Sommersachen

Zwischen den Tanz-Auftritten der beiden Mädels liegen vier Stunden Zeit, es ist warm. Wir wechseln vom Altstadtfest in die Eisdiele und sind nicht die einzigen. Preise und Portionsgrößen an den Fressbuden sind dann jetzt so, dass man lieber woanders hingeht, zum essen.

Beide Auftritte sind toll und wir staunen, was sich da im letzten Jahr getan hat.

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Hitzewelle. Gleich montags wird für die ganze Woche hitzefrei ab der fünften Stunde bekannt gegeben, erzählt Julikind, und fügt hinzu, dass alles andere ja auch wirklich keinen Sinn machen würde. Die letzte Schulwoche vor den Ferien zieht sich trotzdem wie Kaugummi. Ich mag warmes Sommerwetter. Aber das hier ist selbst mir ein bisschen zu viel. Morgens um viertel vor sechs bin ich viel zu warm angezogen. Das ist mir vielleicht noch nie passiert. Es wäre Zeit für eine größere Hunderunde gewesen, aber so nicht. Als wir eine halbe Stunde später zu Hause ankommen, trinkt der Hund seinen Napf auf ex und lässt sich dann seufzend auf die kalten Fliesen im Flur fallen. Den größten Teil des Tages verbringen alle im Haus.

Über Nacht dann 15°C weniger, einfach so.

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Openair Kinoabend im Nachbardorf. Beginn der Veranstaltung sollte um 20.30 Uhr sein, alle nehmen Platz und warten, vom Gefühl könnte es jeden Moment losgehen. Tut es aber nicht. Um viertel vor zehn holen Julikind und ihre Freundin das vierte Mal Popkorn und ich überlege ernsthaft, ob ich nicht lieber nach Hause möchte. Dann geht es endlich los. Der Film ist gut, aber es wird allmählich kalt und, wie gesagt, ich bin eigentlich viel zu müde, um bis Mitternacht auf dem Sportplatz zu sitzen. Höhepunkt des Abends war eine kleine Fledermaus, die ganz sanft meine Frisur gestreift hat. Ein Gruselmoment, aber nur weil ich am Abend vorher mit dem Liebsten diesen Seuchenfilm geguckt hatte, wo ein Fledermaus- und ein Schweinevirus sich auf tödlichste Art begegenen.

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Es wird viel Schokolade gegessen bei uns, im Moment. Eine Tafel ist so dermaßen schnell weg, das kann doch eigentlich garnicht sein. Zufällig sehe ich bei der Entsorgung der leer gefutterten Folie, dass da nur noch 250g drin sind. 50g weniger als normal und die kleinen Tafeln haben nur noch 90g statt 100. Das erklärt einiges. Frischkäse war auch schneller alle als gewöhnlich, in den letzten Tagen und ich habe den Verdacht – jawoll, wenn man genau hinsieht steht es sogar drauf, auf der Packung. Es ist jetzt weniger drin. „Kleinere Menge, weniger food waste“, steht da allen Ernstes. Ein nett gemeinter Service aber ich kauf dann lieber irgendeine andere Marke. Foodwaste ist in einem Haushalt mit Teenagern nämlich so gar kein Problem.

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Die Freundin und ich nennen diese Strecke „eine Runde durchs Tal laufen“, und tragen dabei ganz normale Klamotten, wie zum Gassi gehen halt. Auf einem schmalen Waldweg schließt eine kleine Gruppe von Wanderern zu uns auf. 3 Leute in outdoor-Vollausstattung mit gut gefüllten Tagesrucksäcken und ein Hund, der ziemlich genau so aussieht wie meiner, nur etwas kleiner. Das ist ganz lustig, weil man einen Moment wirklich nicht sagen kann welcher Hund wohl auf wen hören wird. Die Freundin und ich lassen uns zurück fallen. An der nächsten Abzweigung steht die Wandergruppe murmelnd unter einem Wegweiser. Es gibt kein Internet hier, noch nicht mal Handyempfang, für sie beginnt hier das Abenteuer.

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Steuererklärung erledigt, ohne besondere Vorkommnisse. Juhu.

Sommerliche Tauschgeschäfte und die ersten „einmal im Jahr- Einkäufe“ markieren den Beginn der zweiten Jahreshälfte. Julikind und der Liebste pflücken Kirschen in Nachbars Garten, mit Erlaubnis natürlich Herzlichstes Dankeschön dafür

Wir feiern Geburtstage, mehrere.

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Die kleine Kirche ist eigentlich schon voll, wir bleiben draußen stehen, ist ja schönes Wetter. Diese Trauerfeier hat sich länger angekündigt und fällt in die Kategorie „für ihn ist es am Besten so“, man unterhält sich leise über ganz normale Sachen. Genau als der Pfarrer mit getragener Stimme den Nachruf beginnt dreht im Nachbarhaus jemand die Musik voll auf, könnte Elektrosound sein, irgendwas instrumentales mit viel Bass wummert über den Friedhof. Die an der Kirchenmauer stehende Gemeinde tauscht Blicke. Zwei Minuten später geht jemand, klingelt und klopft am Nachbarhaus, kommt zurück und zuckt mit den Schultern. Alle versuchen, die Musik zu ignorieren, aber ein bisschen stört es schon, wenn man ehrlich ist. „Das kann doch wohl nicht sein“, sagt die Dame neben mir und schreitet entschlossen Richtung Friedhofstor. Kurz darauf hört man sie laut rufen „Haaaallloooo?“, untermalt von einem Geräusch, das klingt wie Faustschläge auf Holzhaustür, lang andauernd. Dann wird es still im Nachbarhaus. Die Trauergemeinde schmunzelt. Als die Dame zurück kommt zeigen alle wieder angemessen ernste Gesichter und Daumen hoch. „Geht doch“, sagt sie, als wäre es die normalste Sache der Welt.

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Handwerker im Haus zu haben, die Freunde sind, stört eigentlich gar nicht. Abgesehen davon, dass wir mal wieder den Hauptraum des Hauses nicht nutzen können. Der Liebste rührt in der Garage Putz an, wuchtet das Speisfass die Treppe rauf, fährt es auf Möbelrollern bis ins Wohnzimmer und der Steinmetz wirft alles schwungvoll gegen die Wand. Stundenlang, bis ihnen klar wird, die großzügig kalkulierten 20 Säcke nicht reichen werden, es müsste nochmal jemand fahren. Jetzt, denn der einzige Baumarkt, der Lehmputz führt schließt in 30 Minuten. Äh, man braucht 20 Minuten bis ins Städtchen und ein Sack wiegt 25kg, Maikind müsste bitte mal mitfahren, sonst haut das nicht hin. Sprichwörtlich um fünf vor 12 stehen wir am Baumarkttresen. Hier sind alle vom Fach, es gibt keine Dudelmusik und keine Deko. Man nennt die Betriebskontonummer, sagt was man will, bekommt einen Lieferschein, fährt an die Ausgabe und während ich einer Frau dabei helfe eine unhandliche Gasflasche ins Auto zu heben laden Maikind und der Gabelstaplerfahrer 10 Säcke Lehmputz in unseren Kofferraum. Drei Minuten nach 12 sind wir fertig. Spoileralarm, insgesamt wurden 31 Säcke gebraucht. Die Wand trocknet jetzt so vor sich hin.

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