Stunden frage ich nach. Tja, also der Arztbrief sei gedruckt und müsse nur noch unterschrieben werden und das Sanitätshaus komme immer so gegen Mittag, also quasi jeden Moment. Eine halbe Stunde später kommt jemand. Nach einer freundlichen und routinierten Einweisung in die Handhabung der Orthese warten wir nur noch auf den Arztbrief. Und warten. Und warten. Wir befinden uns im 21. Jahrhundert, im siebzehnten Monat einer Pandemie, es ist das homeoffice Zeitalter. Ich komme mir verarscht vor, wenn ich hier auf einen Zettel warten soll, der angeblich vor zwei Stunden schon gedruckt wurde. Ich suche die Adresse der Hausarztpraxis raus, schreibe auch die email Adresse dazu, das Städtchen hat, glaube ich, sogar einen Brieftaubenverein, vielleicht sollte ich derern Kontaktdaten auch angeben, falls ihnen die anderen Wege zu modern sind? Da kommt zum Glück der Kaffeewagen durch. Man ist überrascht, dass dieses Zimmer immernoch belegt ist, aber wir bekommen beide einen Kaffee. Das hilft. Danach nehme ich die Tasche und wir machen uns auf Richtung Dienstzimmer, um mitzuteilen, dass wir dann jetzt gehen. Man bittet uns um einen Moment Geduld, da sei extra für uns jemand auf dem Weg. Ein Pfleger kommt mit dem Arztbrief durchs Treppenhaus gesprintet. Außerdem bekommt der Liebste noch eine Bonus-Thrombosespritze für heute Abend, weil der nächste Arztbesuch erst am Donnerstag ist, und die Klinik darf nur ein Rezept für zwei ausstellen. Das ist nett.


Dienstag nachmittag mache ich mich auf den Weg, das Rezept einzulösen. Die Apothekerin murmelt vor ihrem Bildschirm. Leider kann sie zwei Thrombosespritzen nicht bekommen. 10 könnte sie mir geben, allerdings nicht auf dieses Rezept, weil da ja nur zwei drauf stehen, ob ich es vielleicht nochmal woanders versuchen will? Vielleicht hat eine andere Apotheke diese Packungsgröße noch vorrätig. Um es kurz zu machen: Nö. Diese Packungsgröße ist nicht vorrätig und nicht zu bekommen. Ich gehe also zur Hausarztpraxis und bitte um ein anderes Rezept. Das sei kein Problem, erfahre ich zu meiner Freude. Nur leider ist die Ärztin gerade in einer längeren Untersuchung, da müsste ich kurz auf die Unterschrift warten. Das ist kein Problem. Ich warte, gehe danach wieder zur Apotheke, bekomme die Spritzen und habe die anderhalb Stunden gezahlte Parkzeit damit bis auf die letzte Minute genutzt.


Morgen hat er übrigens „Heimstudientag“, sagt das Maikind. „Hä?“, frage ich nach. Der Klassenlehrer ist krank, erfahre ich, deshalb hätten sie morgen, mal abgesehen von einer Stunde Englisch, nur Vertretungsunterricht gehabt und das macht ja nun wirklich keinen Sinn. Deswegen haben sie Aufgaben bekommen und bleiben alle zu Hause.

Ganz ehrlich, nach so einer Woche ist mir das Furzegal, dann eben keine Schule, wieder mal.

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