So, Schnauze voll. Ich hole mir eine zweite Decke vom Dachboden und schlafe ganz wunderbar, ohne zu frieren. Zum Frühstück esse Apfel-Zimt-Porridge, bringe danach eine Ladung Sonnenblumenkerne ins Futterhaus vor dem Fenster und gehe die Hunderunde in Winterjacke. 5°C, merkste selber, Juni, oder?
Nachmittags, am gleichen Tag wohlgemerkt, schleudern wir den Honig. Also, der Liebste stellt die Honigräume in die Küche, ich mache den Rest. Geht schnell, dieses Frühjahr.
Am nächsten morgen ist es merklich wärmer. Und sonnig. Fast sommerlich, man kann es kaum glauben. Märzkind und ich fahren nachmittags kurzentschlossen zum Erdbeerfeld. Nicht, dass da über Pfingsten alles abgeerntet wird – oder von Gewitter zerhagelt. Sonnencreme wäre eine gute Idee gewesen, aber mit schwülen 26 °C hatte irgendwie keine von uns gerechnet. Korb und Eimer sind schnell voll. Auf der Rückfahrt durchs Städtchen fährt ein Leichenwagen vor uns her. „Jo, dieses Wetter macht einen fertig“, sagt Märzkind.
Abends dann anbaden im See. Herrlich. So geht Juni.
Jahresvorrat Erdbeermarmelade gekocht.
Honig abgefüllt und Kunden zugeordnet. Da muss garnichts in den Keller getragen werden.
Der Teilzeitnachbar entrümpelt die Wohnung. Ich wasche Wäsche. Fast bei jeder Ladung, die ich aufhänge oder abnehme gibt es etwas Neues. Und es ist tatsächlich interessant wer da wann was abholt. Innerhalb von zwei Tagen wird das Carport einmal komplett bis oben voll und wieder leer geräumt. Ich staune. So ordentlich sah das noch nie aus. Das Ende einer traurigen Geschichte.
Abends um elf geht ich die letzten paar Meter mit dem Hund und brauche noch nicht mal einen Pulli. Ein lauer Sommerabend. In der Grillhütte wird gefeiert. Die ersten Takte eines Musikstücks laufen, man hört, dass die Gesellschaft sich freut, es wird mitgesungen. Das ist kein volltrunkenes Gegröle, stelle ich fest. Eigentlich ist das keine Überraschung. Da feiert heute die „Interessengemeinschaft landwirtschaftlicher Nutzfahrzeuge“ ( also Landwirte, Schlepperfreunde, Schrauber jeden Alters…), ich könnte mir vorstellen, dass von denen einige im Gesangverein sind. Den Refrain singen alle gemeinsam, die Hütte bebt. Es ist fast ein Gänsehautmoment. „ICH HAB ÜBERLEEEEGT MIT DEM SAUFEN AUFZUHÖÖÖÖÖÖRN . AAAAABER ICH SCHWANKE NOCH. ICH SCHWANKE NOCH“ Der Hund guckt mich fragend an. Das kennt er nicht. Tja Hund, früher, da war sowas normal, an sommerlichen Samstagen.
Ach übrigens, sagt Maikind, es gibt nur Frühstück in der Unterkunft. Sie sollen Taschengeld mitbringen, so zwischen 50 und 100 Euro wären gut, hat der Klassenlehrer gesagt. Ähm jo, früher waren Klassenfahrten ja mal „all inclusive“, meine ich mich zu erinnern, aber kein Problem, Gott sei Dank. Wer diese Beträge nicht mal eben so aus dem Hut zaubern kann ist übel angearscht, wenn so eine Info drei Tage vor Reiseantritt kommt.
Weil das Schüler-Hessenticket jetzt auch ein 9 Euro Ticket ist, muss man zum AS-Taxi garnichts mehr dazu bezahlen, sagt Märzkind und freut sich. Normalerweise kostet jede Fahrt einen Euro. Das sind bestimmt 20 Euro pro Monat, die sie jetzt anders ausgeben kann, schätze ich mal.
Märzkind bekommt ihren Traum-Ferienjob angeboten. Es ist der Job, den sie im Moment macht, als Praktikantin. Man würde sie gern über die Ferien weiter beschäftigen und wenn möglich sogar darüber hinaus, genau wie jetzt nur eben mit Geld. Da musste sie nicht überlegen. Fröhlich summend schwebt sie durchs Haus. Wenns einmal läuft…
Der große Neffe begegnet uns, einfach so, vor der Pommesbude auf dem Pfingstmarkt. Wir haben uns lange nicht gesehen, ich muss tatsächlich zweimal gucken, bevor ich mir sicher bin, dass er es ist. Die junge Frau an seiner Seite, ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, wie sie heißt, das wird gleich peinlich. Oder auch nicht, wir werden vorgestellt, alle freuen sich. Smalltalk, Pommes, weiter gehts. „Der hat ganz schön Kreuz gekriegt, auf der Polizeischule, ne?“, sagt der Liebste. Jo, das ist wahr. „und dem seine Freundinnen sehen eigentlich immer gleich aus“.
Julikind kommt fröhlich quieksend aus dem riesen Schaukel-Fahrgeschäft. Die 6 Euro haben sich sowas von gelohnt, sie ist begeistert, das könnte sie direkt nochmal… Ihre Freundin wischt sich mit einer fahrigen Bewegung eine Haarsträhne aus dem Mundwinkel, sie sagt garnichts und ihr Gesicht hat keinerlei Farbe.
Der Gastgeber, der mag uns wirklich, sagt er. Wir sind unkomplizierte Gäste, weil, wenn man uns einläd, dann sagen wir „okay, danke“, kommen zur angepeilten Uhrzeit und essen einfach ne Wurst. Die anderen wollten lieber früher kommen, wegen der Kinder und die essen alle nur noch vegetarisch… und samma, ganz ehrlich, ne, wenn man doch zum grillen einläd… Der Liebste drückt ihm ein Bier in die Hand und klopft ihm die Schulter.
Wir können die Blagen einfach alleine zu Hause lassen. High five. Die anderen unterhalten sich über Einschulungsfeiern und sind ein bisschen neidisch.
Ansonsten war nix. Auch mal schön.