Sommersachen mit Urlaub

Ein neuer Stromzähler wurde eingebaut. Bis eben lief das Zählerrädchen einfach rückwarts, wenn mehr Strom reinkam als verbraucht wurde. Ab jetzt müssen wir den Strom fangfrisch selber verbrauchen, damit es sich lohnt. Das verändert routinierte Haushalts-Abläufe.

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Innerhalb von nur zwei Tagen geben drei Leute im Bekanntenkreis zu, in diesem Jahr garnicht zu verreisen, zu voll überall, zu warm, zu umständlich und eigentlich dafür dann unterm Strich zu teuer für zu wenig Erholung und ach, wir habens doch auch schön hier. Verstehe ich sehr gut, aber dieses Jahr haben wir was vor.

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Es tun sich Sachen an Arbeitsstellen. Gute Sachen, aber ein bisschen umständlich. Zeiten verschieben sich, Abläufe und Pläne damit auch. Aber irgendwann ist dann tatsächlich Urlaub.

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Seit gestern sei offiziell Niedrigwasser, wir müssten also mit zwei Kanus fahren, hatte der Mann am Telefon gesagt. Kein Problem. Bis kurz vor dem Einstieg überlegen wir, was das denn heute wohl für Wetter sein will? Sonnenbrille?Lange Ärmel? Nach kurzer Einweisung geht es los. Julikind stimmt fröhlich das Lied aus dem Pocahontas-Film und – „ach guck – deswegen also diese Melodie“, nach fünf Sekunden paddeln wir im gleichen Takt. Problem ist nur, dass wir nicht im selben Boot sitzen und die Jungs, die jeweils hinter uns sitzen noch technische Details besprechen. Es dauert etwas, bis wir wirklich in die geplante Richtung fahren. Die Eder sieht vom Wasser aus nochmal ganz anders auch. Ein schöner Ferientag.

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„Tja äh“, sage ich zum freundlich lächelnden Mann hinter dem Museumstresen, „wir sind eine Familie, 5 Leute über 18, eine davon Studierende, plus eine Schülerin und wir hätten gern den bestmöglichen Preis.“ „Tja, äh“, sagt der Mann und guckt auf seinen Monitor. Am besten wäre es wohl, wenn wir ein Familienticket plus zwei Erwachsene… ich schaue mich nach hinten um, die Reisegruppe nickt. Ist günstiger als zwei Kleinfamilientickets. Dann machen wir das so. „und? Sie sind wirklich alle eine Familie?“, fragt der Mann ehrlich erstaunt nach, während die Eintrittskarten gedruckt werden. Jo. „ah der Studierendenausweis“, sagt Märzkind und fängt an in ihrer Tasche zu kramen, „nee, nee braucht er nicht“, sagt der Mann und reicht fröhlich einen halben Meter Eintrittskarten rüber.

Urlaub zu sechst bei herrlichem Sommerwetter. Baden im See, Wasserballspiele, bisschen Kultur und viel gutes Essen. Abends sitzen wir lange draußen, in T-shirts und kurzen Hosen, das hatten wir die ganzen Ferien noch nicht. Es riecht nach Mückenspray und Sonnencreme. Am Ende der Woche sind wir fast ein bisschen erstaunt, wie gut das alles geklappt hat.

Zu Hause war es währenddessen nicht nur warm sondern heiß. Die ersten Bäume sind erkennbar gelb geworden in den paar Tagen. Am nächsten Morgen dann Hunderunde durch dichten Nebel bei 10°C und mit Gedanken an Handschuhe und Spekulatius. Gestern um diese Zeit war ich schwimmen im See. Es gibt keine Übergange mehr.

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Der Lehmputz trocknet immernoch vor sich hin.

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Zack. Sechs Wochen Sommerferien rum. Schulstart mit nur einem großen Schulkind läuft völlig stressfrei. Drei Schnellhefter müssen besorgt und zwei Bücher eingeschlagen werden, irgendwann im Lauf der ersten Woche. Kurz bin ich in Gedanken bei all denen, die heute nachmittag da raus müssen um Kieserblöcke in Lineatur zwei und sonstigen Kram zu besorgen, dann gehe ich in den Garten und freue mich über einen freien Nachmittag.

die beste Ansage

Das Freibad in dem wir uns befinden ist alles in allem wohl ungefähr so groß wie ein Fussballfeld und wirkt liebevoll gepflegt, soweit man das beurteilen kann, denn es ist rappelvoll. Auf der Liegewiese sind zwei Mannschaftszelte aufgebaut, darin jeweils zwei Biergarnituren, rund herum stehen Iglo-Zelte, zwischendrin einige Gästebett-Luftmatratzen, einfach so auf der Wiese, überall liegen gemischte Stapel aus Handtüchern und Campingzubehör. Man hat das Tor im Zaun geöffnet, auf dem Grundstück der benachbarten Kita sieht es genauso aus. Fröhliche Menschen jeden Alters grüßen sich herzlich, wenn sie sich vor den Duschen begegnen. Sonnengebräunte Tagesgäste übergeben an die Feierabendschwimmer. Es riecht nach Abend im Freibad, aber die Geräuschkulisse passt nicht, denn dieses Bad wird heute nicht schließen. Da wo normalerweise Eintritt kassiert wird steht ein Bierpilz, am Beckenrand eine Pommesbude, der Kiosk hat geöffnet und die Sauna ist auch in Betrieb.

Zu dritt sitzen wir auf einer Bank am Zaun, schauen schweigend den Leuten zu und fragen uns allmählich, ob wir hier überhaupt richtig sind. Es gibt keinen Meter freie Fläche, wo bitte sollen Chearleader auftreten? Dann tut sich was. Die Dorfjugend trägt den 12 Personen-Stehtisch ein paar Meter weiter, Kiosk-Sitzgarnituren werden bis ans Beckenrandgeländer gezogen. Ein sportlich aussehender älterer Herr macht sich durchs Mikrofon bemerkbar. Er begrüßt alle Anwesenden und scheint sich wirklich zu freuen, dass so viele da sind. Hier im Dorf-Freibad ist es ja immer schön, das verdankt man dem Manfred, wo isser denn? *Lautäußerung vom Bierpilz aus* – ah, der ist zum gemütlichen Teil übergegangen, es sei ihm gegönnt, der kümmmert sich nämlich mit seinem Team das ganze Jahr um Hecken und Grünflächen, *dankbare Lautäußerungen, Applaus/ Gemurmel vom gesamten Gelände* besonders herzlich begrüßen möchten wir auch die Inge, die sich mit ihrem Team um den Kiosk kümmert, da gibts ja immer gute Sachen, aber heute eben ganz besonders *Applaus, Gemurmel*, ein herzlicher Dank auch an die DLRG, die die ganze Zeit in Bereitschaft steht und heute Nachmittag leider schon zum Einsatz kam, toll übrigens, dass alle sich an die Parkplatz-Regeln gehalten haben, der Rettungswagen kam einfach so durch, und das war wirklich gut… will man lieber nicht drüber nachdenken, wie das sonst…. *Zuschauer nicken und murmeln*, besonderer Dank geht auch an die Stricher am Beckenrand, die teilweise die ganze Nacht im Einsatz sein werden, (gemeint sind die Menschen, die am anderen Beckenrand mit Klemmbrettern auf Plastikstühlen sitzen, um die geschwommen Bahnen den Startnummern der Teilnehmenden zuzuordnen und dokumtieren, dass wirklich 24 Stunden lang immer irgendwer Bahnen schwimmt – nur für denn Fall, dass sich sonst noch jemand gewundert hat ) und dann freuen wir uns natürlich, dass die Dorfjugend so zahlreich erschienen ist *Lautäußerungen vom 12 Personen-Stehtisch*, wir nähern uns dem ersten Höhepunkt der Veranstaltung: Die Chearleader vom Sportverein des Städtchens werden jetzt gleich auftreten, morgen vormittag gegen elf, folgt dann der nächste Höhepunkt, da tritt der Shantychor des Nachbarortes auf. Offizielles Ende mit Ehrungen dann morgen um 13 Uhr, Getränke wird es selbstverständlich die ganze Nacht hindurch geben und der nächste Saunaaufguss ist um 21 Uhr, mit Zitrone/Orange. Jetzt wünsche ich allen einen schönen Abend. *Applaus* Dann geschieht einen Moment lang gar nichts. Die Chearleader stehen in Formation bereit, gucken fragend Richtung Kiosk, eine gestikuliert… Jemand müsste mal Musik… „Hach! Ja. Da war doch… so n Schtick… hatte man ihr ja gesagt, sowas aber auch“ sagt eine Frau, die vielleicht die Inge ist. Dann beginnt die Show und das Publikum ist beeindruckt, einige hören sogar auf, zu schwimmen. Sowas hat man hier noch nicht gesehen. Ich sehe es ja öfter, aber, das eben war vielleicht die beste Ansage, die ich je gehört habe.

Nach dem Auftritt tragen wir Schwimm- und Picknicktaschen wieder ins Auto und fahren an den nahe gelegenen See. Im Auto fragen wir uns, wie wir denn eigentlich auf dieser Veranstaltung gelandet sind? Lauras Oma ist Vorstand im Freibad-Verein. Ach so.

Wir lassen uns ja gern überraschen

Ein strahlender Sommertag, 28°C sind es draußen, in der vollbesetzten Aula eher mehr. Dieser Feier allmählich die Luft aus, in jeder Hinsicht. Zwei von drei Abschlussklassen haben ihre Zeugnisse bereits erhalten, lange kann es nicht mehr dauern, wir sind tapfer. Dann, Verwirrung vor der Bühne. Spontan komme noch ein Programmpunkt hinzu, das sei nicht bekannt gewesen, aber „wir lassen uns ja gern überraschen“ sagt die Moderatorin. In Wahrheit wollen wir alle lieber fertig werden.

Aus selbst mitgebrachtem Beschallungsgerät ertönt ein Musikstück aus dem Filmklassiker „Bibi und Tina“. Die soeben geehrten Absolventen stellen sich vor der Bühne auf, haken sich unter und beginnen zu schunkeln. Das Publikum wundert sich. Sicher kommt da noch was. Einigen, die da so schunkeln ist es sichtbar unangenehm. Andere wischen sich Tränen der Rührung von den Wangen, derart theatralisch, ich muss ganz dringend mal irgendwas aus meiner Handtasche unter dem Stuhl… Mein Blick trifft den des Liebsten der gerade seinen Schuh… irgendwas. Sein Mundwinkel zuckt, ganz wenig nur aber jetzt ist es vorbei mitte Kontenongs. Wir schütten uns aus vor lachen, so unauffällig, wie das eben geht, wenn man in Reihe vier einer offiziellen Veranstaltung, nebeneinander, ziemlich am Rand sitzend zur gleichen Zeit den Kopf zwischen den Knien hält. Nützt nichts, the show must go on. Wir setzen uns aufrecht hin, der Liebste wischt unauffällig über seine Wange, ich gucke stur geradeaus. Jemand zupft von hinten an meinem Ärmel. Hoffentlich ist das keine Schunkelmutti. Ich gebe mir Mühe, mein Grinsen unter Kontrolle zu bekommen. Es gelingt einigermaßen, aber, so zu tun, als würde ich diesen Programmpunkt genießen, scheint mir unmöglich. Muss ich zum Glück auch nicht. Die Mutterkollegin auf dem Platz hinter mir neigt grinsend den Kopf in meine Richtung. „Guck mal – unsere“, sie deutet auf die festlich gekleideten Absolventen in den Reihen vor uns. Fast unsichtbar werden dort Köpfe geschüttelt und Augenrollen ausgetauscht. „die kotzen gleich im Strahl“. „Aber sie gucken so wohlerzogen dabei, da kann man wirklich stolz sein“, sage ich. Der neben uns sitzende Vaterkollege erwacht aus seiner Feierlichkeitsstarre. Er räuspert sich so, dass es vielleicht ein bisschen wie „fürchterlich“ klingt, bewegt sich dann kurz, so als hätte er bei über 30°C anderthalb Stunden auf Plastik gesessen. „32 Minuten“, sagt er, in abschließdem Tonfall. Wir gucken fragend. Solange habe es heute gedauert, bis zum Ausfall der Mikrofonanlage, erklärt er und bemerkt, dass es eigentlich schade sei, dass er deren Neuanschaffung nicht mehr erleben wird. Aber wenn wir gewettet hätten, hätte er tatsächlich 34 Minuten getippt und wäre damit ziemlich dicht dran gewesen, sagt er. „Ich hätte 42 getippt, glaube ich.“ „nää“, sagt die Mutterkollegin in der Reihe hinter uns, „länger als 40 Minuten hat das Mikro nie durchgehalten“. Es wäre ein knappes Rennen gewesen, sind wir uns einig und werden dann doch ein bisschen wehmütig. Die Schule verlassen wir alle leichten Herzens, aber dieses kleine Clübchen aus mittelmäßig engagierten Eltern, das war was besonderes.

Herzliche Grüße zum Jahrestag.

August-Schnipsel 23

Der Liebste feiert seinen Geburtstag nicht- vielleicht – mit der engsten Familie – ein paar Freunden… zum Essen…wie jedes Jahr, schöne Party. Der Plan war, Reste portionsweise einzufrieren, aber das wird nicht nötig sein, sagen die Blagen, das bisschen schaffen sie später noch. Der Liebste wundert sich. Möglicherweise hat er in Erwachsenen-Portionen gerechnet? Es waren fünf Teenager dabei.

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Gab`s einen Startschuss? Über Nacht hat sich ein bunter Strauss Postkarten ersetzender Statusmeldungen angesammelt. Das Grandhotel am Gardasee, europäische Wahrzeichen, Wege durch Felsen, Fahrräder vor Landschaft und opulente Gebäckstücke. Mir fehlt noch der Satz „E5 ist ja völlig überlaufen“, dann hätte ich Bingo.

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Es steht tatsächlich garnichts im Kalender, über mehrere Wochen, aber der Eindruck täuscht. Es arbeitet in Köpfen.

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Die herbstlichen Temperaturen werden innerhalb kürzester Zeit von tropischer Schwüle abgelöst. Jetzt ist es zwar warm, aber so kann man mit dem Wetter auch nichts anfangen. „Der Ur-Oma gehts nicht gut, hat die Oma gesagt, weil sie alt ist…“, berichtet Maikind als er vom Rasen mähen zurück kommt. Wir schauen uns an und denken wahrscheinlich das gleiche, bei diesem Wetter scheint nichts unmöglich, aber niemand möchte es laut sagen.

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Das Gewitter ist noch weit weg, aber der Blitz eben, der hat irgendwo in der Nähe eingeschlagen. De Omma ruft an, um mitzuteilen, dass sie nicht telefonieren kann. Aha. Totalausfall von Telefon und Internet bei den Eltern. De Omma hat einen analogen Anschluss. Eine besondere Situation, die für uns alle Herausforderungen bereit hält, um es mal im Stile des Lockdowns zu formulieren.

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Eine gute Nachricht: Schwiegeroma ist wieder wohl auf. War wohl nur das Wetter, oder so.

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Fupp. Backofen kaputt.

Nicht tragisch, es gibt ein Budget für diesen Fall, denn eigentlich ist ein anderes Haushaltsgerät alterschwach, es könnte jederzeit soweit sein… genaugenommen sind alle Weißgeräte im Haus ungefähr gleich alt und Reperatursachen kommen traditionell im Dreierpack…aber…sssscccchhhhhh bloß nichts herbeireden, da wird der Liebste abergläubisch. Sofort lieferbar bedeutet, es dauert vier Wochen, bis das neue Gerät da ist. Da freut man sich dann richtig. Der Ofen wird an einem Freitag geliefert. Am darauf folgenden Samstag, abends um halb elf, führt das Betätigen der Klospülung zu einer völlig unerwarteten Eskalation. Sowas könnte ja ruhig mal Mittwoch morgen oder so, aber nö. Sonntag nachmittag streikt der Staubsauger.

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Das war doch mal ein richtig guter Film, ne? Wie es mir denn gefallen hat, fragen die Mädels. „Naja, gut ist vielleicht nicht das richtige Wort, aber, Premium trash, würde ich sagen.“ Was? Wieso denn trash? Das war doch wohl nicht schlecht, was denn dann für mich ein guter Film wäre, das soll ich aber jetzt mal sagen. „Das der schlecht war, hab ich nie behauptet. Von einem guten Film hätte ich allerdings erwartet, dass die Person die, während sie einen Salto mit dem Jetski macht, mit einer aus Altmetallteilen im fahrenden Schlauchboot selbst gebauten Giftampullen-Harpune einen Megalodon erlegt, sich dabei das Shirt nass macht, sonst wirkt es unrealistisch.“ „Sowas fällt nur dir auf…“ murmelt der Liebste, „man muss eine Handlung auch einfach mal laufen lassen können und außerdem… es war Jason Statham… hallo?“ sagen die Mädels. Meg 2. Wir einigen uns auf unterhaltsam.

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Ausflüge in einen Tierpark, einen Kletterpark, eine Innenstadt. Das Gefühl, Zeit zu haben, vielleicht zum ersten Mal in diesem Jahr.

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Natürlich nur ganz kurz. Der Liebste bekommt Urlaubsbilder von einem Kollegen geschickt. Eine Bergrettung? Fuss, verbunden, auf Kissen liegend, es gucken Schrauben raus. Nicht gut, das heißt was, für die nächsten Wochen. Aber dieser Bänderriss von damals fühlt sich rückblickend fast garnicht mehr so schlimm an.

Von hundert auf null, KW 29/30 2023

So viel und so häufig haben wir seit der Kleinkinderzeit nicht mehr über Schlaf geredet, aus Gründen. Wir schlafen alle schlecht, seit längerem und jeder auf andere Art. Man bemüht sich, niemandem auf den Sack zu gehen, jeder räumt jedem Sachen hinterher, läuft Wege doppelt oder dreifach, weil der eigene Kram dabei vergessen wurde. Insgesamt erinnert dieser Zustand an was. Vielleicht ist das noch Rest-Corona?

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Ein Aufbackbrötchen vom Discounter, die Backzeit wurde offensichtlich auf das Minimum reduziert. Es ist aufgeschnitten, aber nicht erkennbar belegt. Aus Neugier hebe ich den Deckel an, sehe zwei hauchzarte Scheiben Mortadella auf einer dünnen Schicht Streichfett und seufze leise. Man hätte so viele Brötchen schmieren dürfen wie man will, sagt Julikind, aber eins musste jeder. Da hat der Klassenlehrer drauf bestanden, sonst hätte sie gar keins eingepackt, weil „is eklig, ne?“ Jo. Aber ich esse das jetzt trotzdem.

Nominiert für das unterwältigendste Gastro-Erlebnis in der Kategorie Preis/Leistung ist damit…Trommelwirbel… dieses Lunchpaket, bestehend aus einem halben Liter Wasser in Plastikmehrwegflasche, einem selbstgeschmiertes Brötchen und einem Großhandels-Müsliriegel zum Preis von 8 Euro.

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Julikind hat am letzten Schultag Geburtstag. Kaffeetrinken gibt es bei der Oma auf dem Hof. Sie teilen sich einen Geburtstag. Einige Gäste kommen etwas später und wundern sich, dass wir so draußen sitzen, wo sie herkommen ist Hagel und Sturm. Wir haben die Wolken vorbei ziehen sehen, aber sonst war nichts.

Abendessen gibt es bei uns. Nudeln wurden gewünscht, und das passt gut, denn zum draußen sitzen ist es abends tatsächlich zu frisch. Julikind freut sich ehrlich über alle Geschenke. Die Gäste sind ein bisschen erleichtert, geben sie zu. Dieses Jahr hatte niemand so richtig eine Idee, was Julikind eigentlich gerade gerne mag, noch nicht mal sie selber. Am meisten freut sie sich über einen besonderen Gast. Das Baby der Patentante ist gerade mal zwei Wochen alt. Julikind verliebt sich sofort.

Zeugnisse machen die Runde. Schwiegermutter murmelt und schüttelt dann staunend den Kopf. Leider habe sie garnicht genug Bargeld dabei, um ihre Freude in den für diese Noten üblichen Beträgen Ausdruck zu verleihen. Kann man stolz sein. Vor allem, wenn man über Wochen immer nur das Drama und das „durchkommen, einfach nur durchkommen….“- Mantra am Küchentisch und mit was ganz anderem gerechnet hatte. Ich freue mich, dass dieses Schuljahr endlich geschafft ist!

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Auf zwei Partys an einem Tag folgt einer auf dem Sofa. Niemand will irgendwas. Auch mal schön.

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Wir feiern den 91. Geburtstag von der Omma. Hochbetagten Partys sind was Schönes, aber auch ein bisschen anstrengend. Selbst wenn man „nur“ Gast ist. Unauffällig tausche ich einen Blick mit der Mudda, ab morgen wirds leichter.

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Die Zahnarztpraxis ruft an, man hat die Termine der Kinder hintereinander legen müssen, parallel geht nicht, leider sei jemand krank geworden, ich möge bitte statt 45 Minuten anderthalb Stunden Zeit einplanen, nur dass ich bescheid weiß. Meine Begeisterung hält sich in Grenzen. Man bietet mir an, einen oder beide Termine zu verschieben. Nee, aber danke. Ich gebe die Kinder ab und fahre einkaufen. Nach einer halben Stunde ruft Maikind an. Da sei nur ein Termin gebucht gewesen, war aber nicht schlimm, denn der war für Kleinkinder kalkuliert. Die Prohylaxefrau hat gesagt, das, was der Arzt da gemacht haben wollte ist eigentlich jenseits der Grundschule gar nicht mehr nötig, und wo sie denn jetzt hinkommen sollen? Man fragt sich verschiedenes. Aber, das Witzige ist, hätte jeder einzelne kommentarlos Dienst nach Vorschrift gemacht, es hätte von aussen gewirkt wie Kompetenz, stellt Maikind fest. Stimmt.

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Ein Starkregen-Ereignis. Der Liebste und ich gucken aus dem Fenster und beobachten, kann man ja nicht nachstellen, sowas. Sieht alles supergut aus. Regenmengen bis 30 Liter pro Stunde können wir jetzt entspannt sehen. Da läuft nix mehr in den Keller. Dank an den Steinmetz.

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Die erste Ferienwoche regnet es, durchgehend und ergiebig. Entspannend, man muss garnichts.

In der zweiten Woche kommen die Blagen das erste Mal aus ihren Zimmern, ohne dass vorher jemand „essen“ gerufen hat. Abends um halb 8 machen wir das Licht im Esszimmer an, weil es ohne zu dunkel wäre und spielen endlich mal dieses Gesellschaftsspiel, dass wir damals, vor dem ersten Lockdown in der Annahme, es könne langweilig werden, gekauft hatten.

Regen prasselt ans Fenster, der Liebste und ich sitzen mit Wolldecke über den Füßen und Bier in der Hand auf dem Sofa. Gemütlich. Kurz fragen wir uns, ob wir uns vielleicht selber peinlich sind. Aber nee, passt schon. Waaaackeeeen!!

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Ich hole mir eine zweite Decke vom Dachboden, ist sonst zu kalt nachts. Jemand hat die ersten Sendetermine für „Drei Nüsse für Aschenbrödel“ im Status. Märzkind gesteht kleinlaut, gestern abend den ersten Weihnachtsfilm geguckt zu haben. Ach, soll sie ruhig, sage ich. Wir arbeiten die Jahreszeiten einfach so ab wie sie kommen. Vielleicht können wir an Heilig Abend irgendwo ein Tretboot mieten.

Hallo? Sommerferien?

Letzte Augustwoche 22

Ich hab den Schreiner am Telefon. Er entschuldigt sich, drei Bestattungen in zwei Wochen…. aber natürlich hat er uns nicht vergessen. Kein Thema. Ich wußte garnicht, das diese Baustelle schon angelaufen ist und man wartet ja viel lieber auf Fenster als auf den Bestatter.

Nach dem Ausmessen gibt es zwei Möglichkeiten. 20% teurer werden die Fenster in jedem Fall, mindestens, das ist klar, da kann keiner was dran machen. Er kann uns ein Angebot schreiben, wir überlegen und sagen bescheid – oder er bestellt jetzt, und meldet sich kurz wenn der Auftrag bestätigt wird, dann könnten wir noch abbestellen. Die zweite Variante wäre vorraussichtlich vier Wochen schneller. Die Fenster müssen neu dieses Jahr, alles andere wäre energetischer Wahnsinn, es ist Ende August. Go!

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Julikind guckt so und denkt sich offensichtlich was. Dann hält sie mir ihre Gabel hin und fragt, ob ich das mal bitte probieren könnte. Irgendwas stimmt mit diesem Salat nicht. Moment, gestikuliere ich, weil, ich esse ja selber gerade. Märzkind ist schneller. „Apfel“, sagt sie. Julikind ist endgültig verwirrt „warum sollte jemand einen Kartoffelsalat mit Apfel drin machen?“ „Ich esse gerade etwas, das könnte Eiersalat mit Weintraube sein. Und, wenn ich drüber nachdenke, in dem Salat, den ich gemacht habe sind Rosinen drin.“ „Sind halt viele Sportler hier“, sagt Märzkind. Julikind schüttelt den Kopf, 6 Meter Salatbuffet und sie erwischt sowas. Die Freundin sagt, sie habe Mettsalat gemacht, ganz normales Essen, da soll das Julikind mal Ausschau halten.

Der Triathlet feiert Geburtstag. 150 Leute verteilen sich in der Halle und auf dem Grundstück drumherum. Irgendwann fällt mir auf, dass sich das alles total normal anfühlt. Wie früher. An der Wand neben der Theke hängt noch ein Schild auf dem „Lebensmittel“ steht, auf deutsch und ukrainisch vermute ich, die Buchstaben kann ich nicht lesen. Vor ein paar Wochen wurden hier Hilfsgüter vorsortiert und verladen. Auch schon ewig her.

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Öl getankt. Schweigeminute, im Gedenken an all die schönen Sachen, die man sonst mit diesem Geld noch hätte machen können. Aber eine warme Wohnung ist natürlich auch was tolles, also, warm im Sinne von angenehm temperiert, nicht dieses warm nach drei Tagen 38° draußen. Hach es ist irgendwie knifflig, dies Jahr.

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Hin und wieder war ich in den letzten Wochen abends auf dem Friedhof zum Gießen. Opas Todestag hab ich in den Kalender geschrieben – aus Gründen *hüstel*. Am frühen Nachmittag klingele ich bei der Omma und frage, ob sie vielleicht auf den Friedhof will. Weiß ich natürlich schon, aber so gehts schneller. Das ich daran gedacht habe, mensch, da freut sich. Schuhe an und los gehts.

Das Treppengeländer am Friedhof ist so heiß, man kann es immer nur kurz anfassen. De Omma nimmt schnell eine Stufe, macht eine wedelnde Handbewegung und sagt „du meine Güte“. Als sie unten ist sieht sie mich grinsen und muss selber lachen. Leider gibt es nur eine Gießkanne und die trage ich. Hätte es eine zweite gegeben, die hätte sie aber getragen, sagt die Oma. Ich murmele. Den Hang runter Richtung Grab geht es flott. „Och, dät süht aber noch ganz godd uut“, murmelt sie. Ich klopfe mir innerlich selber auf die Schulter. Das war er, der Moment. Ab jetzt kann das alles verdaddern. Der Rückweg dauert etwas länger. De Omma guckt mal, was die anderen so…

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Da hat der Liebste mal fühlen wollen, ob das Reifenprofil gleichmäßig abgefahren ist und sich dabei den Finger an einem Draht aufgerissen. Ohne zu Beschleunigen oder gar zu Bremsen ist er dann von der Arbeit aus direkt zum Reifengeschäft gefahren. Ich sage nichts. Aber ich kann so gucken, dass er weiß was genau ich nicht sage.

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„Ich hab mir immer gesagt, wenn ich an der Arbeit heule, dann höre ich auf. Am Wochenende wars soweit.“ Wir schweigen einen Moment. Die Freundin überlegt, wie ernst sie das gemeint hat. Alle Reserven sind verbraucht und es gibt kein Licht am Ende des Tunnels. „Es wird wohl in Zukunft so sein, dass mehr Leute sterben, weil man schlicht keine Zeit hat, sich so zu kümmern wie es nötig wäre, oder jemand einen Fehler macht.“ Krankenhäuser sind kein guter Ort im Moment.

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„Oh, ist aber frisch heute“, sagt Julikind, als sie zum Mittagessen in den Garten kommt. Wir haben 25°C. Anscheind gewöhnt man sich doch an Hitze.

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Wenn das nächste AS-Taxi ausgebucht ist, tja, dann muss man halt eine Stunde warten. Wenn das übernächste auch ausgebucht ist, das ist dann schon doof, wenn die nächsten fünf Fahrten ausgebucht sind, dann gibts quasi keinen öffentlichen Nahverkehr. So gesehen ist es garnicht schlimm, dass das neun-Euro Ticket endet, bevor die Kinder wieder wirklich auf die Fahrten angewiesen sind.

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„Es geht wieder los“, sagt der Liebste. Jo, ist doch voll nett von den Ölkonzernen, dass sie schon ein paar Tage vor Ende des Tankrabatts anfangen uns wieder an die Preise zu gewöhnen. An der Dorftankstelle kann man jetzt bis 100 Euro tanken, früher waren es 80. Ich bin da tatsächlich nur zum Tanken hingefahren, 12 km hin und zurück, eine Investition.

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Ein Ausflug zum längsten Spielgerät Europas, da waren wir schon ewig nicht. Den Ninja-Parcours seh ich zum erstenmal. Nebeneinander wurden zweimal die exakt gleichen Klettergeräte aufgebaut, den ganzen Berg hoch. „Das ist so gedacht, das man da um die Wette“, sagt ein etwa fünfjähriger Junge in staubiger Hose. Julikind nickt. Der erste Abschnitt ist für Menschen gebaut, die 1,20m groß sind. Garnicht so einfach. Der zweite Teil ist für Julikind perfekt, für mich eine Herausforderung, aber machbar. Der dritte Teil „och ähm, weißte, ich glaube ich gehe hier einfach am Rand lang…“ sage ich zu der achtjährigen die mir netterweise ihre Hand anbietet. Denn, sind wir mal ehrlich, selbst mit Anlauf und helfender Hand ist die Chance, dass ich mich diese 2,50 hohe Bretterwand hochhieve gering. Nach anderthalb Stunden haben alle genug. Abschluss im Kleinkinderbereich. Da kann man Wasser pumpen und Kies baggern. Und weil wir mittlerweile fast alleine sind auf dem Spielplatz machen sogar die beiden 15 jährigen mit. Schade, dass es sowas früher nicht gab. Wir hätten hier tagelang auf der Bank sitzen können, sagt die Freundin.

Meilensteine und Beobachtungen bei über dreißig Grad

Es ist warm. So warm, das man mit dem Wetter eigentlich nichts anfangen kann. Lüften morgens um sieben, die Hunderunde muss bis neun Uhr erledigt sein. Anschließend verdunkeln wir die Fenster und alle verkriechen sich irgendwo. Wenn man sich zufällig im Haus begegnet spricht man die immergleichen zwei Sätze miteinander „Boar, is das warm“ „ah komm, geh wech“.

Abendessen gibt es um halb neun, vorher hat niemand Hunger. Danach fahren wir auf den Sportplatz und spielen Kubb, bis es zu dunkel ist, dann Federball. Ich hab schon so oft Federball gespielt, ich hätte gedacht ich weiß, wie groß dieser Schläger ist. Klonk- offensichtlich nicht, aber da bin ich nicht die einzige. Dieser LED-Ball war auf jeden Fall sein Geld wert.


Der Plan war, die Grillhütte zu mieten und einfach alle einzuladen. Dann hat es uns umgehauen, dann kam die Hitze. So findet die Geburtstagsfeier des Liebsten in beschaulichem Rahmen statt. Ein Kaffeetrinken im Garten, abends Essen beim Inder. War schön. Das angekündigte riesen Gewitter blieb aus.


Maikind feiert die Geburtstage der letzten Jahre nach. Eine Gruppe Jugendlicher zeltet zwei Tage ohne Eltern und ohne besondere Vorkommnisse. Man freut sich natürlich, aber seltsam ist es schon.


Man kann in Ruhe gucken, wenn es was zu sehen gibt, und weitergehen, wenn es nichts zu sehen gibt. Zum ersten mal nutzen wir einen Picknickplatz, der nicht neben einem Spielplatz liegt und niemand weint, als das Tierfutter alle ist. Tierpark mit großen Kindern macht auch Spaß, stellen der Liebste und ich fest.


Vom Strandbad aus muss man einige Meter bergab laufen, bis man ans Wasser kommt. Das Wasser ist herrlich, aber so am Hang sitzen, auf dem was normalerweise der Grund des Sees ist, mit Blick auf Steininseln und Sperrmauerwand, naja. Mir ist Edersee mit Wasser lieber.


Das Schloss ist kaum 30 km weit weg von hier. Wir machen eine Führung mit, denn das haben wir tatsächlich noch nie. Drin ist es angenehm kühl, und man kann was lernen. Dass es da eine Beziehung zu den Niederlanden gibt wußte ich, aber dass „wir“ mit fast allen europäischen Königshäusern verwandt sind, ich hatte keine Ahnung. Die Fürstenfamilie hat Wohnrecht, solange es männliche Nachkommen gibt, sagt die Führerin, ist damals so ausgehandelt worden. Alle drei Söhne wären noch zu haben, ergänzt sie und blickt hoffnungsvoll Richtung Märzkind. „Och nö“, sagt Märzkind.

Das Strandbad am anderen See hat einen Sandstrand, man guckt auf Wasser und Bäume, der Kiosk ist geöffnet. Auf den ersten Blick alles Premium. Der algenfreie Badebereich ist leider klein und der Sandstrand ist voll und laut und dermaßen heiß, der Liebste und ich sind nach einer halben Stunde fertig.


Sie haben mal einen ganz anderen Liegeplatz ausprobiert, sagt Julikind, als sie mich am Freibad-Eingang abholt. Wir gehen direkt am Schwimmerbecken vorbei. Am anderen Ende des Beckens fällt mir eine Dame in einem krass pinken Badeanzug auf, aus 20 Meter Entfernung kann man erkennen, dass der Lippenstift die gleiche Farbe hat. Ihre ganze Erscheinung hat Unterhaltungswert, wie eine weibliche Version von Horst Schlämmer, denke ich und versuche ein Schmunzeln zu verbergen. Im Vorbeigehen stelle ich fest, diese Dame war mal ein Lehrer von mir. Altaaa. Einen kurzen Moment muss ich mich sortieren aber schade eigentlich, dass sowas vor dreißig Jahren unmöglich war, wäre vielleicht entspannter gewesen.


Der Liebste erhält eine Sprachnachricht „…sieht nach Schlaganfall aus, könnte aber natürlich alles mögliche sein“, ein Schreck. Ein Schlaganfall ist es zum Glück nicht. Es kann garnichts festgestellt werden. Die Patientin wird entlassen und ist enttäuscht. Ich ahne, welche Diagnose da kommen wird, irgendwann.


Auf unserer „wenn die Welt wieder geöffnet hat“-Liste stand ein Flohmarktbesuch. Genau für diesen Sonntag sind 35°C angesagt. Das ist nicht optimal, aber Regen wäre blöder. Morgens um kurz nach 8 bekommen Märzkind und ich den letzen regulären Platz auf dem Flohmarktgelände zugewiesen. Beginn ist erst um 10 Uhr, aber wer jetzt noch kommt, ist eigentlich zu spät. Ok. Damit hatten wir nicht gerechnet, vermutlich werden wir garnichts loswerden. Aber, der Platz ganz am Rand ist super. Hier geht ein bisschen Wind und die Leute sind noch oder schon wieder entspannter, mittendrin ist es einfach nur brüllewarm. Sämtliche Lockdown-Fehlkäufe und einige Dachboden-Schätzchen finden ein neues zu Hause. Mittags bringt der Liebste uns Eis und übernimmt für eine halbe Stunde. Wie es sich gehört, fahren wir kurze Zeit später mit genauso vielen vollen Taschen nach Hause, wie vorher, nur andere Klamotten drin.


Märzkind besteht die Moped-Führerschein-Prüfung. Beim ersten Versuch. Juhu. Sie bekommt allerdings nur eine Bescheinigung. Den eigentlichen Führerschein muss sie sich auf der Füherscheinstelle abholen und die hat natürlich schon geschlossen. Das bedeutet, ich muss nochmal quer durchs Städtchen, was wegen dieser Baustelle dreimal so lange dauert wie normal, Märzkind holen, zurück durch die Baustelle, Julikind abholen, nach Hause, Einkäufe ausladen und den Liebsten mit Märzkind ins Städtchen fahren, durch die Baustelle zum TÜV, wo das Moped wartet damit die beiden von da aus zur Krankengymnastik können.

Am nächsten Tag rollt Märzkind abends um halb neun vom Hof. Weil sie es kann. (AS-Taxi wäre um 8 gefahren oder um 9) Der Liebste und ich sitzen auf der Treppe und stoßen an. Ein Meilenstein.


Maikind schreibt eine Bewerbung. De Mudda unterstützt ihn tatkräftig. Das ist gut. Diese Aktion braucht mehrere Anläufe und ich hätte das garnicht so gekonnt, gestehe ich mir ein. Geradeaus denken ist mir immernoch anstrengend. Fröhlich und sichtlich entspannter teilt Maikind am Abend mit, dass seine Bewerbung eingegangen ist.

Wenn wir nächsten Sommer nochmal alle zusammen Urlaub machen wollen würden, gibt es genau eine einzige Woche, in der das möglich wäre. Gut, dass uns das beizeiten aufgefallen ist.


Der Wald verfärbt sich herbstlich, von einem Tag auf den anderen fällt es auf. Die Linde auf dem Hof verliert gelbes Laub. Soviel, dass man es nicht mehr ignorieren kann. Ich nehme den Besen und – alles zerbröselt auf Konfettigröße. Der Liebste schlägt vor, einfach den Kompressor anzuschließen und dann mit Druckluft…ist keine schlechte Idee..


Wer hätte gedacht, dass ich das mal sage, aber, ein paar Tage Regenwetter darüber würden wir uns tatsächlich freuen, gerade.

Geburtstage und Ferienanfang

Ich mag wenn es warm ist, aber, das hier, das ist sogar mir ein bisschen viel. Der Hund guckt mich vorwurfsvoll an. „Ich hatte es dir ja gleich gesagt“. Einmal Frisbee werfen und wir gehen wieder rein. 42°C Außentemperatur zeigt das Thermometer an. Abends Gewitter mit 46 Liter Regen. Der Wald sieht wieder fröhlich aus, die Hecke richtet ihre Äste auf, der Erntestaub ist aus der Luft gewaschen – herrlich.


Vormittags gibts ein gemütliches Geburtstagsfrühstück bei der Mudda. Ab Mittag gehts rund.

Die Bustüren öffnen sich und man kann von der Haustür aus hören, dass die Party quasi schon läuft. Alle Gäste kommen direkt nach der Schule, einmal im Leben nicht in Ferien Geburtstag… Es folgt ein klassischer Kindergeburtstag, mit Spagetti und Eis, Zeitungstanz und Fotoschnitzeljagd. Um halb sieben werden alle abgeholt. Der Liebste und ich gucken uns verwundert an. Das wars? Kein Starkregen-Ereignis mittendrin, niemand hat sich was gebrochen oder Kreislaufprobleme und verdroschen haben sie sich nur im Spaß, mit den Poolnudel-Lichtschwertern. Wahrscheinlich war das unser letzter Kindergeburtstag stellen wir fest. Im nächsten Jahr sind wir bestimmt zu peinlich. Es folgt ein kurzer Moment der Rührseligkeit, ach was, high five. „Da wartet man das ganze Jahr und zack, isses vorbei“, Julikind ist ein bisschen traurig. Zum Glück kommen am nächsten Tag noch die Großeltern und Paten.

Am Tag darauf wieder Geburtstagsfrühstück anlässlich Ommas 90stem. Das ist etwas offizieller, mit Pfarrer, Bürgermeister, und den Verwandten, die man selten sieht.


Die letzten Schultage haben sich gezogen wie Kaugummi. Jetzt sind endlich richtig Ferien. Stolz werden die Zeugnisse rumgezeigt. Zu recht, das war kein einfaches Schuljahr, haben sie toll gemacht, alle drei. „Brotdose raus?“ „jaja“ Schuljahr abgehakt.


„Kommt jetzt die kleine Kneipe„? erkundigt sich eine Gästin. „Nee, jetzt kommen erst die apokalypthischen Reiter, dann Peter Alexander, geht immer der Reihe nach“, sagt der Mann der das Handy mit der Musikapp in der Hand hält. Hier gehen die Geschmäcker weit auseinander, aber der Toleranzbereich ist riesig und es gibt Likörchen. Diese Feier hat keinen Anlass und braucht auch keinen. Menschen verschiedener Generationen hatten Zeit, sind gesund und das Wetter passt zum draußen sitzen. Es hat übrigens nie jemand gesagt, dass Frauen nicht an die Mauer hinter dem Haus pinkeln dürfen. „Die machen das von sich aus nicht“, sagt der Hausherr, und zuckt mit den Schultern.


Nachdem wir die verschiedensten Kuchenvarianten unterschiedlicher Hersteller durchprobieren durften (Präsentkörbe zum 90sten, de Omma backt natürlich trotzdem weiterhin selber) kommen wir zu dem Schluss – die schmecken alle gleich. Kuchengeschmack eben, das macht nachdenklich.


Beim Aufwachen höre ich leise Terassen-Frühstücksgeräusche der Nachbarn, das ist schön.

Zu meiner eigenen Überraschung bin ich überhaupt nicht neidisch, beim Anblick der Status- Urlaubsbilder der anderen. Ich hätte gerade überhaupt keine Lust, das Auto zu beladen…

Ein Freibadbesuch, ein Kinobesuch, lange schlafen, und schon ist eine Ferienwoche rum.

Die zweite Ferienwoche hatte bisher zweimal Magen-Darm vom allerfeinsten und einen spontanen Zahnarztbesuch zu bieten. Das bleibt ehrlich gesagt hinter den Erwartungen zurück. Andererseits – läuft, mit der Bikinifigur.

Fragen und Antworten, unsortiert

Nach Weihnachten würde es ruhiger werden, hatte ich mir gesagt, damals im Dezember. Dann haben wir hier alle das Zeitgefühl verloren. Dinge werden nach Dringlichkeit abgearbeitet.

Kühlakku, da muss auf jeden Fall eins drauf. Ich durchwühle die Schubladen des Gefrierschranks. Kann das denn sein, dass wir mitten im August nicht ein einziges Kühlakku parat haben? Muss das mitreisende Kind bei Anreise einen negativen Test vorlegen, wenn die Eltern geimpft sind? Wieviel muss denn da drauf, auf den Brief, und haben wir eigentlich Briefmarken? Das Taschengeld von Juli? Haben wir noch genug leere Honiggläser? Blumen, bei einem Rasengrab? Der Hund von Lucky Luke, wie hieß der nochmal? Wollen wir den Ofen anmachen? Anlass ist jetzt, Feier im nächsten Jahr – wann schreibt man denn die Karte? An welchen Schnitt hatten Sie denn gedacht? Was ist das für eine Vase da, und wo ist eigentlich der Sarg? Wenn ich gestern geimpft wurde und morgen einen Test machen muss – ist der dann positiv? Nur noch eine Woche Ferien, wollen wir denn eigentlich noch irgendwas unternehmen? Ist es denn ein bisschen ruhiger geworden, bei euch? Du hattest doch gesagt es ist viel los und das würdest du dir wünschen.

Da muss ich kurz drüber nachdenken.

Dritte Schublade, ganz hinten. Land Hessen sagt, jede anreisende Person muss ein G nachweisen, also ja, das Kind braucht einen Test ( und wenn das demnächst zweimal die Woche kontrolliert werden soll, dann nehme ich nur noch Geimpfte und Genesene Feriengäste, fertig ). 80 cent müssen drauf – Pinnwand – ist glaube ich egal, aus wie vielen einzelnen Marken man das zusammenpuzzelt. Die einen sagen so, die anderen so, wir einigen uns auf einen Dauerauftrag, dann muss da niemand mehr dran denken. Weiß ich nicht, muss ich gucken. Keine Blumen. Rantanplan? Jemand müsste Holz reinholen, wir nehmen erstmal eine Wolldecke, jo, das reicht, für diesen Sommerabend im August, auf dem Sofa. Karte mit kleinem Betrag jetzt – Karte mit Geschenk im nächsten Jahr, wenn denn dann… Ich hätte gerne eine Jeans, die einfach passt und einigermaßen gut aussieht. Jetzt heute hier. Nicht „wenn das Lockdownröllchen eines Tages wieder weg ist“, welchen Schnitt das erfordert, kann ich derzeit nicht sagen. Es gibt keinen Sarg, wenn man verbrannt wird, bleibt gar nicht so viel übrig. Die Vase ist eine Urne, da ist die Asche drin. Nee, die Impfung legt quasi ein Schutzschild um deine Zellen, dass das Virus nicht dran kommt, der Test guckt, ob du Viren auf der Schleimhaut hast, das sind zwei verschiedene Ansätze. Plätze für die Freilichtbühne gebucht, ohne vorher jemanden zu fragen. Ein nichtoptionales Kulturerlebnis. Ja, es ist ruhiger geworden, auf jeden Fall, wenn man mal davon absieht, dass der Liebste wahrscheinlich einige Zeit nicht mit dem Hund raus und, wenn es richtig blöd läuft kein Auto fahren können wird. Aber irgendwas ist ja immer.

Nieselregen bei windigen 15°C, das Maikind und ich sind uns einig: Würde es eine Packung Spekulatius geben, wir würden sie kaufen, es fühlt sich so an. Weihnachtsgebäck gibt es aber erst nach den Sommerferien, man fragt sich, wieso.

Verschiedenes, Ende Juli 21

Die Oma hat Gäste, wir sitzen im Garten und unterhalten uns. Der Liebste hat gerade einen Schwarm Bienen wieder eingefangen. Als die losgeflogen sind, das war schon beeindruckend, sagt die Festgesellschaft, sowas sieht man nicht oft. Sowas gibt es auch Ende Juli nicht oft, es ist ein seltsames Bienenjahr.

Märzkind will mal bei der Uroma gucken, die ist im Haus geblieben. Es geht ihr nicht gut. Im Fernsehen laufen Bilder der Flutkatastrophe, den ganzen Tag. Die Zerstörung ist wirklich unvorstellbar – für uns. Käthe ist 101. Sie kann sich das durchaus vorstellen und ist entsprechend unruhig. Nach einer halben Stunde kommt das Märzkind wieder. Die Uroma habe heute vormittag jemanden in Wuppertal erreicht, der die Auskunft geben konnte, dass bei ihren Bekannten alles OK ist. Das ist eine Erleichterung. Ein ganz kleines Stück Kuchen habe sie gegessen, damit sie ihre Ruhe hat. Das ist gut.


Bei der Hunderunde begegnet uns ein örtlicher Katastrophenschützer. Er erzählt, wie der Bach, der letzte Woche doch eher ein Fluss war in der Nacht vorher ausgesehen hat. Wir waren ja am späten vormittag noch beeindruckt von der Wassermenge, da war das allermeiste aber wohl schon durch. Man habe sich im Lauf der Woche unterhalten, mit allen Wehrführern der Ortsteile, erfahren wir. Wenn man sich mal kurz vorstellt, dass der Bach zwei Ortsteile weiter von jetzt auf gleich 8 Meter höher wäre, dann, tja… es würde die Anfahrtmöglichkeiten für einige Häuser verändern.


Das Julikind wird elf. Wir grillen im Garten, mit Leuten. Es ist eigentlich eine normale Geburtstagsfeier, das ist schön. Abends bittet sie mich, noch ein Foto zu machen. Dafür hat sie alle Geschenke auf dem Bett aufgebaut und setzt sich mit dem fröhlichsten Geburtstagsgrinsen daneben. Was für ein Tag! Und so viele schöne Sachen. Wenn sie jetzt noch mit ihren Freundinnen feiern dürfte, dann wäre es perfekt gelaufen, dieses Jahr. Die Chancen stehen eigentlich ganz gut, gerade. Noch.


Das Gute an dem vielen Regen ist, wir müssen gar nicht weit fahren, der See beginnt dieses Jahr schon 10 km weiter. Im letzten Jahr war da um diese Zeit schon längst kein Wasser mehr. Am frühen Abend ist die Liegewiese so gut wie leer. Einen Strand gibt es hier nicht. Man geht von der Wiese drei Schritte durch die Hecke, dann nochmal drei Schritte ins Wasser rein, da kann man schon losschwimmen. Hier stört es niemanden, wenn der Hund auch schwimmt. Der Liebste wirft ein Spielzeug, voller Freude springt der Hund ins Wasser, holt sein Spielzeug und schwimmt uns entgegen, ziemlich weit, und ziemlich schnell. Ähm, jo, damit hatte niemand gerechnet, aber alle haben Spaß. Und die Erkenntnis, dass Hunde anders schwimmen, als Menschen. Jeder von uns hat irgendwo einen Kratzer abbekommen, was solls, sagen die Kinder.


Ich bekomme die zweite Impfung. Anderthalb Tage habe ich irgendwie schwere Knochen, und freue mich trotzdem. Der Liebste kommt sich „dezent verarscht“ vor, als Angehöriger der Priogruppe drei, weil ich jetzt zwei Wochen vor ihm fertig geimpft bin. Luxusprobleme, die man so hat. Nachdem wochenlang garnichts voran ging, in Sachen impfen, sind jetzt fast alle durch. Weihnachten kann kommen.


Wir fahren für eine Hunde-Runde in den Nachbarort. Beim Aussteigen fällt mir auf, dass die Telefonleitung sich heftig bewegt, zwischen den Masten. Oh oh. Kein Sturm, kein Erdbeben, da gibt es eigentlich nur noch eine Erklärung. 200 Meter weiter kommt uns ein LKW entgegen, der hat gerade irgendwelche Düngemitttel abgeladen, auf dem Feld, neben der Telefonleitung. Zu dicht neben der Telefonleitung. Ein Teil des Kabels liegt rechts im Graben, der andere links auf dem Feld.

Yeah! Für die Fans von „Lockdown mit Teenagern“ und „schulfrei von Dezember bis Mai“ jetzt neu: „Sommerferien bei regnerischen 15°C ohne Internet“. Wir nehmen direkt die extended version „ohne Mobilfunkempfang im Wohngebäude“, wenn schon, denn schon.

Am Ende dieses Tages sitze ich im Garten. Auf der Treppe, die man von keinem Fenster aus sehen kann, im Dunkeln. In der Hand ein Glas, darin ein großer Schluck vom besten Weihnachts-Whiskey. 20 Minuten allein sein. Herrlich. Die Ruhe ist so erholsam, dass ich mir, als das Glas leer ist, eingestehe, dass ich dem Zusammenbruch sehr viel näher bin, als irgendeiner Form von Erholung.


Die Freude, als das Internet am Nachmittag des nächsten Tages zu uns zurückkommt ist riesig. Auf einen Schlag ändert sich die Grundstimmung. Spielen, Videos, Musik, telefonieren, man könnte sogar wieder Fernseh gucken, so viele Möglichkeiten. Maikind sagt, er habe da jetzt nochmal drüber nachgedacht und, eigentlich ist es doch in manchen Situationen vielleicht praktische kein smart home zu haben. Da hat er wohl recht.


Vier Geburtstage und ein Gemeindefest in 10 Tagen, waren das. Nächste Woche haben wir garnichts vor. Das ist auch mal wieder schön.