Eine Woche vor Weihnachten

Drei Gäste sind gebucht, von Montag bis Donnerstag. Shutdown ab Mittwoch. Geht das? Ich dachte, es wäre eine ganz einfache Frage, finde aber keine klare Antwort. Man kann wohl mit Sicherheit davon ausgehen, dass das drei Haushalte sind. Sind die dann nach Feierabend privat regelwidrig zusammen? Baustellenbetrieb ist sicherzustellen…. ich glaube aber, das sind externe von irgendeiner Firma im Umkreis. Wottsefack, wenn die anreisen, beherbege ich die und fertig. Dann finde ich einen Bussgeldkatalog und denke alles nochmal von vorne.

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Die Klassenlehrerin bedankt sich, dass ich mich gemeldet habe. Das Märzkind soll bis zu den Feiertagen gar keine Aufgaben mehr machen. Gar keine, wirklich nichts. Für alle anderen wurden die Abgabetermine auch aufgeweicht. Man verstehe, dass diese Altersgruppe im Moment ganz besonders betroffen ist. Nur leider sind die Leherer auch alle am Anschlag. Das widerum kann ich gut verstehen.

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Dienstag kommen die Kinder schwer beladen mit allen Büchern nach Hause. Das Julikind wuchtet alles mit Schwung in den Ranzenschrank und macht die Tür zu. „Mittelferien – ich ziehe mir jetzt eine Schlabberhose an.“ Ferien sind eigentlich ab Freitag, kein online Unterricht. Weise Entscheidung.

Donnerstag morgen höre ich im Autoradio, dass sämtliche Lernplattformen zusammengebrochen sind. Ach was.

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Der Liebste bekommt seine „du kommst aus dem Gefängnis frei Karte“ zugeschickt, wie er es nennt. Zur Aufrechterhaltung des Betriebs ist seine Anwesenheit am genannten Standort des Unternehmens zwingend erforderlich. Wegen Mehrschichtbetrieb kann das auch nachts oder am Wochenende der Fall sein. Er dürfte raus, wenn es zu Straßensperren kommen sollte.

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Zwei Bleche Kokosmakronen hatte ich auf dem Herd abgestellt, damit sie abkühlen können, bevor ich sie in die Dose packe. Eine Stunde später wird keine Dose mehr gebraucht. Abendessen? Eigentlich haben sie noch gar keinen Hunger.

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Die Oma aus dem Städtchen bringt einen süßen Teller und Weihnachtskarten. Sie wird Heilig Abend nicht kommen, hat sie entschieden. Das muss und darf natürlich jeder für sich selber entscheiden, niemand nimmt da was übel dieses Jahr. Aber seltsam ist es doch für alle. Heilig Abend wird zeitgleich drin und draußen stattfinden. Plan D. Wir wurschteln uns legal durch.

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Die andere Seite der Familie hatte nur einen Plan A. Der ist dahin.

Wenn da jetzt irgendeine Art der familären Zusammenkunft gewünscht ist, dann müsste aber wahrscheinlich schon irgendwer mit irgendwem irgendwie kommunizieren, oder? Ich hatte ja gesagt, ich sage nichts mehr. Der Liebste ist trotzdem grummelig. „Mental load“ nennt man das, was später Weihnachtsmagie wird. Ich koche mir einen Tee, sage wirklich nichts und bin ein bisschen stolz drauf.

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Mit einem Blick und einem Kopfnicken werden wir eingeladen, mit auf den Friedhof zu gehen. Eigentlich wollten wir nur am Zaun stehen. Anwesend sein, ohne rechnerisch teilzunehmen, quasi. Diese Variante fühlte sich in unseren Überlegungen am wenigsten falsch an.

An diesem Grab haben wir schon mal gestanden, mit der gleichen Familie.

Stille.

Nach und nach geht jeder am Grab vorbei und bleibt dann allein am Weg stehen. Kein Händedruck, keine Umarmungen, der Weg zurück mit Abstand.

Beileidsbekundungen am Grab finde ich immer schwierig. Standartfloskel mit Händedruck, es hilft ja doch nicht, dachte ich immer. Das sehe ich jetzt anders.

Nach ein paar Sätzen smalltalk im Gehen verlassen wir die Trauergemeinde schweigend.

„Väter beerdigen ist scheiße“, sagt der Liebste.

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Der Landkreis hat eine Insidenz von 257.

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Meine Schwester entschuldigt sich für Heilig Abend. Sie habe diese Woche mit einer Kollegin im Büro gesessen, die sich mit Kopfschmerzen und Geschmacksverlust krank gemeldet hat. Die Grippe, hat der Hausarzt gesagt, kein Test notwendig. Aber, ganz ehrlich, wo sollte man denn bei diesem ganzen Hygieneaufwand eine Grippe her haben? Das ist zwar richtig blöd jetzt, aber sie halten sich einfach raus, dieses Jahr, es ist zu heikel, wenn da jeder sagt „ist egal, ist Weihnachten, was soll das dann noch geben…?“ Es ist blöd. Aber danke! Denn selbst mit eingeschränktem Weihnachtsprogramm hätte das noch Sprengkraft, wenn denn dann… hoffentlich nicht. Gedankengang Ende.

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Es wird eine Weihnachtsstation eingerichtet. Jeder Haushalt wird ein Tischchen mit Namen drauf bekommen. Geschenke können so kontaktlos ausgetauscht werden. Die Kinder sind mit der Oma zum Scheune fegen verabredet.

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