Tag 25 bis 29, Ostern

Wir färben 40 Eier, das wird in diesem Jahr ausreichen. Die Eier kommen aus dem Eierautomaten zwei Orte weiter. Das witzige ist, das da verschiedene Größen Formen und Farben in der gleichen Packung sein können. Hier gleicht kein Ei dem anderen.

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Die Kirchenglocken sind im Moment so ziemlich das einzige Geräusch in der Außenwelt. Zwischen Karfreitag und Ostersonntag schweigen die Glocken. Es fahren auch kaum Motorräder vorbei, was bei diesen Temperaturen am Wochenende sehr ungewöhnlich ist, Trecker auch nicht, wegen Feiertag. Es ist still im Ort.

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Abends um halb zwölf, ich bin auf dem Weg ins Bett, kommt das Julikind im Schlafanzug die Haustür rein.

Die waldecksche Mundart kennt ein allumfassendes Fragewort für solche Situationen. Durch Variationen in Klang und Länge kann man den eigenen Standort anzeigen und Zukunftspläne oder Herkunft seiner Mitmenschen erfragen. Es klingt kompliziert, wird aber von Ortsansässigen aller Generationen intuitiv verstanden. Deshalb brauche ich nur ein Wort.

„Hää?“

Die Patentante habe doch am späten Abend ein Osternest bringen wollen, da habe sie jetzt nur nochmal geguckt, nicht das die Waschbären…

„Ach so.“

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Der Samstag erfüllt jedes Klischee. Ein bißchen putzen, ein spontaner Baumarktbesuch, Gartenarbeiten, Straße fegen, grillen.

Als es dunkel wird machen wir Osterfeuerchen im Garten. Zu fünft sitzen wir um die Feuerschale und suchen Sternbilder. Das kleine Feuer ist angenehm. Man kann dicht genug dran sitzen, dass man nicht friert, ohne das einem dabei die Schuhsohlen schmelzen, weil es einen Meter weiter schon echt richtig heiß ist.

Die Nachbarn machen auch Osterfeuer. Es gibt also doch noch mehr Menschen außer uns.

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Normalerweise würden das Märzkind und ich um kurz vor fünf aufstehen und ins Städtchen fahren. Dort beginnt um halb sechs die Osternacht. Da ist es noch dunkel. Am Eingang der Kirche bekommt man mit eine Kerze und ein Gesangbuch gereicht, mit einem freundlichen, aber wortlosen Nicken. Entlang der Sitzbänke stehen drei kleine Laternen um grob den Weg zu zeigen, man braucht ein paar Sekunden um sich zu entscheiden, Leute sieht man nicht, aber man kann spüren, das noch andere da sind. Nicht auf gruselige Art, nur leise und dunkel. Andächtig. Irgendwann kraschpelt es ein bisschen. Während man noch überlegt, ob das Geräusch wohl echt war oder nur eingebildet, fängt der Chor an zu singen. Unplugged. In einem Gebäude, dessen Akustik genau dafür gemacht wurde, ein Gänsehautmoment. Nicht digitalisierbar.

Merkwürdig, der Gottesdienst an Heilig Abend hat mir garnicht gefehlt.

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Ich rufe meine Schwester an, um frohe Ostern zu wünschen. Nach einer viertel Stunde Gespräch fällt uns auf, das wäre gar nicht nötig gewesen. Wir sind uns die letzten 20 Jahre nie an Ostern begegnet, wenn nicht zufällig jemand Geburtstag hatte. Ach guck, haben wir das auch mal bemerkt. Es ist aber trotzdem schön sich mal zu hören.

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Das Osternest der Patentante wird gefunden. „Schöne Ostern soll ich euch sagen“ , meldet das Julikind mit einem fröhlichen Grinsen „wir machen dann was, wenn Corona vorbei ist, hat sie geschrieben“. Dazu gabs eine gesegnete Portion Schnuck, die sofort ins Kinderzimmer getragen wird. Läuft.

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Die anderen Osterkörbchen hatte der Hase wegen sommerlicher Temperaturen im Haus versteckt. Das ist unüblich, es gibt keine Standardverstecke und die Suche dauert entsprechend länger. Eiersuche im Garten geht dann schneller.

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Mittagessen besteht aus Marzipan und Blätterkrokant.

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Am frühen Nachmittag gehen wir Eierwerfen. Bei 25 Grad ist es eigentlich schon zu warm, um den Hang mehrmals wieder hochzulaufen. Nach der zweiten Runde essen wir die Eier, die noch heil geblieben sind in Picknick Atmosphäre auf der Wiese. Die zwei die kaputt gegangen sind darf der Hund sich holen. Am Himmel über der Eierwiese ist nicht ein einziges Flugzeug zu sehen, die ganze Zeit nicht.

Am Wanderparkplatz ist schon ein Hinweis auf Waldbrandgefahr angebracht. Anscheind rechnet man mit anreisenden Städtern. Das man im Wald nicht raucht und keine Zufahrtswege zuparkt ist eigentlich klar.

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Oma und Opa haben das Eiersuchareal ausgeweitet. „Die ganze Hecke, bis da hoch“, die Oma macht eine ausladende Armbewegung. Die Kinder verschwinden.

Als alles gefunden ist sitzen wir noch eine Weile auf dem Hof.

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Als wir zu Hause ankommen fährt gerade die Oma aus dem Städtchen vor. Sie bleibt im Auto sitzen, wir bleiben stehen und warten. Sie bleibt sitzen, wir wundern uns. Sie öffnet die Tür einen kleinen Spalt und sagt, sie wolle nur die Osterhasen für die Kinder bringen, bleibt aber sitzen. Der Liebste fragt, ob er denn ans Auto kommen dürfe, um sie ihr abzunehmen. Sie ringt sichtlich mit sich, steigt dann aus und übergibt mit ausgestreckten Armen eine Tasche mit Osterhasen und eine mit ausgelesenen Büchern, die ich ihr geliehen hatte.

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Abends wieder Star wars. Ich habe jetzt drei Folgen gesehen und frage mich, worin die Handlung wohl besteht. Natürlich nur innerlich, sonst wird mir das noch jemand erklären. Ich habe allerdings nachträglich noch einige Witze aus big bang theory und Lego Movie verstanden. Das Märzkind und ich waren uns einig, das die dieses Fluggerät mal grundsätzlich warten sollten. Nach jedem Start fliegen irgendwo Funken und jemand rennt fluchend mit dem Schraubenschlüssel los. Das verliert zunehmend an Unterhaltungswert. Die Jungs waren der Meinung, wir hätten keine Ahnung.

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Montag dann fünfzehn Grad weniger und viel Wind. Ich mache den Ofen an.

Nach der Hunde-Spaziergangs-Runde sammeln wir ein Osternest bei der Oma im Nachbarort ein.

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Märzkind und Maikind erkundigen sich unabhängig voneinander, ob ich schon weiß, ob die Schule nach den Ferien weitergeht, und wenn ja, wie?

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In den Nachrichten spricht ein Professor der Leopoldina. Bestimmt einer der besten seines Fachs. Leider hat er ganz offensichtlich keine Vorstellung davon, wie sich Grundschüler verhalten werden, die sich seit 5 Wochen nicht gesehen haben. Das nicht alle Schüler generell zu Fuss zur Schule kommen hat anscheind auch noch niemand im Detail bedacht.

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Zu meiner eigenen Überraschung stelle ich fest, das mir die Probleme der letzten Wochen sympathischer werden, je näher wir einer Lösung kommen.

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