ohne Küken töten

An einem Sonntag Nachmittag bei 30°C sind nur 8 Leute im Freibad. Seltsam. Vielleicht dachten die alle, es wäre schon geschlossen? Normalerweise ist das ja so, ab September. Als ich einen Zeh ins Wasser halte, wird mir schnell klar warum so wenig los ist. „Das ist aber kalt“, sagt Julikind, und die ist wirklich nicht zimperlich, was Badetemperatur angeht. Wir brauchen beide fünf Minuten bis wir losschwimmen können, und haben dann das ganze Becken für uns allein. Zwei Rutschen, Blubber-Liegen, Wasserpilz, Bahnen schwimmen wie auch immer man möchte… Schade, dass ihre Freundin nicht dabei ist, sagt Julikind, sowas hätten sie sich den ganzen Sommer schon gewünscht. Die Duschen, die sich letzte Woche schon so lauwarm eingestellt waren, fühlen sich heute fast heiß an.

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Der kleine Bach, in dem der Hund gern tobt hat kaum noch Wasser. Die Waldwege sind genauso hart wie die Teerwege, das Gras ist sogar unter den Bäumen verdorrt, es riecht nach garnichts mehr nach Wald. Abends um halb eins höre ich im Halbschlaf die Sirene. Eigentlich könnte ich weiterschlafen, denn ich bin ja nicht in der Feuerwehr, aber mein Hirn sagt, lieber mal aus dem Fenster gucken. Alles dunkel, so soll das sein, nachts im Wald, ich kann in Ruhe weiterschlafen, aber – soweit ist es schon, denke ich beim einschlafen.

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Ein neues Schuljahr beginnt. Die Freude hält sich in Grenzen. Maikind ist erleichtert, sie sind 33 im Jahrgang, das gibt zwei Klassen – juhu. 32 hätten in eine Klasse gepasst. Eine Stunde Förderunterricht für jeden der will, zur Auswahl stehen die drei Hauptfächer, kann jeder selber sagen, wo der Bedarf am dringsten ist. In der Klasse des Julikinds werden die Hauptfächer jetzt getrennt unterrichtet, alles andere zusammen, sagt sie. Also, eigentlich genau wie eine Kombiklasse, es heißt nur nicht mehr Kombiklasse? Die Cafeteria konnte aus wirtschaftlichen Gründen noch nicht wieder verpachtet werden, man bittet um Verständis, die Kinder dürfen ins Dorf gehen und sich irgendwas kaufen, der Versicherungsschutz endet allerdings jenseits des Schulgeländes, jaja… Schnitzelzettel heißt das Schreiben intern. Bücher werden ausgegeben, wenn die Quarantäne des dafür zuständigen Lehrers endet. Beim Märzkind gibt es wieder eine Cafeteria. Die ist Zitat: „Pre. Mi. Um.“ Es folgt ein schwärmerischer Vortrag über das Preis-Leistungsverhältnis eines Käse-Baguettes. Leider gibts nur noch kaltes Wasser den Waschräumen. Da muss man sich ein bisschen gewöhnen, aber hej, für die gute Sache, kein Problem. Ach übrigens, das Budget für die Abschlussfahrten wurde verdoppelt. Hessen hatte da seit Ewigkeiten nix angeglichen, und deswegen gleich doppelt. Wottsefack. Da les ich einmal nicht den Muttizettel vom Kultusminister…

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Die Queen ist tot. Die Nachricht begegnet mir Lauf des frühen Abends zufällig und ich gucke seit langem mal wieder heute journal.

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Männer 4 Euro, Frauen 2 Euro steht auf dem Schild am Eingang. Das sieht mir aber fast ein bisschen nach Diskreminierung aus.* Kurz überlege ich, mich spaßeshalber als divers auszugeben, nur um mal zu sehen was passiert, statt dessen gucke ich nur verwirrt. Ich sei wohl schon länger nicht mehr beim Fussball gewesen? fragt de Mudda. Stimmt. Das letzte Mal als Spielerfrau, da zahlt man garnichts. Leute die mich kennen, sind überrascht mich hier zu sehen. „Zu wem halten wir denn?“, fragt Julikind. Schwierig. Der Onkel trainiert das eine Team, der Papa hat zwanzig** Jahre für das andere gespielt. Wir sind ehrlich gesagt nur hier weil die Chearleader in der Halbzeit auftreten.

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Dorfflohmärkte sind ein bisschen wie Schnitzeljagd. Man läuft so durch den Ort und freut sich, wenn man irgendwo Luftballons am Zaun sieht, dann geht man bei Leuten in den Garten oder in die Garage oder in die Scheune und weiß nie, was man findet. Nebenbei kann man sich nett unterhalten und wenn man genug hat, sucht man den Gemeinderaum/das Feuerwehrhaus wegen Kuchenbuffet. Zack – Sonntag rum. Vor Corona gab es sowas glaube ich garnicht.

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Zwei Hornissen fliegen abends neben der Haustür gegen die Wand. Nur abends und immer zwei, warum auch immer. Man muss nach der letzten Hunderunde aufpassen, das keine ins Haus fliegt, wenn man die Tür öffnet. Der Hund mag das Hornissen-Fluggeräusch nicht. Das bedeutet, es kann niemand schlafen, bis die wieder draußen ist. Mit nem Schuh drauf zu hauen traut sich keiner. Die Viecher sind beeindruckend groß, man will sie lieber nicht wütend machen, und wegen Naturschutz, natürlich.

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Auf der Mayo ist vorne ein neues Label drauf. „Ohne Küken töten“, der Hohlraum im O ist ein Herzchen. Das ist ja süß, und so sinnfrei, dass es schon wieder witzig ist, finde ich. Maikind möchte wissen warum ich lache. Ich zeige ihm das Label, er liest und denkt einen Moment lang so sehr nach, dass er mit kauen aufhören muss, dabei. „Aber, in Mayonaise sind doch generell keine toten Küken drin, oder?“ Nee. Das könnte man überall drauf schreiben. „auf Schickennuggets vielleicht nicht“, überlegt Maikind. Vermutlich meinen die, dass die Hähne, die keine Eier für Mayo legen nicht geschreddert werden. Hähne kommen in die Suppe. Dorfkinder wissen sowas.

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Es regnet, endlich. „Ähm, warte mal“, murmele ich, in der einen Hand die Türklinke in der anderen die Hundeleine, „bei Regen in den Wald…. normale Schuhe…“ zurück zum Schuhregal und einen Moment nachdenken „Socken… und ein Oberteil mit langen Ärmeln – Regenjacke vielleicht“, als wäre ich noch nie bei Regen draußen gewesen.

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Ich: stelle eine Packung Spekulatius auf den Tisch

Alle anderen: Was? Jetzt schon? Da muss man doch warten… das kann man doch noch nicht…Anfang September

Viertel Stunde später: Packung leer

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Nachtrag: * Der Liebste sagt, man gehe davon aus, dass die allermeisten Mädels nicht aus sportlichem Interesse zum Fussball gucken kommen, da will man sie nicht noch mit Eintrittsgeldern verschrecken. Ist ja trotzdem schön, wenn sie da sind. Keiner hat je darüber nachgedacht, dass das Deskriminierung sein könnte. ** Er spielt auch nicht seit zwanzig Jahren in diesem Verein Fussball sondern seit sechsunddreißg. Und im Übrigen ist es eigentlich unglaublich, dass ich beim Derby war und er nicht.

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