„Wir hatten wenig Besuch in letzter Zeit, oder kommt mir das nur so vor?“, überlegt das Maikind beim Abendessen. Das kommt ihm nicht nur so vor, es ist so. Die Coronazahlen im Moment, man will sich gegenseitig nichts bringen… Oh, ach so, sagt er.
Das Robert Koch Institut, die Wissenschaftler der Leopoldina, alle bitten uns eindringlich Kontakte zu reduzieren, wo immer möglich. Ich höre und verstehe das durchaus. Gleichzeitig nehme ich die Stimmung der Kinder wahr. Kontaktreduzierungen sind uns nicht mehr möglich. Corona fressen Seele auf.
Solange Sport stattfinden darf gehen die Kinder hin, fertig. Das Märzkind ist auf eine Geburtstagsfeier eingeladen. Mir ist ein bisschen mulmig, aber ich sage nichts. Brauch ich auch nicht. Es sind nur ganz wenige eingeladen, alle geimpft und heute morgen getestet. Niemand möchte Lockdown mit Eltern riskieren.
Halsschmerzen beim Maikind die ganze Woche. Samstag dann schlimm genug für den hausärztlichen Notdienst. Ich werde gebeten, draußen zu warten, er ist ja schon groß. Zum Glück geht es erfreulich schnell, auf im Auto warten bei null Grad war ich nämlich nicht vorbereitet. Ein blaues Rezept hat er bekommen und den Rat, etwas kaltes zu essen. Jo, gut, dann ist es nicht so schlimm wie befürchtet und er kann Montag wieder in die Schule?, frage ich ihn. Woher soll er das wissen?
Die Uroma ist nicht geimpft. An irgendwas muss sie ja mal sterben, hat sie gesagt. Tja. Da hat sie wohl recht. Mit ihren 101 Jahren ist sie durchaus noch interessiert und informiert, das kann sie selber entscheiden. Aber: Was machen wir denn jetzt mit Weihnachten? Die Chance, dass sie nächstes Jahr noch da ist, ist 50:50, egal was wir tun oder lassen. Das Ganze mal etwas drastischer zu fomulieren hilft bei der Entscheidungsfindung. Wir können es uns mental nicht leisten, das irgendwer aus unserem Haushalt zum gefühlten Todesengel wird.
Vorsichtig erkundige ich mich bei der Schwägerin, wie deren Weihnachtsplan aussieht, wir hätten da eine leichte Tendenz in Richtung „so wie letztes Jahr“. Es dauert keine fünf Minuten, bis ich eine Antwort bekomme. Bei ihnen ist es genauso, „geht net anners“, machen wir uns nichts vor. Ich bin erleichtert, wir werden nicht die einzigen sein, die nicht hingehen. Der Rest wird sich finden.
Eine Hunderunde zusammen mit `m Vatta. Wir haben uns irgendwie länger nicht gesehen und tratschen, schlimmer als beim Seniorencafe. Ich weiß von einer Schwangerschaft und einer Verlobung im Bekanntenkreis. Er berichtet, dass sich jemand freiwillig hat einweisen lassen, wegen was psychischem. Hach, das war aber nett, da haben wir aber beide gleich beim Frühstück was zu erzählen, zu Hause.
Hallo Haus. Nur mal angenommen die Baumärkte würden für zwei Wochen schließen, was würde dir denn als erstes Fehlen? Tropft, quietscht, klemmt oder rostet irgendwo was Dringendes? Sieht nicht so aus.
Ich gehe trotzdem in den Baumarkt, weil ich eine halbe Stunde Wartezeit habe. Das Märzkind hat gerade so eine Duftkerzenphase, es wäre gut, einen Feuerlöscher im Haus zu haben. Es gibt welche mit Pulver und welche mit Schaum drin. Worin besteht denn der Unterschied? Ich frage nach.
Fachverkäufer: „Was möchten Sie denn löschen?“
ich: „Naja, ich plane nichts Konkretes. Sagen wir einfach mal, einen Weihnachtsbaum?“
Fachverkäufer: „Haha, einen Weihnachtsbaum, das ist gut, dann rate ich Ihnen zu diesem hier“
Ich nehme mittelgroßen Feuerlöscher entgegen.
Der Fachverkäufer hält einen Moment inne. „Sie meinten doch einen normalgroßen Baum in einem normalgroßen Haus, oder?“
ich: „Ja sicher, alles normal“
Fachverkäufer: „Dann ist der richtig“.
Der Liebste möchte zu Hause wissen, warum ich mich für diesen Feuerlöscher entschieden habe. Weil das der Richtige ist, natürlich.
Wann ich denn mal wieder einkaufe, fragt de Omma, verdächtig vorsichtig. „Ich kaufe jede Woche ein, was brauchste denn?“ Sie hätte da eine Liste mit Dingen, die sie zum Backen braucht. Der Vatta kauft für sie ein, normalerweise, das macht der auch gut und sie ist ja froh, aber mit dem Einkauf von Backzutaten möchte sie ihn lieber nicht behelligen. Den Vatta graust es vor dieser Liste, das weiß ich. Puderzucker, Zuckerstreusel, Orangeat, Zitronat, alles kein Problem, ich finde das, versichere ich der Omma.
Der erste Schnee fällt und schmilzt am gleichen Tag. Macht nichts, das gilt. Es hat geschneit. Der Liebste hat Spätschicht, auf was sollen wir warten? Julikind und ich gucken „Drei Männer im Schnee“ und teilen uns einen Mandelnougatriegel dabei. Der Film ist so alt, die Leute hatten damals noch gar keine Fernseher. Nach ein paar Minuten vergisst man aber, dass die Farben fehlen. Als der Abspann läuft krabbelt das Julikind unter der Wolldecke hervor. „So“, sagt sie, „dann ist es jetzt Advent“.