Ende September

Sommer war angesagt und ist eingetroffen. Am Nachmittag sitze ich in kurzer Hose und T-Shirt im Garten, alleine natürlich, allen anderen ist zu warm. Ich finds toll. Bunte Blätter fallen dann und wann neben mir auf den Boden und man hört Sägegeräusche im aus verschiedenen Richtungen. Brennholz wird geschnitten, wie sich das für einen Samstag nachmittag Ende September gehört. Die gefühlte Jahreszeit passt nicht zur gehört und gesehenen.

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SterneHerzenBrezeln aus dem September-Lebkuchen Sortiment haben meine persönliche Preisgrenze erreicht. Ich kaufe jeweils eine Packung in Zartbitter und Vollmilch und wer jetzt noch welche will, muss selber investieren.

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Es ist kalt. Nicht frisch oder herbstlich, Winterjacken kalt, ist es, als ich früh morgens die Hunderunde gehe. Frost auf den Wiesen und auf Autoscheiben, im Wald röhrt der erste Hirsch. Vorgestern war doch noch Sommer. Es gibt keine Übergänge mehr.

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Der Liebste hat ein Geschäftsessen. Er wird über kurz oder lang ein weiteres Hemd kaufen müssen, sage ich. Ach was, sagt er, aber ich hab recht.

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Maikind kauft kaputte Elektrogeräte, um sie zu reparieren. Vom Esstisch aus steuert er seinen aktuellen Patienten übers Handy, weil man das kann, bei einem Saugroboter dieser Preisklasse, also wenn denn dann – aber anscheind funktioniert wieder alles. Das Problem besteht aktuell nur darin, dass Julikind eine Zimmertür geschlossen hat und ein Planquadrat deshalb nicht erreichbar ist, „sag ihm doch, er soll Julikind ne whatsapp schicken“, schlage ich vor „naargh, dass kann er leider nicht“, sagt Maikind, „obwohl“, murmelt er, „man könnte den google-Verlauf so einstellen…“ und verlässt in Gedanken versunken den Raum. Es sollte eigentlich nur ein Scherz sein.

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Das sieht nicht aus wie ein normales Stauende. LKWs blockieren die ganze Fahrbahn, als hätten die sich abgesprochen, nur eine kleine Lücke zur nächsten Abfahrt ist frei, die wir nach nach kurzem Überlegen dann auch nehmen. Pferde auf der Autobahn, sagt die Stimme im Radio. Oh, wie gut, dass wir da nicht die ersten waren. Auf kleinen Straßen und durch dunkle Wohngebiete erreichen wir das Krankenhaus genau pünktlich. Im Foyer sammeln sich Menschen mit Rollkoffern, Taschen und Begleitpersonen, ein bisschen wie Klassenfahrt, nur leiser. Um Punkt sieben Uhr kommt eine Krankenschwester und begrüßt die Anwesenden. Bitte alle einmal die Treppe hoch in den ersten Stock, wer laufen kann, möge das tun, der Fahrstuhl ist hier. Oben an der Treppe gestikuliert sie wie eine routinierte Reiseleiterin stationäre OPs links, ambulante rechts bitte. Nach wenigen Minuten Wartezeit bekommen die Patienten ihre Zimmertüren zugewiesen, und die Begleitpersonen Infos zum Wiedersehen. Ich mache noch ein Nickerchen im Auto, frühstücke aus der Brotdose, gehe eine Weile in die Stadt, bestaune die Weihnachtsexplosion in den Ramschläden, gucke mir eine Kirche an, google den Verlauf des Pilgerwegs, für den dort ein Stempel ausliegt, esse die Reste vom Vortagsmittagessen aus einer anderen Brotbox und freue mich dabei über meine Weitsicht einfach alles eingetuppert zu haben, heute morgen um vier, denn das Angebot dieser Krankenhaus-Kantine… man weiß nicht ob man lachen oder weinen möchte. Dann sind fünf Stunden Wartezeit schon um. Der Liebste ist blass aber hungrig. Ich fahre nochmal zum einkaufen, da das Mittagessen ja schon durch ist und man hier so spontan kein Abendessen für Nahrungsmittelunverträglichkeiten anbieten können wird. Macht nix, wenigstens haben sie es bemerkt.

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Mein gerade erst verlängerter Arbeitsvertrag wird, wegen eintreten des Befristungsgrunds dann doch enden, teilt man mir mit, ob zum Ende dieses Monats oder erst im nächsten vermag aber niemand zu sagen. Ich hatte im Stillen damit gerechnet, bin aber trotzdem überrascht. Alle anderen auch.

Der Liebste kommt nach Hause, wir freuen uns, bis hierher ist alles gut gelaufen. 6 Wochen Sofa und Krücken werden folgen.

Im Gäste-WC riecht es nach nassem Laminat- Fussboden, eine schnelle Sichtkontrolle ergibt, genau was ich befürchtet hatte, da tropft Wasser, wo keines sein sollte. Man müsste mal. Ich schmeiße einen Lappen auf dem Boden und erkläre dem Raum, dass das leider alles ist, was ich im Moment tun kann. Dann ziehe ich mir eine Jogginghose an und gucke zwei Stunden lang youtube-Videos ohne Sinn und Zusammenhang.

Da fallen einem all die schönen Lockdown-Formulierungen von den Herausforderungen und Besonderheiten wieder ein.

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