Schäfchen zählen

SchafWenn sich bis um 8 Uhr niemand meldet hat sie heute frei, sagt die Freundin.  Um drei Minuten nach 8 bekomme ich ich eine Nachricht. Wir könnten dann in einer halben Stunde los.

Spontan geplant wird ein längerer Spaziergang in der näheren Umgebung. Wir müssen ja beide nach der fünften Stunde schon zu Hause sein.  Da wir beide schon ewig in dieser Gegend wohnen und völlig ortsblind sind, müssen wir gar nicht weit fahren, um einen Wanderweg zu finden, den noch keine von gelaufen  ist.

Wir parken auf einem Wanderparkplatz und machen uns machen uns auf den Weg. Wandern klingt so nach Urlaub. Nach einigen Metern geteertem Feldweg führt ein Trampelpfad in den Wald. Und es folgen die auf der Wandertafel angekündigten Höhenmeter. Praktischerweise alle direkt hintereinander, nicht verteilt auf mehrere kleine Hügel, so wird man schnell warm. Da es kein normaler Wald ist sondern der Urwald hier anfängt, muss man auch auf Stämme und Wurzeln achten.  Nach 10 Minuten laufen kann man sich vorstellen, wie die Geschichte um Hänsel und Gretel enstanden ist.

Oben auf dem Berg erwartet uns eine Heidelandschaft, die, in weniger trockenen Jahren um diese Zeit blühen würde. Sehr malerisch. Wir wundern uns, dass es sowas gibt, so wohnortnah. In diese Idylle passt die Schafherde am Wegesrand perfekt. Es sind ziemlich kleine Schafe, bestimmt so eine fast ausgestorbene Haustierrasse vom Archehof, oder so.

Eins steht mitten auf dem Gelände und grast in aller Selbstverständlichkeit außerhalb des Zaunes. Die Freundin hat im früheren Leben Landwirtschaft gelernt und scannt sofort Wiese, Zaun und Herde. Nee, ist nur das eine, Zaun scheint heil zu sein. Manchmal finden die Biester so Lücken, die man nicht für möglich hält. Das Schaf fühlt sich ertappt und will so schnell es geht zur Herde zurück. Die Maschen im Zaun sind so groß, dass es mit dem Kopf durchkommt, mit dem Rest natürlich nicht. Es erkennt das Problem nicht und versucht einfach mit aller Kraft durchzukommen.  Dabei blökt es ganz jämmerlich.

„Ich guck mal, ob ich die Batterie (vom Elektrozaun) finde, dann könnten wir kurz den Strom abstellen und es rausholen“. „Ach was“, sagt die Freundin, „das sind doch nur so Schäfchen, da wird nicht viel drauf sein.“  Sie ist schon auf dem Weg. Ich sehe natürlich erstmal keine Batterie. Na klar, die soll man mit Sicherheit auch nicht finden.

„AAAch nuu aber“, es ist dieser tröstlich bestimmende Tonfall, mit dem Landwirte mit Viechern reden. Als ich mich umdrehe hat sie das Schaf schon aus dem Zaun und dann: „Huuuch!“   fliegt es im hohen Bogen darüber. Auf der anderen Seite stakst es davon und blökt jetzt in einem Tonfall der klar macht, dass es sich derart unwürdige Rettungsmaßnahmen in Zukunft verbittet. Wir lachen uns kaputt. Das sah aus wie bei Drachen zähmen leicht gemacht. Sie habe eigentlich das Schaf nur drüber heben wollen, in dem Moment hat es sich abgestoßen und naja, die haben ganz schön viel Fell, es hätte gar nicht so viel Kraft gebraucht.

Der Weg führt uns noch etwa anderthalb Stunden durch eine Landschaft, die sich weit weg vom Alltag anfühlt. Am Ende sind wir uns einig, sowas sollte man öfter machen. Für einen langen Spaziergang braucht es weniger Vorbereitung als für eine echte Wanderung. Zwei Stunden finden sich eher als ein ganzer Tag. Und der Erholungswert ist erstaunlich.

 

 

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