Rund um Weihnachten 2024

Am letzten Schultag hole Julikind ab und wir fahren ins Nachbarstädtchen. Das war vielleicht nicht die klügste Entscheideung, wenn wir jetzt so drüber nachdenken. Die Straßen sind voll. Wir stehen quasi im Stau. Aber ist auch egal, es ist die erste und letzte Gelegenheit und die Einkaufsliste ist noch ziemlich lang. Der Advent war zäh, dies Jahr. Dieses jetzt oder nie, es macht entscheidungsfreudig. Wir finden was wir suchen, sogar in schön und sind ehrlich gesagt überrascht. Julikind denkt laut darüber nach, ob das zum neuen Konzept werden könnte, einfach vier Tage vor Weihnachten, Sachen in zu Geschäften kaufen, dann mit Tüten durch Fussgängerzonen laufen, das hat ihr gut gefallen.

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Dann kommt der Moment, ab dem wirklich alle frei haben. Endlich.

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Es gibt garnicht so viel vorzubereiten. Der Nachmittag des heiligen Abends ist ruhig. Alle gemeinsam gehen wir zum Gottesdienst. Ich war seit Jahren nicht mehr Heilig Abend in der Kirche und wundere mich über die freien Plätze. Früher musste man zeitig da sein, die Reihen wurden nachverdichtet, bis in die hinterletzte Ecke, das scheint lange her zu sein. Zum Eingang wird die Aschenbrödel-Melodie gespielt. Die Damen lächeln sich zu, die Herren – hatten gleich das Gefühl es irgendwo schon mal gehört zu haben, dieses Stück.

Für 12 Personen ist der Tisch gedeckt. Die Gäste bringen Essen mit, es wird schnell eng auf dem Tisch. Wir rücken Gläser etwas dichter, Schüsselchen zwischen Gedecke. De Omma hatte spontan doch lieber keine Lust auf Weihnachten, es stört ihren gewohnten Ablauf. Dafür haben alle Verständnis. Ich räume ein Gedeck wieder ab und „dann haben wir ja Platz für Kartoffelsalat“, sagt jemand. In der Küche wird die erste Flasche Sekt geöffnet. Brüderchen liegt im Krankenhaus (aus Gründen der Barrierefreit verzichten wir sonst auf Alkohohlausschank). Wir sind so wenig Leute wie wahrscheinlich noch nie, aber die die da sind, genießen den exklusiven Abend, ganz ohne Pflegebedarf. Ein Hauch von Müdigkeit, gegen 23.30 Uhr, dann kommt noch jemand, wir tauschen Geschenke aus, und, wenn wir jetzt alle noch wach sind, gehen wir nach draußen, um dem mitternächtlichen Glockengeläut zu lauschen, bei dem es sich im Grunde um ein Trinkspiel handelt. Es muss manuell, oben im Glockenturm geläutet werden, bis eine bestimmte Menge an Schnaps pro Person getrunken wurde, von jungen Menschen natürlich, die anschließend noch halbwegs heil die Leitern wieder runter kommen.

Mein erster Heilig Abend ohne Großeltern. Ein Meilenstein. Also, die Omas leben noch, waren halt nur nicht dabei.

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Der erste Feiertag wird bei Schwiegermutter gefeiert, in bombastischen Weihnachtsambiente. Schon in der Diele steht mehr Weihnachtsdeko als bei uns im ganzen Haus. Alle sind gekommen, es braucht zwei Tische, mittlerweile. Zu sechst sitzen wir schweigend am „Kindertisch“ im Wohnbereich. Der Schwippschwager steht auf und dreht die panflötenuntermalte Chormusik leiser. Besser. Ganz allmählich kommt ein Gespräch in Gang. Irgendwann ist die CD durchgelaufen und es wird still im Raum. So ist gut, sind wir uns einig, aber, wenn hier keine Musik läuft, das fällt bestimmt bald auf und dann kommt womöglich jemand und drückt wieder auf play. Schwippschwager und Nichte sichten das CD Sortiment. Es gibt zahlreiche Variationen des eben gehörten… und eine CD mit Vogelstimmen, die nehmen wir, unterhalten uns über Vogelarten und was man so erkennt….und fragen uns, wann das wohl auffällt und wem.

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Der zweite Feiertag versinkt in dichtestem Nebel, die andere Straßenseite ist nur schemenhaft zu sehen. Egal. Wir sind alle übersozialisiert und verbringen den Tag in Jogginghosen vor Bildschirmen sitzend, ernähren uns von Resten.

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Bemerknisse : Auffallend große Zufriedenheit mit Geschenken, dies Jahr. Es gab gewünschtes und gute Überraschungen. Ungewöhnlich wenig Süßigkeiten gab es, das fällt aber tatsächlich erst zwei Tage später auf. Macht garnichts, ist nur seltsam die Schnuckeschublade nach Weihnachten so leer zu sehen. Wenn jeder nur eine Sache zu Essen vorbereiten muss, wird alles mit Liebe gemacht – und das merkt man. Gutes Konzept. Der mittlere Neffe hat zum ersten Mal jemanden, der nicht zu seiner Kernfamilie gehört direkt angesprochen. Ein Meilenstein. Vielleicht gibt es eine Geschichte dazu, man weiß es nicht. Die Krippenfiguren passen dermaßen gut in die Wand, dass wir einen Moment überlegen, ob wir dafür nicht eine Lücke in der Trockenbauwand einplanen sollten.

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Ein Kaffeetrinken bei der Omma. Sie wirkt sortiert und zufrieden. Wir führen über anderthalb Stunden ein halbwegs fortlaufendes Gespräch, beobachten Vögel am Futterhaus, essen Kuchen. Weihnachtlicher braucht es garnicht werden.

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Spontanes Treffen zur Geschenkübergabe beim Patenkind. Memory, Mähdrescher und Monstertruck gespielt, andächtig drei Seiten Zeitung geschreddert. Der Liebste und ich fahren mit einem leicht nostalgischen Gefühl nach Hause.

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Feuerwerkseinkauf mit Maikind. Er zahlt die gescannten Waren an der Selbstbedienungskasse, ich das Feuerwerk an einer, wo schon jemand sitzt, der meine Volljährigkeit feststellen kann. Wir sind zeitgleich fertig.

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Der Liebste wollte das kalte Wetter für die Winterbehandlung der Bienen nutzen und ist früher wieder da, als gedacht. Am vorletzten Tag zeigt dieses Jahr uns nochmal den Mittelfinger.

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Jetzt noch ein bisschen putzen und aufräumen, Gästebettwäsche rauskramen und Buffet richten für Silvester. Das neue Jahr darf gerne gut werden.