Der Liebste hat ein paar Tage frei. Das war auch nötig. Niemand von uns will jammern, wirklich nicht. Krise mit Geld ist definitiv viel besser als Krise ohne Geld. Anstrengend ist es aber trotzdem.
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Da hat der Klassenkamerad zu der Fachlehrerin gesagt „ach, halten Sie doch die Fresse“ dann hat er seine Sachen eingepackt und ist mit den Worten „den scheiß muss ich mir nicht geben“ rausgegangen und mit dem Fahrrad weggefahren. Der Klassenlehrer, der Vertrauenslehrer und die Sozialarbeiterin haben ihn dann in ihren Autos verfolgt. Diese Geschichte höre ich beim Mittagessen aus drei verschiedenen Perspektiven. Großes Kino. Der Klassenkamerad ist zwar einer von der speziellen Sorte, hat aber in dieser Sache alle Sympathien auf seiner Seite. Die Fachlehrerin hat im kognitiven Bereich noch Luft nach oben, da sind sie sich einig.
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Wir nutzen eine Sonderaktion des Einzelhandels und kaufen Kleidung ein. Ausnahmsweise mal nicht für die Kinder. Man wird am Eingang herzlich begrüßt, und gebeten, so ein Tütchen zu nehmen, damit jederzeit nachvollziehbar ist wie viele Leute gerade da sind. Es sind auffallend viele Verkäufer da, alle fachkundig und freundlich, es gibt keine Schlangen an den Umkleiden. Eigentlich ist es ein tolles einkaufen, so. Wenn da nicht dieses sanfte gruseln wäre, mit so vielen Leuten in einem Raum…
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Die Großeltern entscheiden, dass man sie trotz lockdown noch besuchen darf, weil sie keine Lust mehr haben, sich zu fürchten. Die Kinder freuen sich sehr und verschwinden.
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Die Schule hat irgendwas am Start, für den Fall, dass sie wieder schließen müssen. Das Märzkind sagt, sie habe den Zettel auch bekommen (ja Zettel, im neunten Monat der Pandemie) die Lehrerin geht aber davon aus, das dieses irgendwas eher nicht funktioniert, wenn alle gleichzeitig damit unterrichten wollen. Sie werden bei dem bleiben, was sie im Frühjahr und in der Heimstudienwoche genutzt haben, bis das andere verlässlich funktioniert. Ach, und bitte 5 Euro Kopiergeld mitgeben, pro Kind. Mit Mühe unterdrücke ich den Impuls eine Kopie der Rechnung über 42 Euro für Druckerpatronen an die Schule zu schicken, per mail, weil ich es kann.
Ich erkläre mich statt dessen dreimal handschriftlich auf Papier damit einverstanden, dass meine Kinder, im Falle eines Lockdowns, von dem wir selbstverständlich alle hoffen, dass es ihn nicht geben wird, ein Videokonferenzportal nutzen düfen, das von der Kreisbildstelle auditiert wird. Es gibt da auch ein Kästchen, dass man ankreuzen kann, wenn man damit nicht einverstanden ist. Dann würde dieses Kind nicht unterrichtet.
Funfact am Rande: Die AG „Digitale Helden“ wurde schon vor zwei Wochen ins digitale verlegt, weil sich da in der echten Welt verschiedene Klassen mischen würden. Das Maikind hat bereits Zugangsdaten zu diesem Videokonferenzportal. Wenn man die eingibt passiert rein garnichts. Die digitalen Helden sind offline.
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Ein Herr Montgomery von der Ärztekammer oder so sagt im Interview des heute journal, Kinder seien einfach ein besonderes Problem in dieser Pandemie. Ich hatte in den letzten Monaten eher den Eindruck, das Problem liegt in der schlechten Ausstattung der Schulen, vorsintflutlichen Kommunikationswegen und darin, dass verbeamtete Pädagogen sich über Wochen tot stellen, aber, man wird ja so schnell betriebsblind. Natürlich sind die Kinder das Problem.
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Was ist denn nun mit Weihnachten? Die Frage kommt immer öfter. Man hätte da gerne einen Plan. Nun, das ist etwas kniffelig, dieses Jahr, aber de Mudda und ich, wir sind Team Grinch und können das ganz nüchtern durchdenken.
Plan A: Wie immer- alle sitzen im Wohnzimmer mit Weihnachtsbaum, es gibt mehr Abstand als sonst und es wird nicht gesungen. Nach der Geschenkeübergabe, spätestens, wäre man sich dann wohl sicher, dass niemand im Raum Covid hat und würde die Abstände nach und nach verringern.
Plan B: wie Plan A, nur mit bleibenden Abständen und mit Maske (ob man sich dabei dann albern vorkommt, entscheiden die Statistiken)
Plan C: Wie Plan A aber in kleinerer Gruppe, Details würden sich von selber ergeben, oder kurzfristig abgesprochen.
Plan D: Wie Plan C mit den Massnahmen aus Plan B
Plan E: Plan A – jeder in seinem eigenen Wohnzimmer über zoom
worst case scenario: mehrere kleine maskierte Gruppen stehen vor den Fenstern von anderen Gruppen oder Einzelpersonen winken. Dabei wäre Gesang theoretisch möglich.
In jedem Fall bekommt jeder, der möchte einen Baum organisiert und natürlich ein Geschenk. „Komme was wolle“, sagt de Mudda „Hauptsache, alle leben noch“. Ist immer gut, nicht allzu hohe Erwartungen zu haben. Weihnachten in 10 Minuten durchgeplant, läuft doch.
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Oder auch nicht. Wenn man so ein Weihnachtsfest auseinander rechnet, dann treffen wir 11 verschiedene Haushalte, normalerweise, das wird mir erst allmählich klar.
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Die Frau am Bäckerwagen sagt, sie denken darüber nach, die Bestellannahme für Heilig Abend zu beenden. Mehr geht einfach nicht.
Der Tiefkühlkost-Lieferant, der alle drei Wochen bei uns klingelt sagt, die Sachen, die er sonst im Januar preisreduziert verkauft, die sind jetzt schon alle weg. 6 Wochen vor Weihnachten. Das gab es noch nie.
Wottsefack?
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Wir werden an Weihnachten essen, was auch immer es am Freitag vor Heilig Abend noch zu kaufen gibt.
Die traditionellen Weihnachtkarten für Honigkunden und andere liebe Menschen bastele ich, nachdem ich lange über die beste Möglichkeit nachgedacht habe, einfach aus dem ganzen Flitterkram, den ich in den Schränken finde.
Wir machen uns einfach nicht mehr verrückt dieses Jahr.