Hömma, was ist eigentlich los?

Der Liebste wirft einen Stapel Zettel in die Tischmitte. Zufällig sitzen gerade noch zwei Kinder mit am Tisch, die können eigentlich mal selber… ich verteile Kullis und erkläre wer da was wohin schreiben soll. Es dauert fast fünf Minuten, bis diese Aktion jemandem komisch vor kommt „was machen wir hier eigentlich?“, möchte Julikind wissen. „Steuererklärung“, sage ich. „Ach was. So sieht eine Steuerklärung aus?“, Märzkind ist ehrlich interessiert. Sie habe gedacht, man würde das digital… das war ja garnicht so kompliziert und ging auch schneller, als sie gedacht hätte. Tja also, verheirateter Alleinverdienerhaushalt mit minderjährigen Kindern ist der einfachste Fall. Die Zettel auszufüllen dauert eine halbe Stunde. Ehrlicherweise sollte man aber die dreieinhalb Stunden Lebenszeit mit einrechnen, die ich versucht habe, in das ELSTER-Programm reinzukommen, bevor ich die Möglichkeit in Betracht zog, das das vielleicht garnicht an mir liegt.

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Für mich ist eine neue digitale Versicherungskarte in der Post. Der chip müsste noch aktiviert werden, das geht angeblich ganz einfach und dauert nur wenige Minuten und die alte Versichertenkarte ist dann übrigens ab sofort ungültig, steht in beiliegedem Schreiben. Aha. Nach einer viertel Stunde wird mir klar, dass die Aktivierung unmöglich ist, weil mein Perso anscheind nicht über die dafür notwendige Funktion verfügt. Ich könnte jetzt auf die Stadt fahren, um das ändern zu lassen, oder alternativ einen Termin bei der Krankenkasse machen, damit jemand meinen Ausweis mit den Augen anguckt und feststellt, dass ich ich bin und das auf der Krankenkarte speichert. Tja, blöd, dass ich das nicht habe kommen sehen… Anruf in der Hausarztpraxis, weil, ich würde das bestellte Rezept wahrscheinlich brauchen, bevor diese Karte voll funktionsfähig ist. Überhaupt! kein! Problem!, sagt die Dame am Telefon, mit dem E-Rezept fangen sie an, wenn das Pflicht wird, keinen Tag eher. Niemand hat Lust auf eine Übergangszeit voller halbdigitalem Gewurschtel.

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Letzte Ferienwoche, spontan gäbe es die Möglichkeit, ein paar Tage weg zu fahren, für uns Mädels. Wir planen was. Direkt buchen geht leider nicht, ich schicke eine Anfrage. An nachmittag des nächten Tages bekomme ich eine mail, auf der ganz oben, noch vor der Anrede in fetter roter Schrift steht, dass es sich dabei nicht um eine Buchungsbestätigung handelt, man teile nur mit, das die Anfrage eingegangen sei. Spaßeshalber gibt der Liebste mal unsere Wunschdaten in seine Buchungsapp ein. Wenn man bereit ist, zu dritt ein Zimmer zu teilen und auf Fussballplatz und Kickerraum verzichten kann, gibt es Angebote die günstiger sind, als der Preis, den die Jugendherberge aufruft. Deutlich günstiger, trotz bezogener Betten und Fernseher und W-Lan im Zimmer, ich bin ehrlich überrascht. Dann implodieren zwei Dienstpläne. Gut, dass nichts gebucht ist. Drei Tage später, abends um halb neun klingelt das Telefon. Eine freundliche junge Frau von der Rezeption erkundigt sich, ob wir später anreisen. Hä? Es dauert einen Moment, bis ich verstehe, was sie meint. Nein, wir reisen garnicht an, unsere Anfrage wurde nicht beantwortet. Die Frau murmelt *Tastaturklappergeräusch*, richtig, die Bestätigung sei garnicht rausgegangen, das könne sie sehen, das ist ja jetzt schade, ob wir denn trotzdem noch kommen wollen? Nein, die Pläne haben sich geändert, aber danke der Nachfrage. Sie entschuldigt sich, vielleicht ja beim nächsten Mal, man würde sich freuen… Um 20.39 Uhr erhalte ich eine email. Schade, dass sich unsere Reisepläne geändert haben, der Aufenthalt wurde kostenlos storniert. Das eine nicht gebuchte Reise kostenlos stornierbar ist, entspricht meinen Erwartungen.

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Im Juni hatte ich mit dem NVV telefoniert, wegen Kündigungsfrist für das Schüler-Hessenticket und erfahren: es werden Schreiben verschickt, im August, wenn man darauf nicht reagiert, wird das Ticket automatisch gekündigt, in dem Jahr, indem das Kind 18 wird. Ich muss also garnichts tun. Service der begeistert. Mitte September kündigt der NVV an, demnächst den Betrag für das Jahresticket abbuchen zu wollen. Ich telefoniere. Die Schreiben seien leider nicht rausgegangen, Chaos wegen Deutschlandticket. Verstehe. Mein Problem liegt allerdings nicht darin, dass ich das Schreiben, auf das ich nicht hätte reagieren sollen nicht bekommen habe. „Ah, so, bei Ihnen ist Geld abgebucht worden für ein Ticket das gekündigt werden sollte?“ kombiniert der Servicemitarbeiter. Ganz genau. Dann *Tastaturklappergeräusch* kündigt er das jetzt rückwirkend und das Geld wird mir zeitnah zurückerstattet werden. Damit wäre mein Problem gelöst, ich bedanke mich, der Mitarbeiter wirkt leicht verwirrt, wahrscheinlich sieht das Protokoll noch mehrere Minuten Genörgel vor. Drei Tage später bekommt Märzkind ein Schreiben indem mitgeteilt wird, das das Abo gekündigt ist und sie demnächst eine Rückzahlung von 31 Euro erhalten wird. Missverständnis. Wir hätten tatsächlich gerne die ganzen 365 Euro zurück. Diesmal hängt sich der Liebste in die Warteschleife.

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Während einer Wartezeit ploppt eine Videoempfehlung für mich auf. Mal sehen was youtube denkt, was mich interessieren könnte. Och guck. Meine Cousine im Fernseh. Der Kinderarzt, der ihre Tochter noch vor wenigen Wochen als Patientin aufgenommen hat, ist verschwunden. Praxisaufgabe. Funfact: Alle Kinderärzte im Umkreis von 30km sind voll. Sie hofft sehr, dass der Kinderarzt im Nachbarstädtchen, 40 Autominuten entfernt, noch was frei hat. Die Anfrage läuft.

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Neun Jahre am Stück war ich (als hinbringende/abholende Mami) im kleinen örtlichen Kindergarten, während der ganzen Zeit gab es ein festes Team aus zwei Erzieherinnen und einer Reinigungskraft, die den Laden geschmissen haben plus wechselnde Teilzeitkräften und Praktikanten. Die Atmosphäre war wertschätzend und freundlich. Eine der Erzieherinnen ist letzten Sommer in Rente gegangen, die verbliebenen drei haben gekündigt. Dorftratsch. Man fragt sich verschiedenes. Funfact: Die drei nächstliegenden Kindergärten der Nachbardörfer sind alle voll. Was für ein Glück, dass unsere groß sind.

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Märzkind sitzt bei mir am Esstisch, müde. Sie hat seit dem sehr frühen Sonntag morgen ein kaputtes Knie begleitet. In die Notaufnahme, zum Anästhesistengespräch, zum OP-Termin und nach Wartezeit zurück aufs heimische Sofa. Wiedervorlage morgen früh, weil es sich bei diesem „Notfall-OP-Termin“ um einen „OP-Termin auf Warteliste“ handelte, was bedeutet, man bekommt zwar innerhalb von drei Tagen einen OP-Termin, der wird aber abgesagt, falls ein echter Notfall dazwischen kommt, was dann um halb zehn eben der Fall war. Natürlich hat man Verständnis. Es waren auch alle die ganze Zeit über nett. Aber hätte einem das vorher jemand gesagt, man wäre mit einer anderen Haltung in diesen Tag gestartet.

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